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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.

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und italienische Memoiren und Hofgeschichten, aus denen er sich Regeln ableitete.

Natürlich war er mir infolge davon Autorität und so weit es reichte, auch Vorbild in allem Gesellschaftlichen, dabei lächelnd meine gelegentlichen Fragen beantwortend. "Ach, diese Gesellschaften!" hob ich dann wohl an. "Wenn nur nicht der Eintrittsmoment wäre! Sieh, wenn ich in einen großen Saal trete, weiß ich nie, wohin mit mir. Es erinnert mich immer an die Zeit meiner Schulaufsätze: wenn ich nur erst den Anfang hätte!" Lepel wußte natürlich Rat. Er hörte sich meinen Stoßseufzer ruhig an und sagte: "Nichts einfacher als das. Wenn du eintrittst, reckst du dich auf und hältst Umschau, bis du die Wirtin entdeckt hast. Nehmen wir den ungünstigsten Fall, daß sie ganz hinten steht, am äußersten Ende des Saals, so steuerst du, jeden Gruß oder gar Händedruck Unberufener ablehnend, auf die Wirtin zu, verneigst dich und küßt ihr die Hand. Ist dies geschehen, so bist du installiert: alles andere findet sich von selbst." Eine so kleine Sache dies ist, ich habe doch großen Nutzen daraus gezogen.

In seiner Güte gegen mich war er im ganzen mit meinem gesellschaftlichen Verhalten zufrieden oder ließ es gehen, wie's gehen wollte. Nur wenn Extrafälle kamen, nahm er mich vorher ins Gebet,

und italienische Memoiren und Hofgeschichten, aus denen er sich Regeln ableitete.

Natürlich war er mir infolge davon Autorität und so weit es reichte, auch Vorbild in allem Gesellschaftlichen, dabei lächelnd meine gelegentlichen Fragen beantwortend. „Ach, diese Gesellschaften!“ hob ich dann wohl an. „Wenn nur nicht der Eintrittsmoment wäre! Sieh, wenn ich in einen großen Saal trete, weiß ich nie, wohin mit mir. Es erinnert mich immer an die Zeit meiner Schulaufsätze: wenn ich nur erst den Anfang hätte!“ Lepel wußte natürlich Rat. Er hörte sich meinen Stoßseufzer ruhig an und sagte: „Nichts einfacher als das. Wenn du eintrittst, reckst du dich auf und hältst Umschau, bis du die Wirtin entdeckt hast. Nehmen wir den ungünstigsten Fall, daß sie ganz hinten steht, am äußersten Ende des Saals, so steuerst du, jeden Gruß oder gar Händedruck Unberufener ablehnend, auf die Wirtin zu, verneigst dich und küßt ihr die Hand. Ist dies geschehen, so bist du installiert: alles andere findet sich von selbst.“ Eine so kleine Sache dies ist, ich habe doch großen Nutzen daraus gezogen.

In seiner Güte gegen mich war er im ganzen mit meinem gesellschaftlichen Verhalten zufrieden oder ließ es gehen, wie’s gehen wollte. Nur wenn Extrafälle kamen, nahm er mich vorher ins Gebet,

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[502/0511] und italienische Memoiren und Hofgeschichten, aus denen er sich Regeln ableitete. Natürlich war er mir infolge davon Autorität und so weit es reichte, auch Vorbild in allem Gesellschaftlichen, dabei lächelnd meine gelegentlichen Fragen beantwortend. „Ach, diese Gesellschaften!“ hob ich dann wohl an. „Wenn nur nicht der Eintrittsmoment wäre! Sieh, wenn ich in einen großen Saal trete, weiß ich nie, wohin mit mir. Es erinnert mich immer an die Zeit meiner Schulaufsätze: wenn ich nur erst den Anfang hätte!“ Lepel wußte natürlich Rat. Er hörte sich meinen Stoßseufzer ruhig an und sagte: „Nichts einfacher als das. Wenn du eintrittst, reckst du dich auf und hältst Umschau, bis du die Wirtin entdeckt hast. Nehmen wir den ungünstigsten Fall, daß sie ganz hinten steht, am äußersten Ende des Saals, so steuerst du, jeden Gruß oder gar Händedruck Unberufener ablehnend, auf die Wirtin zu, verneigst dich und küßt ihr die Hand. Ist dies geschehen, so bist du installiert: alles andere findet sich von selbst.“ Eine so kleine Sache dies ist, ich habe doch großen Nutzen daraus gezogen. In seiner Güte gegen mich war er im ganzen mit meinem gesellschaftlichen Verhalten zufrieden oder ließ es gehen, wie’s gehen wollte. Nur wenn Extrafälle kamen, nahm er mich vorher ins Gebet,

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T10:02:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T10:02:20Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/511>, abgerufen am 22.11.2024.