"Ich bitte mir aus, daß du dies furchtbare Balg nicht etwa mit in deine Geburtstagsgesellschaft bringst." Und die Tochter mußte die Zurücknahme der Einladung am andern Morgen ausrichten. Meine Frau hat mir oft erzählt, dies sei die größte Kränkung ihres Lebens gewesen; so arm, so elend, so ausgestoßen sei sie sich nie wieder vorgekommen. Dies war also der schlimmste Fall. Aber ähnliches, wie das hier Erzählte, kam doch nicht selten vor und deshalb fühlte sich das arme früh elternlose Kind oft recht unglücklich. Trotzdem indessen war sie mit Hilfe großer Elastizität und noch größerer Phantasie doch auch wieder glücklich, ja vorwiegend glücklich, und wartete, wenn der Sturm vorüber, heiter und mit einer Art Sicherheit auf ihren Prinzen. Auf Abschlag nahm sie mich.
Ich sagte, daß ich mich, als ich das von allem Herkömmlichen so stark abweichende schwarzäugige Kind sah, eigentlich gleich in sie verliebt hätte. Vielleicht hätte sie dies Gefühl auch erwidert, wenn nicht und zwar als Mitpensionär in meines Onkels Hause, mein Freund Hermann Scherz, (von dem ich in einem früheren Abschnitte - "Bei Kaiser Franz" - bereits erzählt habe), gewesen wäre. Der war mir um ein Jahr voraus, hatte schon einen kleinen schwarzen Schnurrbartansatz und spielte sich überhaupt auf den
„Ich bitte mir aus, daß du dies furchtbare Balg nicht etwa mit in deine Geburtstagsgesellschaft bringst.“ Und die Tochter mußte die Zurücknahme der Einladung am andern Morgen ausrichten. Meine Frau hat mir oft erzählt, dies sei die größte Kränkung ihres Lebens gewesen; so arm, so elend, so ausgestoßen sei sie sich nie wieder vorgekommen. Dies war also der schlimmste Fall. Aber ähnliches, wie das hier Erzählte, kam doch nicht selten vor und deshalb fühlte sich das arme früh elternlose Kind oft recht unglücklich. Trotzdem indessen war sie mit Hilfe großer Elastizität und noch größerer Phantasie doch auch wieder glücklich, ja vorwiegend glücklich, und wartete, wenn der Sturm vorüber, heiter und mit einer Art Sicherheit auf ihren Prinzen. Auf Abschlag nahm sie mich.
Ich sagte, daß ich mich, als ich das von allem Herkömmlichen so stark abweichende schwarzäugige Kind sah, eigentlich gleich in sie verliebt hätte. Vielleicht hätte sie dies Gefühl auch erwidert, wenn nicht und zwar als Mitpensionär in meines Onkels Hause, mein Freund Hermann Scherz, (von dem ich in einem früheren Abschnitte – „Bei Kaiser Franz“ – bereits erzählt habe), gewesen wäre. Der war mir um ein Jahr voraus, hatte schon einen kleinen schwarzen Schnurrbartansatz und spielte sich überhaupt auf den
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0556"n="547"/>„Ich bitte mir aus, daß du dies furchtbare Balg nicht etwa mit in deine Geburtstagsgesellschaft bringst.“ Und die Tochter mußte die Zurücknahme der Einladung am andern Morgen ausrichten. Meine Frau hat mir oft erzählt, dies sei die größte Kränkung ihres Lebens gewesen; so arm, so elend, so ausgestoßen sei sie sich nie wieder vorgekommen. Dies war also der schlimmste Fall. Aber ähnliches, wie das hier Erzählte, kam doch nicht selten vor und deshalb fühlte sich das arme früh elternlose Kind oft recht unglücklich. Trotzdem indessen war sie mit Hilfe großer Elastizität und noch größerer Phantasie doch auch wieder glücklich, ja vorwiegend glücklich, und wartete, wenn der Sturm vorüber, heiter und mit einer Art Sicherheit auf ihren Prinzen. Auf Abschlag nahm sie mich.</p><lb/><p>Ich sagte, daß ich mich, als ich das von allem Herkömmlichen so stark abweichende schwarzäugige Kind sah, eigentlich gleich in sie verliebt hätte. Vielleicht hätte sie dies Gefühl auch erwidert, wenn nicht und zwar als Mitpensionär in meines Onkels Hause, mein Freund Hermann Scherz, (von dem ich in einem früheren Abschnitte –„Bei Kaiser Franz“– bereits erzählt habe), gewesen wäre. Der war mir um ein Jahr voraus, hatte schon einen kleinen schwarzen Schnurrbartansatz und spielte sich überhaupt auf den<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
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„Ich bitte mir aus, daß du dies furchtbare Balg nicht etwa mit in deine Geburtstagsgesellschaft bringst.“ Und die Tochter mußte die Zurücknahme der Einladung am andern Morgen ausrichten. Meine Frau hat mir oft erzählt, dies sei die größte Kränkung ihres Lebens gewesen; so arm, so elend, so ausgestoßen sei sie sich nie wieder vorgekommen. Dies war also der schlimmste Fall. Aber ähnliches, wie das hier Erzählte, kam doch nicht selten vor und deshalb fühlte sich das arme früh elternlose Kind oft recht unglücklich. Trotzdem indessen war sie mit Hilfe großer Elastizität und noch größerer Phantasie doch auch wieder glücklich, ja vorwiegend glücklich, und wartete, wenn der Sturm vorüber, heiter und mit einer Art Sicherheit auf ihren Prinzen. Auf Abschlag nahm sie mich.
Ich sagte, daß ich mich, als ich das von allem Herkömmlichen so stark abweichende schwarzäugige Kind sah, eigentlich gleich in sie verliebt hätte. Vielleicht hätte sie dies Gefühl auch erwidert, wenn nicht und zwar als Mitpensionär in meines Onkels Hause, mein Freund Hermann Scherz, (von dem ich in einem früheren Abschnitte – „Bei Kaiser Franz“ – bereits erzählt habe), gewesen wäre. Der war mir um ein Jahr voraus, hatte schon einen kleinen schwarzen Schnurrbartansatz und spielte sich überhaupt auf den
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 547. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/556>, abgerufen am 26.06.2024.
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