Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.Chronik unter Händen gehabt hatte, denn, in Wiedererzählung dessen, was er dem Buch entnommen, war er auf seiner Höhe. So hab' ich ihn mal die Erstürmung von Bergen durch die Lübischen vorlesen hören und war ganz bewältigt von der lebendig gestalteten Szene. Natürlich war die Sache, wie jeder historische Hergang zu dessen Darstellung man schreitet, irgend einer Ueberlieferung entnommen, aber es war doch in seine Sprache transponiert, was immerhin etwas bedeutet und jedenfalls verbleibt ihm das Verdienst, gerade den Stoff und keinen anderen gewählt zu haben. Das Wort Spielhagens "finden, nicht erfinden" enthält eine nicht genug zu beherzigende Wahrheit; in der Erzählungskunst bedeutet es beinah alles. Gewiß, Heinrich Smidt war kein großer Schriftsteller, kaum ein Schriftsteller überhaupt; aber er war, ich muß das Wort noch einmal wiederholen, ein virtuoser "Fadenspinner" und als solcher hat er vielen Tausenden viele frohe Stunden verschafft. Als, kurz vor Weihnachten 1853, jedes der Kinder im Kugler'schen Hause seinen Weihnachtszettel zu schreiben hatte, schrieb der jüngere Sohn, Hans Kugler, auf seinen Wunschzettel: "wünsche mir ein Buch von Heinrich Smidt" und des weiteren gefragt: Chronik unter Händen gehabt hatte, denn, in Wiedererzählung dessen, was er dem Buch entnommen, war er auf seiner Höhe. So hab’ ich ihn mal die Erstürmung von Bergen durch die Lübischen vorlesen hören und war ganz bewältigt von der lebendig gestalteten Szene. Natürlich war die Sache, wie jeder historische Hergang zu dessen Darstellung man schreitet, irgend einer Ueberlieferung entnommen, aber es war doch in seine Sprache transponiert, was immerhin etwas bedeutet und jedenfalls verbleibt ihm das Verdienst, gerade den Stoff und keinen anderen gewählt zu haben. Das Wort Spielhagens „finden, nicht erfinden“ enthält eine nicht genug zu beherzigende Wahrheit; in der Erzählungskunst bedeutet es beinah alles. Gewiß, Heinrich Smidt war kein großer Schriftsteller, kaum ein Schriftsteller überhaupt; aber er war, ich muß das Wort noch einmal wiederholen, ein virtuoser „Fadenspinner“ und als solcher hat er vielen Tausenden viele frohe Stunden verschafft. Als, kurz vor Weihnachten 1853, jedes der Kinder im Kugler’schen Hause seinen Weihnachtszettel zu schreiben hatte, schrieb der jüngere Sohn, Hans Kugler, auf seinen Wunschzettel: „wünsche mir ein Buch von Heinrich Smidt“ und des weiteren gefragt: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0399" n="390"/> Chronik unter Händen gehabt hatte, denn, in <hi rendition="#g">Wieder</hi>erzählung dessen, was er dem Buch entnommen, war er auf seiner Höhe. So hab’ ich ihn mal die Erstürmung von Bergen durch die Lübischen vorlesen hören und war ganz bewältigt von der lebendig gestalteten Szene. Natürlich war die Sache, wie jeder historische Hergang zu dessen Darstellung man schreitet, irgend einer Ueberlieferung entnommen, aber es war doch in <hi rendition="#g">seine</hi> Sprache transponiert, was immerhin etwas bedeutet und jedenfalls verbleibt ihm das Verdienst, gerade <hi rendition="#g">den</hi> Stoff und keinen anderen gewählt zu haben. Das Wort Spielhagens „finden, nicht erfinden“ enthält eine nicht genug zu beherzigende Wahrheit; in der Erzählungskunst bedeutet es beinah alles.</p><lb/> <p>Gewiß, Heinrich Smidt war kein großer Schriftsteller, kaum ein Schriftsteller überhaupt; aber er war, ich muß das Wort noch einmal wiederholen, ein virtuoser „Fadenspinner“ und als solcher hat er vielen Tausenden viele frohe Stunden verschafft.</p><lb/> <p>Als, kurz vor Weihnachten 1853, jedes der Kinder im Kugler’schen Hause seinen Weihnachtszettel zu schreiben hatte, schrieb der jüngere Sohn, Hans Kugler, auf seinen Wunschzettel: „wünsche mir ein Buch von Heinrich Smidt“ und des weiteren gefragt:<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [390/0399]
Chronik unter Händen gehabt hatte, denn, in Wiedererzählung dessen, was er dem Buch entnommen, war er auf seiner Höhe. So hab’ ich ihn mal die Erstürmung von Bergen durch die Lübischen vorlesen hören und war ganz bewältigt von der lebendig gestalteten Szene. Natürlich war die Sache, wie jeder historische Hergang zu dessen Darstellung man schreitet, irgend einer Ueberlieferung entnommen, aber es war doch in seine Sprache transponiert, was immerhin etwas bedeutet und jedenfalls verbleibt ihm das Verdienst, gerade den Stoff und keinen anderen gewählt zu haben. Das Wort Spielhagens „finden, nicht erfinden“ enthält eine nicht genug zu beherzigende Wahrheit; in der Erzählungskunst bedeutet es beinah alles.
Gewiß, Heinrich Smidt war kein großer Schriftsteller, kaum ein Schriftsteller überhaupt; aber er war, ich muß das Wort noch einmal wiederholen, ein virtuoser „Fadenspinner“ und als solcher hat er vielen Tausenden viele frohe Stunden verschafft.
Als, kurz vor Weihnachten 1853, jedes der Kinder im Kugler’schen Hause seinen Weihnachtszettel zu schreiben hatte, schrieb der jüngere Sohn, Hans Kugler, auf seinen Wunschzettel: „wünsche mir ein Buch von Heinrich Smidt“ und des weiteren gefragt:
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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