Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.Ich persönlich habe sehr viel von Schneider gehabt, obschon er mir mehr oder weniger unsympathisch, seine Politik - trotzdem ich sie vorstehend verteidigt - im wesentlichen contre coeur und seine Kunst geradezu schrecklich war. Daß ich mich ihm demohnerachtet so sehr zu Dank verpflichtet fühle, liegt in zwei Dingen: erstens darin, daß wir dasselbe Feld, Mark Brandenburg, kultivierten und zweitens darin, daß er ein Sentenzen- und Sprichwortsmann war, ein Mann, nicht der zitierten, wohl aber der selbstgeschaffenen "geflügelten Worte". Diese Worte, wie sein ganzes Wesen, waren immer prosaisch und gemeinplätzig, aber vielleicht wirkten sie gerade dadurch so stark auf mich. Feine Sachen amüsieren mehr; ein Hieb aber, der so recht sitzen soll, muß etwas grob sein. Er war das verkörperte elfte Gebot "laß Dich nicht verblüffen" und seine Berliner Weltweisheit, seine burleske, mitunter stark ins Zynische gehende Unverfrorenheit hat mich oft erquickt, auch gefördert. In der Zeit, wo ich meine "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" zu schreiben anfing, sah ich ihn oft, um Ratschläge von ihm entgegen zu nehmen. Namentlich bei dem Bande, der das "Havelland" behandelt, ist er mir sehr von Nutzen gewesen. Er wohnte damals, wenn mir recht ist, am "Kanal", Ich persönlich habe sehr viel von Schneider gehabt, obschon er mir mehr oder weniger unsympathisch, seine Politik – trotzdem ich sie vorstehend verteidigt – im wesentlichen contre coeur und seine Kunst geradezu schrecklich war. Daß ich mich ihm demohnerachtet so sehr zu Dank verpflichtet fühle, liegt in zwei Dingen: erstens darin, daß wir dasselbe Feld, Mark Brandenburg, kultivierten und zweitens darin, daß er ein Sentenzen- und Sprichwortsmann war, ein Mann, nicht der zitierten, wohl aber der selbstgeschaffenen „geflügelten Worte“. Diese Worte, wie sein ganzes Wesen, waren immer prosaisch und gemeinplätzig, aber vielleicht wirkten sie gerade dadurch so stark auf mich. Feine Sachen amüsieren mehr; ein Hieb aber, der so recht sitzen soll, muß etwas grob sein. Er war das verkörperte elfte Gebot „laß Dich nicht verblüffen“ und seine Berliner Weltweisheit, seine burleske, mitunter stark ins Zynische gehende Unverfrorenheit hat mich oft erquickt, auch gefördert. In der Zeit, wo ich meine „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ zu schreiben anfing, sah ich ihn oft, um Ratschläge von ihm entgegen zu nehmen. Namentlich bei dem Bande, der das „Havelland“ behandelt, ist er mir sehr von Nutzen gewesen. Er wohnte damals, wenn mir recht ist, am „Kanal“, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0434" n="425"/> <p>Ich persönlich habe sehr viel von Schneider gehabt, obschon er mir mehr oder weniger unsympathisch, seine Politik – trotzdem ich sie vorstehend verteidigt – im wesentlichen <hi rendition="#aq">contre coeur</hi> und seine Kunst geradezu schrecklich war.</p><lb/> <p>Daß ich mich ihm demohnerachtet so sehr zu Dank verpflichtet fühle, liegt in zwei Dingen: erstens darin, daß wir dasselbe Feld, Mark Brandenburg, kultivierten und zweitens darin, daß er ein Sentenzen- und Sprichwortsmann war, ein Mann, nicht der zitierten, wohl aber der selbstgeschaffenen „geflügelten Worte“. Diese Worte, wie sein ganzes Wesen, waren immer prosaisch und gemeinplätzig, aber vielleicht wirkten sie gerade dadurch so stark auf mich. Feine Sachen amüsieren mehr; ein Hieb aber, der so recht sitzen soll, muß etwas grob sein. Er war das verkörperte elfte Gebot „laß Dich nicht verblüffen“ und seine Berliner Weltweisheit, seine burleske, mitunter stark ins Zynische gehende Unverfrorenheit hat mich oft erquickt, auch gefördert.</p><lb/> <p>In der Zeit, wo ich meine „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ zu schreiben anfing, sah ich ihn oft, um Ratschläge von ihm entgegen zu nehmen. Namentlich bei dem Bande, der das „Havelland“ behandelt, ist er mir sehr von Nutzen gewesen.</p><lb/> <p>Er wohnte damals, wenn mir recht ist, am „Kanal“,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [425/0434]
Ich persönlich habe sehr viel von Schneider gehabt, obschon er mir mehr oder weniger unsympathisch, seine Politik – trotzdem ich sie vorstehend verteidigt – im wesentlichen contre coeur und seine Kunst geradezu schrecklich war.
Daß ich mich ihm demohnerachtet so sehr zu Dank verpflichtet fühle, liegt in zwei Dingen: erstens darin, daß wir dasselbe Feld, Mark Brandenburg, kultivierten und zweitens darin, daß er ein Sentenzen- und Sprichwortsmann war, ein Mann, nicht der zitierten, wohl aber der selbstgeschaffenen „geflügelten Worte“. Diese Worte, wie sein ganzes Wesen, waren immer prosaisch und gemeinplätzig, aber vielleicht wirkten sie gerade dadurch so stark auf mich. Feine Sachen amüsieren mehr; ein Hieb aber, der so recht sitzen soll, muß etwas grob sein. Er war das verkörperte elfte Gebot „laß Dich nicht verblüffen“ und seine Berliner Weltweisheit, seine burleske, mitunter stark ins Zynische gehende Unverfrorenheit hat mich oft erquickt, auch gefördert.
In der Zeit, wo ich meine „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ zu schreiben anfing, sah ich ihn oft, um Ratschläge von ihm entgegen zu nehmen. Namentlich bei dem Bande, der das „Havelland“ behandelt, ist er mir sehr von Nutzen gewesen.
Er wohnte damals, wenn mir recht ist, am „Kanal“,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).
(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |