Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

die seine, sich fremden Verhältnissen anzupassen. Er hatte den altgermanischen Zug, das Leben in der Heimat als Glück, das Leben in der Fremde als ,Elend' anzusehen. Heimisch hat er sich in dem ,großen Militär-Kasino' Potsdam nie gefühlt, und so gastlich man ihn auch aufnahm, die Potsdamer Jahre waren eine trübe Zeit für ihn. In den geschniegelten, überall eine künstlich ordnende Menschenhand verratenden Parks empfand er ein Verlangen nach dem Anblick eines ,ehrlichen Kartoffelfeldes, das mit Menschenleben und Geschick in unmittelbarem Zusammenhange steht'."

Diese gesperrt und mit Anführungszeichen gedruckten Worte sind sehr wahrscheinlich ein Citat aus einem Storm'schen Briefe. Sie haben für einen Märker etwas wehmütig Komisches. Denn wenn es überhaupt eine Sehnsucht giebt, die hier Landes leicht befriedigt werden kann, so ist es die Sehnsucht nach einem ehrlichen Kartoffelfelde. Storm war aber nicht zufrieden zu stellen, was nicht an den "geschniegelten Parks" - es giebt für jeden vernünftigen Menschen kaum etwas Entzückenderes als Sanssouci -, sondern einfach in seiner Abneigung gegen alles Preußische lag. Preußen wird von sehr vielen als ein Schrecknis empfunden, aber

die seine, sich fremden Verhältnissen anzupassen. Er hatte den altgermanischen Zug, das Leben in der Heimat als Glück, das Leben in der Fremde als ‚Elend‘ anzusehen. Heimisch hat er sich in dem ‚großen Militär-Kasino‘ Potsdam nie gefühlt, und so gastlich man ihn auch aufnahm, die Potsdamer Jahre waren eine trübe Zeit für ihn. In den geschniegelten, überall eine künstlich ordnende Menschenhand verratenden Parks empfand er ein Verlangen nach dem Anblick eines ‚ehrlichen Kartoffelfeldes, das mit Menschenleben und Geschick in unmittelbarem Zusammenhange steht‘.“

Diese gesperrt und mit Anführungszeichen gedruckten Worte sind sehr wahrscheinlich ein Citat aus einem Storm’schen Briefe. Sie haben für einen Märker etwas wehmütig Komisches. Denn wenn es überhaupt eine Sehnsucht giebt, die hier Landes leicht befriedigt werden kann, so ist es die Sehnsucht nach einem ehrlichen Kartoffelfelde. Storm war aber nicht zufrieden zu stellen, was nicht an den „geschniegelten Parks“ – es giebt für jeden vernünftigen Menschen kaum etwas Entzückenderes als Sanssouci –, sondern einfach in seiner Abneigung gegen alles Preußische lag. Preußen wird von sehr vielen als ein Schrecknis empfunden, aber

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0354" n="345"/>
die seine, sich fremden Verhältnissen anzupassen. Er hatte den altgermanischen Zug, das Leben in der Heimat als Glück, das Leben in der Fremde als <choice><sic>&#x201E;Elend&#x201C;</sic><corr>&#x201A;Elend&#x2018;</corr></choice> anzusehen. Heimisch hat er sich in dem <choice><sic>&#x201E;großen Militär-Kasino&#x201C;</sic><corr>&#x201A;großen Militär-Kasino&#x2018;</corr></choice> Potsdam nie gefühlt, und so gastlich man ihn auch aufnahm, die Potsdamer Jahre waren eine trübe Zeit für ihn. In den geschniegelten, überall eine künstlich ordnende Menschenhand verratenden Parks empfand er ein Verlangen nach dem Anblick eines &#x201A;<hi rendition="#g">ehrlichen Kartoffelfeldes, das mit Menschenleben und Geschick in unmittelbarem Zusammenhange steht</hi>&#x2018;.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Diese gesperrt und mit Anführungszeichen gedruckten Worte sind sehr wahrscheinlich ein Citat aus einem Storm&#x2019;schen Briefe. Sie haben für einen Märker etwas wehmütig Komisches. Denn wenn es überhaupt eine Sehnsucht giebt, die hier Landes leicht befriedigt werden kann, so ist es die Sehnsucht nach einem <hi rendition="#g">ehrlichen Kartoffelfelde</hi>. Storm war aber nicht zufrieden zu stellen, was nicht an den &#x201E;geschniegelten Parks&#x201C; &#x2013; es giebt für jeden vernünftigen Menschen kaum etwas Entzückenderes als Sanssouci &#x2013;, sondern einfach in seiner Abneigung gegen alles Preußische lag. Preußen wird von sehr vielen als ein Schrecknis empfunden, aber<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[345/0354] die seine, sich fremden Verhältnissen anzupassen. Er hatte den altgermanischen Zug, das Leben in der Heimat als Glück, das Leben in der Fremde als ‚Elend‘ anzusehen. Heimisch hat er sich in dem ‚großen Militär-Kasino‘ Potsdam nie gefühlt, und so gastlich man ihn auch aufnahm, die Potsdamer Jahre waren eine trübe Zeit für ihn. In den geschniegelten, überall eine künstlich ordnende Menschenhand verratenden Parks empfand er ein Verlangen nach dem Anblick eines ‚ehrlichen Kartoffelfeldes, das mit Menschenleben und Geschick in unmittelbarem Zusammenhange steht‘.“ Diese gesperrt und mit Anführungszeichen gedruckten Worte sind sehr wahrscheinlich ein Citat aus einem Storm’schen Briefe. Sie haben für einen Märker etwas wehmütig Komisches. Denn wenn es überhaupt eine Sehnsucht giebt, die hier Landes leicht befriedigt werden kann, so ist es die Sehnsucht nach einem ehrlichen Kartoffelfelde. Storm war aber nicht zufrieden zu stellen, was nicht an den „geschniegelten Parks“ – es giebt für jeden vernünftigen Menschen kaum etwas Entzückenderes als Sanssouci –, sondern einfach in seiner Abneigung gegen alles Preußische lag. Preußen wird von sehr vielen als ein Schrecknis empfunden, aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T10:02:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T10:02:20Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: dokumentiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • Normalisierungen: keine;
  • Seitenumbrüche markiert: ja;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst;
  • Zeichensetzung: wie Vorlage;
  • Zeilenumbrüche markiert: nein.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/354
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/354>, abgerufen am 22.11.2024.