Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.oder Gedankenfinesse." Zu dem vielen, was ich ihm verdanke - ich habe z. B. auch Briefschreiben von ihm gelernt -, gehört sicherlich das leidlich gute sich Abfinden mit dem Gelegenheitsgedicht. Es ist das eine ganz eigene Kunst. Die meisten denken: "wenn gelacht wird, dann ist es gut," aber diesen Erfolg erreichen, heißt doch nur im Vorhof des Tempels stehn. Eins dieser Lepel'schen Gelegenheitsgedichte geb ich hier. Es stammt aus dem Herbst 1854, als Menzels berühmtes "Hochkirchbild", natürlich sehr verspätet, auf der Kunstausstellung erschien*). Es machte sofort Sensation und die Künstlerschaft oder vielleicht auch unser "Rütli", eine intime Abzweigung des Tunnel, *) Es heißt immer, Menzel sei erst verhältnismäßig spät berühmt geworden, und das ist auch bis auf einen gewissen Grad richtig. Es gab aber doch auch immer Leute, die recht gut wußten, "was los war." Und zu diesen Leuten gehörte, sein Andenken sei gesegnet, auch unseres Menzels damaliger Hauswirt. Als "Hochkirch" endlich fertig war, ergab sich eine Unmöglichkeit das Riesenbild die Treppe hinunterzuschaffen, am sperrendsten und gefährlichsten aber erwiesen sich die Treppenknäufe, Kugeln mit einer Spitze darauf, die der Hauswirt für das eben fertig gewordene Haus - Ritterstraße - hatte herstellen lassen. Da geschah das Unerhörte. Menzels Hauswirt, nachdem er den Wirt in sich besiegt, erschien mit einer Handsäge, sägte persönlich die Treppenknäufe ab und machte dadurch das Defile frei. Wenn über Berliner Hauswirte gesprochen wird, - was man so sprechen nennt, - so ermangele ich nie hinzuzusetzen: "Alles richtig. Aber da war mal einer ..."
oder Gedankenfinesse.“ Zu dem vielen, was ich ihm verdanke – ich habe z. B. auch Briefschreiben von ihm gelernt –, gehört sicherlich das leidlich gute sich Abfinden mit dem Gelegenheitsgedicht. Es ist das eine ganz eigene Kunst. Die meisten denken: „wenn gelacht wird, dann ist es gut,“ aber diesen Erfolg erreichen, heißt doch nur im Vorhof des Tempels stehn. Eins dieser Lepel’schen Gelegenheitsgedichte geb ich hier. Es stammt aus dem Herbst 1854, als Menzels berühmtes „Hochkirchbild“, natürlich sehr verspätet, auf der Kunstausstellung erschien*). Es machte sofort Sensation und die Künstlerschaft oder vielleicht auch unser „Rütli“, eine intime Abzweigung des Tunnel, *) Es heißt immer, Menzel sei erst verhältnismäßig spät berühmt geworden, und das ist auch bis auf einen gewissen Grad richtig. Es gab aber doch auch immer Leute, die recht gut wußten, „was los war.“ Und zu diesen Leuten gehörte, sein Andenken sei gesegnet, auch unseres Menzels damaliger Hauswirt. Als „Hochkirch“ endlich fertig war, ergab sich eine Unmöglichkeit das Riesenbild die Treppe hinunterzuschaffen, am sperrendsten und gefährlichsten aber erwiesen sich die Treppenknäufe, Kugeln mit einer Spitze darauf, die der Hauswirt für das eben fertig gewordene Haus – Ritterstraße – hatte herstellen lassen. Da geschah das Unerhörte. Menzels Hauswirt, nachdem er den Wirt in sich besiegt, erschien mit einer Handsäge, sägte persönlich die Treppenknäufe ab und machte dadurch das Defilé frei. Wenn über Berliner Hauswirte gesprochen wird, – was man so sprechen nennt, – so ermangele ich nie hinzuzusetzen: „Alles richtig. Aber da war mal einer …“
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oder Gedankenfinesse.“ Zu dem vielen, was ich ihm verdanke – ich habe z. B. auch Briefschreiben von ihm gelernt –, gehört sicherlich das leidlich gute sich Abfinden mit dem Gelegenheitsgedicht. Es ist das eine ganz eigene Kunst. Die meisten denken: „wenn gelacht wird, dann ist es gut,“ aber diesen Erfolg erreichen, heißt doch nur im Vorhof des Tempels stehn.
Eins dieser Lepel’schen Gelegenheitsgedichte geb ich hier. Es stammt aus dem Herbst 1854, als Menzels berühmtes „Hochkirchbild“, natürlich sehr verspätet, auf der Kunstausstellung erschien *). Es machte sofort Sensation und die Künstlerschaft oder vielleicht auch unser „Rütli“, eine intime Abzweigung des Tunnel,
*) Es heißt immer, Menzel sei erst verhältnismäßig spät berühmt geworden, und das ist auch bis auf einen gewissen Grad richtig. Es gab aber doch auch immer Leute, die recht gut wußten, „was los war.“ Und zu diesen Leuten gehörte, sein Andenken sei gesegnet, auch unseres Menzels damaliger Hauswirt. Als „Hochkirch“ endlich fertig war, ergab sich eine Unmöglichkeit das Riesenbild die Treppe hinunterzuschaffen, am sperrendsten und gefährlichsten aber erwiesen sich die Treppenknäufe, Kugeln mit einer Spitze darauf, die der Hauswirt für das eben fertig gewordene Haus – Ritterstraße – hatte herstellen lassen. Da geschah das Unerhörte. Menzels Hauswirt, nachdem er den Wirt in sich besiegt, erschien mit einer Handsäge, sägte persönlich die Treppenknäufe ab und machte dadurch das Defilé frei. Wenn über Berliner Hauswirte gesprochen wird, – was man so sprechen nennt, – so ermangele ich nie hinzuzusetzen: „Alles richtig. Aber da war mal einer …“
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/499>, abgerufen am 25.07.2024. |