Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.wurde. Die Tunnelleute waren, wie die meisten gebildeten Preußen, von einer im wesentlichen auf das nationalliberale Programm hinauslaufenden Gesinnung, und bis diesen Tag ist es mir unerklärlich geblieben, daß, mit Ausnahme kurzer Zeitläufte, diese große politische Gruppe keine größere Rolle gespielt und sich nicht siegreicher als staatsbestimmende Macht etabliert hat. Es hat dies nach meinen Beobachtungen und Erfahrungen weniger - wenn überhaupt - an den Prinzipien unseres deutschen Whiggismus gelegen, als an dem Ton, in dem diese Prinzipien vorgetragen wurden. Der Fortschritt ist auch rechthaberisch doktrinär, aber er vertritt mehr den Doktrinarismus eines rabbiaten Konventiklers, als den eines geistig und moralisch mehr oder weniger in Hochmut verstrickten Besserwissers, und das Hochmütige verletzt nun mal mehr als das Rabbiate. Politiker mögen diese Sätze belächeln, es wird ihrer aber auch geben, die etwas Richtiges darin erkennen. Ich kehre nach diesem Exkurse zu Hesekiel zurück. Sein gelegentlich provozierendes Auftreten war nicht angethan, mit seiner etwas extremen Richtung - sie gab sich extremer als sie war - zu versöhnen, und so beschränkte sich, so weit der Tunnel in Betracht kam, sein gesellschaftlicher Verkehr auf das H. Smidt'sche Haus, das ich schon in einem früheren wurde. Die Tunnelleute waren, wie die meisten gebildeten Preußen, von einer im wesentlichen auf das nationalliberale Programm hinauslaufenden Gesinnung, und bis diesen Tag ist es mir unerklärlich geblieben, daß, mit Ausnahme kurzer Zeitläufte, diese große politische Gruppe keine größere Rolle gespielt und sich nicht siegreicher als staatsbestimmende Macht etabliert hat. Es hat dies nach meinen Beobachtungen und Erfahrungen weniger – wenn überhaupt – an den Prinzipien unseres deutschen Whiggismus gelegen, als an dem Ton, in dem diese Prinzipien vorgetragen wurden. Der Fortschritt ist auch rechthaberisch doktrinär, aber er vertritt mehr den Doktrinarismus eines rabbiaten Konventiklers, als den eines geistig und moralisch mehr oder weniger in Hochmut verstrickten Besserwissers, und das Hochmütige verletzt nun mal mehr als das Rabbiate. Politiker mögen diese Sätze belächeln, es wird ihrer aber auch geben, die etwas Richtiges darin erkennen. Ich kehre nach diesem Exkurse zu Hesekiel zurück. Sein gelegentlich provozierendes Auftreten war nicht angethan, mit seiner etwas extremen Richtung – sie gab sich extremer als sie war – zu versöhnen, und so beschränkte sich, so weit der Tunnel in Betracht kam, sein gesellschaftlicher Verkehr auf das H. Smidt’sche Haus, das ich schon in einem früheren <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0447" n="438"/> wurde. Die Tunnelleute waren, wie die meisten gebildeten Preußen, von einer im wesentlichen auf das nationalliberale Programm hinauslaufenden Gesinnung, und bis diesen Tag ist es mir unerklärlich geblieben, daß, mit Ausnahme kurzer Zeitläufte, diese große politische Gruppe keine größere Rolle gespielt und sich nicht siegreicher als staatsbestimmende Macht etabliert hat. Es hat dies nach meinen Beobachtungen und Erfahrungen weniger – wenn überhaupt – an den Prinzipien unseres deutschen Whiggismus gelegen, als an dem <hi rendition="#g">Ton</hi>, in dem diese Prinzipien <choice><sic>vorgetraten</sic><corr>vorgetragen</corr></choice> wurden. Der Fortschritt ist auch rechthaberisch doktrinär, aber er vertritt mehr den Doktrinarismus eines rabbiaten Konventiklers, als den eines geistig und moralisch mehr oder weniger in Hochmut verstrickten Besserwissers, und das Hochmütige verletzt nun mal mehr als das Rabbiate. Politiker mögen diese Sätze belächeln, es wird ihrer aber auch geben, die etwas Richtiges darin erkennen.</p><lb/> <p>Ich kehre nach diesem Exkurse zu Hesekiel zurück. Sein gelegentlich provozierendes Auftreten war nicht angethan, mit seiner etwas extremen Richtung – sie gab sich extremer als sie war – zu versöhnen, und so beschränkte sich, so weit der Tunnel in Betracht kam, sein gesellschaftlicher Verkehr auf das H. Smidt’sche Haus, das ich schon in einem früheren<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [438/0447]
wurde. Die Tunnelleute waren, wie die meisten gebildeten Preußen, von einer im wesentlichen auf das nationalliberale Programm hinauslaufenden Gesinnung, und bis diesen Tag ist es mir unerklärlich geblieben, daß, mit Ausnahme kurzer Zeitläufte, diese große politische Gruppe keine größere Rolle gespielt und sich nicht siegreicher als staatsbestimmende Macht etabliert hat. Es hat dies nach meinen Beobachtungen und Erfahrungen weniger – wenn überhaupt – an den Prinzipien unseres deutschen Whiggismus gelegen, als an dem Ton, in dem diese Prinzipien vorgetragen wurden. Der Fortschritt ist auch rechthaberisch doktrinär, aber er vertritt mehr den Doktrinarismus eines rabbiaten Konventiklers, als den eines geistig und moralisch mehr oder weniger in Hochmut verstrickten Besserwissers, und das Hochmütige verletzt nun mal mehr als das Rabbiate. Politiker mögen diese Sätze belächeln, es wird ihrer aber auch geben, die etwas Richtiges darin erkennen.
Ich kehre nach diesem Exkurse zu Hesekiel zurück. Sein gelegentlich provozierendes Auftreten war nicht angethan, mit seiner etwas extremen Richtung – sie gab sich extremer als sie war – zu versöhnen, und so beschränkte sich, so weit der Tunnel in Betracht kam, sein gesellschaftlicher Verkehr auf das H. Smidt’sche Haus, das ich schon in einem früheren
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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