sei. Bei der Aufregung in der ich mich befand, war ich ziemlich gleichgiltig gegen diese Mitteilung, die ich nur so obenhin mit anhörte, nicht ahnend, welche Bedeutung gerade sie für mich gewinnen sollte. Den 31. Juli brach ich auf. Ich installierte mich in Altona, kam aber über diese Etappe nicht hinaus, denn schon den zweiten Tag danach erreichte mich ein eingeschriebener Brief von halb dienstlichem Charakter, in dem der neue Chef der ministeriellen Preßabteilung, W. von Merckel, mir eine diätarische Stellung in seinem litterarischen Bureau anbot. Auch die Summe, die mir bewilligt werden könne, war genannt. Das alte "jetzt oder nie" stand mir sofort vor der Seele; der Egoismus war stärker als der Patriotismus, ich nahm an und ehe der Herbst auf die Neige ging, war ich als "Diätar im Preßbureau" installiert und sogar verheiratet. Aber wie mir kluge Leute vorausgesagt hatten, - es dauerte nicht lange: zwei Monate später flog die ganze ministerielle Preß-Abteilung, wenigstens in ihrer damaligen, aus der Radowitzzeit stammenden Zusammensetzung in die Luft und nur eine Thatsache von in gewissem Sinne sehr zweifelhaftem Werte blieb übrig: meine Verheiratung. Es sah schlimm aus. Aber das Schlimme hatte doch auch sein Gutes und dies eine Gute war, daß Merckel von eben diesem Augenblick an meine Frau und mich so zu sagen
sei. Bei der Aufregung in der ich mich befand, war ich ziemlich gleichgiltig gegen diese Mitteilung, die ich nur so obenhin mit anhörte, nicht ahnend, welche Bedeutung gerade sie für mich gewinnen sollte. Den 31. Juli brach ich auf. Ich installierte mich in Altona, kam aber über diese Etappe nicht hinaus, denn schon den zweiten Tag danach erreichte mich ein eingeschriebener Brief von halb dienstlichem Charakter, in dem der neue Chef der ministeriellen Preßabteilung, W. von Merckel, mir eine diätarische Stellung in seinem litterarischen Bureau anbot. Auch die Summe, die mir bewilligt werden könne, war genannt. Das alte „jetzt oder nie“ stand mir sofort vor der Seele; der Egoismus war stärker als der Patriotismus, ich nahm an und ehe der Herbst auf die Neige ging, war ich als „Diätar im Preßbureau“ installiert und sogar verheiratet. Aber wie mir kluge Leute vorausgesagt hatten, – es dauerte nicht lange: zwei Monate später flog die ganze ministerielle Preß-Abteilung, wenigstens in ihrer damaligen, aus der Radowitzzeit stammenden Zusammensetzung in die Luft und nur eine Thatsache von in gewissem Sinne sehr zweifelhaftem Werte blieb übrig: meine Verheiratung. Es sah schlimm aus. Aber das Schlimme hatte doch auch sein Gutes und dies eine Gute war, daß Merckel von eben diesem Augenblick an meine Frau und mich so zu sagen
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sei. Bei der Aufregung in der ich mich befand, war ich ziemlich gleichgiltig gegen diese Mitteilung, die ich nur so obenhin mit anhörte, nicht ahnend, welche Bedeutung gerade sie für mich gewinnen sollte. Den 31. Juli brach ich auf. Ich installierte mich in Altona, kam aber über diese Etappe nicht hinaus, denn schon den zweiten Tag danach erreichte mich ein eingeschriebener Brief von halb dienstlichem Charakter, in dem der neue Chef der ministeriellen Preßabteilung, W. von Merckel, mir eine diätarische Stellung in seinem litterarischen Bureau anbot. Auch die Summe, die mir bewilligt werden könne, war genannt. Das alte „jetzt oder nie“ stand mir sofort vor der Seele; der Egoismus war stärker als der Patriotismus, ich nahm an und ehe der Herbst auf die Neige ging, war ich als „Diätar im Preßbureau“ installiert und sogar verheiratet. Aber wie mir kluge Leute vorausgesagt hatten, – es dauerte nicht lange: zwei Monate später flog die ganze ministerielle Preß-Abteilung, wenigstens in ihrer damaligen, aus der Radowitzzeit stammenden Zusammensetzung in die Luft und nur <hirendition="#g">eine</hi> Thatsache von in gewissem Sinne sehr zweifelhaftem Werte blieb übrig: meine Verheiratung. Es sah schlimm aus. Aber das Schlimme hatte doch auch sein Gutes und dies eine Gute war, daß Merckel von eben diesem Augenblick an meine Frau und mich so zu sagen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
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sei. Bei der Aufregung in der ich mich befand, war ich ziemlich gleichgiltig gegen diese Mitteilung, die ich nur so obenhin mit anhörte, nicht ahnend, welche Bedeutung gerade sie für mich gewinnen sollte. Den 31. Juli brach ich auf. Ich installierte mich in Altona, kam aber über diese Etappe nicht hinaus, denn schon den zweiten Tag danach erreichte mich ein eingeschriebener Brief von halb dienstlichem Charakter, in dem der neue Chef der ministeriellen Preßabteilung, W. von Merckel, mir eine diätarische Stellung in seinem litterarischen Bureau anbot. Auch die Summe, die mir bewilligt werden könne, war genannt. Das alte „jetzt oder nie“ stand mir sofort vor der Seele; der Egoismus war stärker als der Patriotismus, ich nahm an und ehe der Herbst auf die Neige ging, war ich als „Diätar im Preßbureau“ installiert und sogar verheiratet. Aber wie mir kluge Leute vorausgesagt hatten, – es dauerte nicht lange: zwei Monate später flog die ganze ministerielle Preß-Abteilung, wenigstens in ihrer damaligen, aus der Radowitzzeit stammenden Zusammensetzung in die Luft und nur eine Thatsache von in gewissem Sinne sehr zweifelhaftem Werte blieb übrig: meine Verheiratung. Es sah schlimm aus. Aber das Schlimme hatte doch auch sein Gutes und dies eine Gute war, daß Merckel von eben diesem Augenblick an meine Frau und mich so zu sagen
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 515. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/524>, abgerufen am 26.06.2024.
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