Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898."an Rußland verkauften" Schneider und wollte, was in einem gewissen Zusammenhange damit stand, im Publikum den Gedanken nicht aufkommen lassen, daß Scherenberg ein patriotischer Dichter sei; Scherenberg sollte vielmehr, nach dem Willen vorgenannter Herren, durchaus ein Volksdichter sein, ein 1813-Verherrlicher, wo das Volk und die Landwehr alles gemacht hätten. "Das stünde auch klar auf jeder Seite seiner Dichtungen, wenn man sie nur richtig läse; die Reaktion treibe bloß Mißbrauch mit ihm und man müsse ihn retten vor dieser Vergewaltigung." In der That, es war ein beständiges Hin- und Herzerren mit unserem Tunneldichter; heute hatten ihn die Patrioten, morgen hatten ihn die Fortschrittler. Der arme Scherenberg! Er war in derselben Verlegenheit wie der Pfalz- und Rheingraf in Bürgers "wildem Jäger" und wußte nicht, ob er sich nach links oder nach rechts hin halten sollte. Mit der ganzen Geschicklichkeit eines Pommern und Balten hat er sich aber schließlich immer geschickt durchgewunden und ist als Freund "von links und rechts" gestorben, ohne je der Zweideutigkeit bezichtigt worden zu sein. Der Glückliche! Schneider, während im Tunnel, in "seinem Tunnel", dieser Aufruhr tobte, saß all die Zeit „an Rußland verkauften“ Schneider und wollte, was in einem gewissen Zusammenhange damit stand, im Publikum den Gedanken nicht aufkommen lassen, daß Scherenberg ein patriotischer Dichter sei; Scherenberg sollte vielmehr, nach dem Willen vorgenannter Herren, durchaus ein Volksdichter sein, ein 1813-Verherrlicher, wo das Volk und die Landwehr alles gemacht hätten. „Das stünde auch klar auf jeder Seite seiner Dichtungen, wenn man sie nur richtig läse; die Reaktion treibe bloß Mißbrauch mit ihm und man müsse ihn retten vor dieser Vergewaltigung.“ In der That, es war ein beständiges Hin- und Herzerren mit unserem Tunneldichter; heute hatten ihn die Patrioten, morgen hatten ihn die Fortschrittler. Der arme Scherenberg! Er war in derselben Verlegenheit wie der Pfalz- und Rheingraf in Bürgers „wildem Jäger“ und wußte nicht, ob er sich nach links oder nach rechts hin halten sollte. Mit der ganzen Geschicklichkeit eines Pommern und Balten hat er sich aber schließlich immer geschickt durchgewunden und ist als Freund „von links und rechts“ gestorben, ohne je der Zweideutigkeit bezichtigt worden zu sein. Der Glückliche! Schneider, während im Tunnel, in „seinem Tunnel“, dieser Aufruhr tobte, saß all die Zeit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0420" n="411"/> „an Rußland verkauften“ Schneider und wollte, was in einem gewissen Zusammenhange damit stand, im Publikum den Gedanken nicht aufkommen lassen, daß Scherenberg ein <hi rendition="#g">patriotischer</hi> Dichter sei; Scherenberg sollte vielmehr, nach dem Willen vorgenannter Herren, durchaus ein Volksdichter sein, ein 1813-Verherrlicher, wo das Volk und die <hi rendition="#g">Landwehr</hi> alles gemacht hätten. „Das stünde auch klar auf jeder Seite seiner Dichtungen, wenn man sie nur richtig läse; die Reaktion treibe bloß Mißbrauch mit ihm und man müsse ihn retten vor dieser Vergewaltigung.“ In der That, es war ein beständiges Hin- und Herzerren mit unserem Tunneldichter; heute hatten ihn die Patrioten, morgen hatten ihn die Fortschrittler. Der arme Scherenberg! Er war in derselben Verlegenheit wie der Pfalz- und Rheingraf in Bürgers „wildem Jäger“ und wußte nicht, ob er sich nach links oder nach rechts hin halten sollte. Mit der ganzen Geschicklichkeit eines Pommern und Balten hat er sich aber schließlich immer geschickt durchgewunden und ist als Freund „von links und rechts“ gestorben, ohne je der Zweideutigkeit bezichtigt worden zu sein. Der Glückliche!</p><lb/> <p>Schneider, während im Tunnel, in „<hi rendition="#g">seinem Tunnel</hi>“, dieser Aufruhr tobte, saß all die Zeit<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [411/0420]
„an Rußland verkauften“ Schneider und wollte, was in einem gewissen Zusammenhange damit stand, im Publikum den Gedanken nicht aufkommen lassen, daß Scherenberg ein patriotischer Dichter sei; Scherenberg sollte vielmehr, nach dem Willen vorgenannter Herren, durchaus ein Volksdichter sein, ein 1813-Verherrlicher, wo das Volk und die Landwehr alles gemacht hätten. „Das stünde auch klar auf jeder Seite seiner Dichtungen, wenn man sie nur richtig läse; die Reaktion treibe bloß Mißbrauch mit ihm und man müsse ihn retten vor dieser Vergewaltigung.“ In der That, es war ein beständiges Hin- und Herzerren mit unserem Tunneldichter; heute hatten ihn die Patrioten, morgen hatten ihn die Fortschrittler. Der arme Scherenberg! Er war in derselben Verlegenheit wie der Pfalz- und Rheingraf in Bürgers „wildem Jäger“ und wußte nicht, ob er sich nach links oder nach rechts hin halten sollte. Mit der ganzen Geschicklichkeit eines Pommern und Balten hat er sich aber schließlich immer geschickt durchgewunden und ist als Freund „von links und rechts“ gestorben, ohne je der Zweideutigkeit bezichtigt worden zu sein. Der Glückliche!
Schneider, während im Tunnel, in „seinem Tunnel“, dieser Aufruhr tobte, saß all die Zeit
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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