Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.nur, statt ihnen einen starken Accent zu geben, und bei dem feinen Wahrnehmungsvermögen, das hohe und höchste Herrschaften für solche Dinge haben, mußte sich in bestimmten Kreisen eine gewisse Gegnerschaft gegen ihn ausbilden. Er ist der glänzendste Kasualredner, den ich, sei's im Leben, sei's litterarisch, kennen gelernt habe; seine Gelegenheitsreden sind Musterwerke von Knappheit, Klarheit, Geschmack, und die vordem so beliebte Manier, in Anspielungen zu sprechen und dadurch, weil alles gelobt und alles getadelt wurde, sich nach allen Seiten hin zu salvieren, war ihm fremd. Vor Kennern bestand er glänzend. Aber es gab ihrer einzelne, die sich trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - nicht befriedigt fanden, weil sie nebenher beständig heraushörten: "Ihr seid ihr, und ich bin ich." Es ist dreißig Jahre her, daß ich ihn zuerst sah; er machte schon damals den vorgeschilderten Eindruck, hatte schon damals alles Das, was ihn auf seine Höhe hob, aber diese Hochstellung auch bedrohte. Seine Krankheit, die seinen Rücktritt veranlaßte, war vielleicht ein Segen für ihn. Von sehr anderem Gepräge war Professor Wilhelm Hensel. Er zählte zu den häufigsten Gästen, nahm auch an den offiziellen Festdiners, Königs Geburtstag etc. regelmäßig teil und war allgemein gern gesehen. In Trebbin geboren, märkischer nur, statt ihnen einen starken Accent zu geben, und bei dem feinen Wahrnehmungsvermögen, das hohe und höchste Herrschaften für solche Dinge haben, mußte sich in bestimmten Kreisen eine gewisse Gegnerschaft gegen ihn ausbilden. Er ist der glänzendste Kasualredner, den ich, sei’s im Leben, sei’s litterarisch, kennen gelernt habe; seine Gelegenheitsreden sind Musterwerke von Knappheit, Klarheit, Geschmack, und die vordem so beliebte Manier, in Anspielungen zu sprechen und dadurch, weil alles gelobt und alles getadelt wurde, sich nach allen Seiten hin zu salvieren, war ihm fremd. Vor Kennern bestand er glänzend. Aber es gab ihrer einzelne, die sich trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – nicht befriedigt fanden, weil sie nebenher beständig heraushörten: „Ihr seid ihr, und ich bin ich.“ Es ist dreißig Jahre her, daß ich ihn zuerst sah; er machte schon damals den vorgeschilderten Eindruck, hatte schon damals alles Das, was ihn auf seine Höhe hob, aber diese Hochstellung auch bedrohte. Seine Krankheit, die seinen Rücktritt veranlaßte, war vielleicht ein Segen für ihn. Von sehr anderem Gepräge war Professor Wilhelm Hensel. Er zählte zu den häufigsten Gästen, nahm auch an den offiziellen Festdiners, Königs Geburtstag etc. regelmäßig teil und war allgemein gern gesehen. In Trebbin geboren, märkischer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0469" n="460"/> nur, statt ihnen einen starken Accent zu geben, und bei dem feinen Wahrnehmungsvermögen, das hohe und höchste Herrschaften für solche Dinge haben, mußte sich in <choice><sic>bestimmteu</sic><corr>bestimmten</corr></choice> Kreisen eine gewisse Gegnerschaft gegen ihn ausbilden. Er ist der glänzendste Kasualredner, den ich, sei’s im Leben, sei’s litterarisch, kennen gelernt habe; seine Gelegenheitsreden sind Musterwerke von Knappheit, Klarheit, Geschmack, und die vordem so beliebte Manier, in Anspielungen zu sprechen und dadurch, weil alles gelobt und alles getadelt wurde, sich nach allen Seiten hin zu salvieren, war ihm fremd. Vor Kennern bestand er glänzend. Aber es gab ihrer einzelne, die sich trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – nicht befriedigt fanden, weil sie nebenher beständig heraushörten: „Ihr seid ihr, und ich bin ich.“ Es ist dreißig Jahre her, daß ich ihn zuerst sah; er machte schon damals den vorgeschilderten Eindruck, hatte schon damals alles Das, was ihn auf seine Höhe hob, aber diese Hochstellung auch bedrohte. Seine Krankheit, die seinen Rücktritt veranlaßte, war vielleicht ein Segen für ihn.</p><lb/> <p>Von sehr anderem Gepräge war Professor <hi rendition="#g">Wilhelm Hensel</hi>. Er zählte zu den häufigsten Gästen, nahm auch an den offiziellen <choice><sic>Festdieners</sic><corr>Festdiners</corr></choice>, Königs Geburtstag etc. regelmäßig teil und war allgemein gern gesehen. In Trebbin geboren, märkischer<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [460/0469]
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Von sehr anderem Gepräge war Professor Wilhelm Hensel. Er zählte zu den häufigsten Gästen, nahm auch an den offiziellen Festdiners, Königs Geburtstag etc. regelmäßig teil und war allgemein gern gesehen. In Trebbin geboren, märkischer
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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