Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.neben der Geschichte des Alten Fritzen! Allen möglichen Balladenrespekt vor König Erich und Herzog Abel, vor Bornhöved und Hemmingstedt; aber neben Hochkirch und Kunersdorf - ich nehme mit Absicht Unglücksschlachten, weil wir uns diesen Luxus leisten können - geht doch dieser ganze Kleinkram in die Luft. Diesen Satz will ich vor Gott und den Menschen vertreten. Es liegt nun einmal so. Für alles das aber hatte der von mir als Mensch und Dichter, als Dichter nun schon ganz gewiß, so sehr geliebte Storm nicht das geringste Verständnis, und daß er dies Einsehen nicht hatte, lag nicht an "Potsdam und seinen geschniegelten Parks", das lag an seiner das richtige Maß überschreitenden, lokalpatriotischen Husumerei, die sich durch seine ganze Produktion - auch selbst seine schönsten politischen Gedichte nicht ausgeschlossen - hindurch zieht. Er hatte für die Dänen dieselbe Geringschätzung wie für die Preußen. Dies aber sich selber immer "Norm" sein, ist ein Unsinn, abgesehen davon, daß es andre, das mindeste zu sagen, verdrießlich stimmt. Ich rufe Mommsen, einen echten Schleswig-Holsteiner und Freund Storms, der aber freilich in der angenehmen Situation ist, einen palatinischen Cäsar von einem eiderstädtischen Deichgrafen unterscheiden zu können, zum Zeugen auf, ob ich in dieser neben der Geschichte des Alten Fritzen! Allen möglichen Balladenrespekt vor König Erich und Herzog Abel, vor Bornhöved und Hemmingstedt; aber neben Hochkirch und Kunersdorf – ich nehme mit Absicht Unglücksschlachten, weil wir uns diesen Luxus leisten können – geht doch dieser ganze Kleinkram in die Luft. Diesen Satz will ich vor Gott und den Menschen vertreten. Es liegt nun einmal so. Für alles das aber hatte der von mir als Mensch und Dichter, als Dichter nun schon ganz gewiß, so sehr geliebte Storm nicht das geringste Verständnis, und daß er dies Einsehen nicht hatte, lag nicht an „Potsdam und seinen geschniegelten Parks“, das lag an seiner das richtige Maß überschreitenden, lokalpatriotischen Husumerei, die sich durch seine ganze Produktion – auch selbst seine schönsten politischen Gedichte nicht ausgeschlossen – hindurch zieht. Er hatte für die Dänen dieselbe Geringschätzung wie für die Preußen. Dies aber sich selber immer „Norm“ sein, ist ein Unsinn, abgesehen davon, daß es andre, das mindeste zu sagen, verdrießlich stimmt. Ich rufe Mommsen, einen echten Schleswig-Holsteiner und Freund Storms, der aber freilich in der angenehmen Situation ist, einen palatinischen Cäsar von einem eiderstädtischen Deichgrafen unterscheiden zu können, zum Zeugen auf, ob ich in dieser <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0356" n="347"/> neben der Geschichte des Alten Fritzen! Allen möglichen Balladenrespekt vor König Erich und Herzog Abel, vor Bornhöved und Hemmingstedt; aber neben Hochkirch und Kunersdorf – ich nehme mit Absicht Unglücksschlachten, weil wir uns diesen Luxus leisten können – geht doch dieser ganze Kleinkram in die Luft. Diesen Satz will ich vor Gott und den Menschen vertreten. Es liegt nun einmal so. Für alles das aber hatte der von mir als Mensch und Dichter, als Dichter nun schon ganz gewiß, so sehr geliebte Storm nicht das geringste Verständnis, und daß er dies Einsehen nicht hatte, lag nicht an „Potsdam und seinen geschniegelten Parks“, das lag an seiner das richtige Maß überschreitenden, lokalpatriotischen Husumerei, die sich durch seine ganze Produktion – auch selbst seine schönsten politischen Gedichte nicht ausgeschlossen – hindurch zieht. Er hatte für die Dänen dieselbe Geringschätzung wie für die Preußen. Dies aber sich selber immer „Norm“ sein, ist ein Unsinn, abgesehen davon, daß es andre, das mindeste zu sagen, verdrießlich stimmt. Ich rufe Mommsen, einen echten Schleswig-Holsteiner und Freund Storms, der aber freilich in der angenehmen Situation ist, einen palatinischen Cäsar von einem eiderstädtischen Deichgrafen unterscheiden zu können, zum Zeugen auf, ob ich in dieser<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [347/0356]
neben der Geschichte des Alten Fritzen! Allen möglichen Balladenrespekt vor König Erich und Herzog Abel, vor Bornhöved und Hemmingstedt; aber neben Hochkirch und Kunersdorf – ich nehme mit Absicht Unglücksschlachten, weil wir uns diesen Luxus leisten können – geht doch dieser ganze Kleinkram in die Luft. Diesen Satz will ich vor Gott und den Menschen vertreten. Es liegt nun einmal so. Für alles das aber hatte der von mir als Mensch und Dichter, als Dichter nun schon ganz gewiß, so sehr geliebte Storm nicht das geringste Verständnis, und daß er dies Einsehen nicht hatte, lag nicht an „Potsdam und seinen geschniegelten Parks“, das lag an seiner das richtige Maß überschreitenden, lokalpatriotischen Husumerei, die sich durch seine ganze Produktion – auch selbst seine schönsten politischen Gedichte nicht ausgeschlossen – hindurch zieht. Er hatte für die Dänen dieselbe Geringschätzung wie für die Preußen. Dies aber sich selber immer „Norm“ sein, ist ein Unsinn, abgesehen davon, daß es andre, das mindeste zu sagen, verdrießlich stimmt. Ich rufe Mommsen, einen echten Schleswig-Holsteiner und Freund Storms, der aber freilich in der angenehmen Situation ist, einen palatinischen Cäsar von einem eiderstädtischen Deichgrafen unterscheiden zu können, zum Zeugen auf, ob ich in dieser
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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