Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.Eine Seite seines Wesens hab' ich noch hervorzuheben vergessen oder doch nur eingangs, bei Besprechung des Ganganelli-Gedichts, ganz kurz erwähnt. Es war dies seine Stellung zum Katholizismus. Er, der gütigste Mann von der Welt, war in dieser Frage ganz rabiat, und die viel zitierte, gegen Rom und Papsttum sich richtende Herwegh'sche Zeile: "Noch einen Fluch schlepp ich herbei," war ihm ganz aus der Seele gesprochen. Ich brauche kaum hinzuzusetzen, daß er, dieser antipäpstlichen Richtung entsprechend, auch eine "freimaurerische Größe" war. Er lebte zuletzt ganz in den Aufgaben dieses Ordens. Ich habe, durchaus anders geartet wie er, weder seine Liebe, noch seinen Haß begriffen. Wenn ich ihm das gelegentlich aussprach, lächelte er halb wehmütig, halb überlegen und sagte dann wohl: "Ja, Fontan, du orakelst da mal wieder los. Das macht, du hast einen merkwürdig naiven Glauben an dich selbst und denkst immer, du weißt so ziemlich alles am besten. Aber ich kann dir sagen, hinterm Berge wohnen auch noch Leute." Eine Seite seines Wesens hab’ ich noch hervorzuheben vergessen oder doch nur eingangs, bei Besprechung des Ganganelli-Gedichts, ganz kurz erwähnt. Es war dies seine Stellung zum Katholizismus. Er, der gütigste Mann von der Welt, war in dieser Frage ganz rabiat, und die viel zitierte, gegen Rom und Papsttum sich richtende Herwegh’sche Zeile: „Noch einen Fluch schlepp ich herbei,“ war ihm ganz aus der Seele gesprochen. Ich brauche kaum hinzuzusetzen, daß er, dieser antipäpstlichen Richtung entsprechend, auch eine „freimaurerische Größe“ war. Er lebte zuletzt ganz in den Aufgaben dieses Ordens. Ich habe, durchaus anders geartet wie er, weder seine Liebe, noch seinen Haß begriffen. Wenn ich ihm das gelegentlich aussprach, lächelte er halb wehmütig, halb überlegen und sagte dann wohl: „Ja, Fontan, du orakelst da mal wieder los. Das macht, du hast einen merkwürdig naiven Glauben an dich selbst und denkst immer, du weißt so ziemlich alles am besten. Aber ich kann dir sagen, hinterm Berge wohnen auch noch Leute.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0520" n="511"/> <p>Eine Seite seines Wesens hab’ ich noch hervorzuheben vergessen oder doch nur eingangs, bei Besprechung des Ganganelli-Gedichts, ganz kurz erwähnt. Es war dies seine Stellung zum Katholizismus. Er, der gütigste Mann von der Welt, war in dieser Frage ganz rabiat, und die viel zitierte, gegen Rom und Papsttum sich richtende Herwegh’sche Zeile: „Noch einen Fluch schlepp ich herbei,“ war ihm ganz aus der Seele gesprochen. Ich brauche kaum hinzuzusetzen, daß er, dieser antipäpstlichen Richtung entsprechend, auch eine „freimaurerische Größe“ war. Er lebte zuletzt ganz in den Aufgaben dieses Ordens. Ich habe, durchaus anders geartet wie er, weder seine Liebe, noch seinen Haß begriffen. Wenn ich ihm das gelegentlich aussprach, lächelte er halb wehmütig, halb überlegen und sagte dann wohl: „Ja, Fontan, du orakelst da mal wieder los. Das macht, du hast einen merkwürdig naiven Glauben an dich selbst und denkst immer, du weißt so ziemlich alles am besten. Aber ich kann dir sagen, hinterm Berge wohnen auch noch Leute.“<lb/></p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [511/0520]
Eine Seite seines Wesens hab’ ich noch hervorzuheben vergessen oder doch nur eingangs, bei Besprechung des Ganganelli-Gedichts, ganz kurz erwähnt. Es war dies seine Stellung zum Katholizismus. Er, der gütigste Mann von der Welt, war in dieser Frage ganz rabiat, und die viel zitierte, gegen Rom und Papsttum sich richtende Herwegh’sche Zeile: „Noch einen Fluch schlepp ich herbei,“ war ihm ganz aus der Seele gesprochen. Ich brauche kaum hinzuzusetzen, daß er, dieser antipäpstlichen Richtung entsprechend, auch eine „freimaurerische Größe“ war. Er lebte zuletzt ganz in den Aufgaben dieses Ordens. Ich habe, durchaus anders geartet wie er, weder seine Liebe, noch seinen Haß begriffen. Wenn ich ihm das gelegentlich aussprach, lächelte er halb wehmütig, halb überlegen und sagte dann wohl: „Ja, Fontan, du orakelst da mal wieder los. Das macht, du hast einen merkwürdig naiven Glauben an dich selbst und denkst immer, du weißt so ziemlich alles am besten. Aber ich kann dir sagen, hinterm Berge wohnen auch noch Leute.“
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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