eingeführt sah. Zunächst ein Wort über diesen meinen Freund.
Meine Bekanntschaft mit ihm - Fritz Esselbach - datierte schon von der Schule her und hatte sich so plötzlich und beinah so leidenschaftlich eingeleitet, wie sonst nur eine Liebe, nicht aber eine Freundschaft zu beginnen pflegt. Ich war auf einem märkischen Gut zu Besuch gewesen und machte von dorther die Rückreise nach Berlin mit einer jener immer nach Juchtenleder riechenden alten Fahrposten. Gleich nach Mitternacht kamen wir in Oranienburg an, in dessen Passagierstube mir ein schlankaufgeschossener junger Mensch von etwa fünfzehn Jahren auffiel, der für nichts andres Augen zu haben schien, als für seine drei jüngeren Geschwister. Ich wurde sofort von einem Gefühl stärkster Zuneigung erfaßt und sagte mir: "ja, so möchtest Du sein! ja, wenn Du solchen Freund je haben könntest!" Aber wer beschreibt mein Staunen und Entzücken, als ich denselben jungen Menschen am andern Morgen in meiner Schulklasse vorfand. Er hatte bis dahin dem "Joachimsthal" angehört und sich erst ganz vor kurzem entschlossen, das Gymnasium mit der Gewerbeschule zu vertauschen,
eingeführt sah. Zunächst ein Wort über diesen meinen Freund.
Meine Bekanntschaft mit ihm – Fritz Esselbach – datierte schon von der Schule her und hatte sich so plötzlich und beinah so leidenschaftlich eingeleitet, wie sonst nur eine Liebe, nicht aber eine Freundschaft zu beginnen pflegt. Ich war auf einem märkischen Gut zu Besuch gewesen und machte von dorther die Rückreise nach Berlin mit einer jener immer nach Juchtenleder riechenden alten Fahrposten. Gleich nach Mitternacht kamen wir in Oranienburg an, in dessen Passagierstube mir ein schlankaufgeschossener junger Mensch von etwa fünfzehn Jahren auffiel, der für nichts andres Augen zu haben schien, als für seine drei jüngeren Geschwister. Ich wurde sofort von einem Gefühl stärkster Zuneigung erfaßt und sagte mir: „ja, so möchtest Du sein! ja, wenn Du solchen Freund je haben könntest!“ Aber wer beschreibt mein Staunen und Entzücken, als ich denselben jungen Menschen am andern Morgen in meiner Schulklasse vorfand. Er hatte bis dahin dem „Joachimsthal“ angehört und sich erst ganz vor kurzem entschlossen, das Gymnasium mit der Gewerbeschule zu vertauschen,
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eingeführt sah. Zunächst ein Wort über diesen meinen Freund.
Meine Bekanntschaft mit ihm – Fritz Esselbach – datierte schon von der Schule her und hatte sich so plötzlich und beinah so leidenschaftlich eingeleitet, wie sonst nur eine Liebe, nicht aber eine Freundschaft zu beginnen pflegt. Ich war auf einem märkischen Gut zu Besuch gewesen und machte von dorther die Rückreise nach Berlin mit einer jener immer nach Juchtenleder riechenden alten Fahrposten. Gleich nach Mitternacht kamen wir in Oranienburg an, in dessen Passagierstube mir ein schlankaufgeschossener junger Mensch von etwa fünfzehn Jahren auffiel, der für nichts andres Augen zu haben schien, als für seine drei jüngeren Geschwister. Ich wurde sofort von einem Gefühl stärkster Zuneigung erfaßt und sagte mir: „ja, so möchtest Du sein! ja, wenn Du solchen Freund je haben könntest!“ Aber wer beschreibt mein Staunen und Entzücken, als ich denselben jungen Menschen am andern Morgen in meiner Schulklasse vorfand. Er hatte bis dahin dem „Joachimsthal“ angehört und sich erst ganz vor kurzem entschlossen, das Gymnasium mit der Gewerbeschule zu vertauschen,
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/47>, abgerufen am 23.07.2024.
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