Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.großen Kremsern dem Pichelsberger Gasthause näherte, eine seiner berühmten Ansprachen, worin er ausführte, daß, laut Tunnelstatut, konfessionelle Gegnerschaft als für beide Teile straffällig angesehen werde, daß das Duell außerdem ein Unsinn und unter allen Umständen ein mehrfacher Flaschenwechsel einem einfachen Kugelwechsel vorzuziehen sei. Damit waren schließlich beide Parteien einverstanden und alle kamen bekneipt nach Hause. Daß Wollheim ein schöner Mann gewesen wäre, wird sich nicht behaupten lassen, aber er besaß einen so echten und ausgesprochenen semitischen Rassenkopf, daß er jedem, der ein Auge für derlei Dinge hatte, notwendig auffallen mußte, was denn auch dahin führte, daß ihm, während einer Tunnelsitzung, sein Gesicht auf den Daumennagel eines unserer Maler wegstibitzt wurde, natürlich nur, um bald darauf auf einem berühmt gewordenen Kunstblatte weiter verwandt zu werden. Wollheim war sehr klug und besaß vor allem ein hervorragendes Sprachtalent. Er hatte sich aber das "Fabulieren" so hochgradig angewöhnt, daß es von ihm hieß, "er spräche dreiunddreißig Sprachen, und löge in vierunddreißig." Dies sein beständiges Fabulieren und vielleicht mehr noch seine Haltung, in der ein gewisses schlaffes Sichgehenlassen hervor- großen Kremsern dem Pichelsberger Gasthause näherte, eine seiner berühmten Ansprachen, worin er ausführte, daß, laut Tunnelstatut, konfessionelle Gegnerschaft als für beide Teile straffällig angesehen werde, daß das Duell außerdem ein Unsinn und unter allen Umständen ein mehrfacher Flaschenwechsel einem einfachen Kugelwechsel vorzuziehen sei. Damit waren schließlich beide Parteien einverstanden und alle kamen bekneipt nach Hause. Daß Wollheim ein schöner Mann gewesen wäre, wird sich nicht behaupten lassen, aber er besaß einen so echten und ausgesprochenen semitischen Rassenkopf, daß er jedem, der ein Auge für derlei Dinge hatte, notwendig auffallen mußte, was denn auch dahin führte, daß ihm, während einer Tunnelsitzung, sein Gesicht auf den Daumennagel eines unserer Maler wegstibitzt wurde, natürlich nur, um bald darauf auf einem berühmt gewordenen Kunstblatte weiter verwandt zu werden. Wollheim war sehr klug und besaß vor allem ein hervorragendes Sprachtalent. Er hatte sich aber das „Fabulieren“ so hochgradig angewöhnt, daß es von ihm hieß, „er spräche dreiunddreißig Sprachen, und löge in vierunddreißig.“ Dies sein beständiges Fabulieren und vielleicht mehr noch seine Haltung, in der ein gewisses schlaffes Sichgehenlassen hervor- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0339" n="330"/> großen Kremsern dem Pichelsberger Gasthause näherte, eine seiner berühmten Ansprachen, worin er ausführte, daß, laut Tunnelstatut, konfessionelle Gegnerschaft als für beide Teile straffällig angesehen werde, daß das Duell außerdem ein Unsinn und unter allen Umständen ein mehrfacher Flaschenwechsel einem einfachen Kugelwechsel vorzuziehen sei. Damit waren schließlich beide Parteien einverstanden und alle kamen bekneipt nach Hause.</p><lb/> <p>Daß Wollheim ein schöner Mann gewesen wäre, wird sich nicht behaupten lassen, aber er besaß einen so echten und ausgesprochenen semitischen Rassenkopf, daß er jedem, der ein Auge für derlei Dinge hatte, notwendig auffallen mußte, was denn auch dahin führte, daß ihm, während einer Tunnelsitzung, sein Gesicht auf den Daumennagel eines unserer Maler wegstibitzt wurde, natürlich nur, um bald darauf auf einem berühmt gewordenen Kunstblatte weiter verwandt zu werden.</p><lb/> <p>Wollheim war sehr klug und besaß vor allem ein hervorragendes Sprachtalent. Er hatte sich aber das „Fabulieren“ so hochgradig angewöhnt, daß es von ihm hieß, „er spräche dreiunddreißig Sprachen, und löge in vierunddreißig.“ Dies sein beständiges Fabulieren und vielleicht mehr noch seine Haltung, in der ein gewisses schlaffes Sichgehenlassen hervor-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [330/0339]
großen Kremsern dem Pichelsberger Gasthause näherte, eine seiner berühmten Ansprachen, worin er ausführte, daß, laut Tunnelstatut, konfessionelle Gegnerschaft als für beide Teile straffällig angesehen werde, daß das Duell außerdem ein Unsinn und unter allen Umständen ein mehrfacher Flaschenwechsel einem einfachen Kugelwechsel vorzuziehen sei. Damit waren schließlich beide Parteien einverstanden und alle kamen bekneipt nach Hause.
Daß Wollheim ein schöner Mann gewesen wäre, wird sich nicht behaupten lassen, aber er besaß einen so echten und ausgesprochenen semitischen Rassenkopf, daß er jedem, der ein Auge für derlei Dinge hatte, notwendig auffallen mußte, was denn auch dahin führte, daß ihm, während einer Tunnelsitzung, sein Gesicht auf den Daumennagel eines unserer Maler wegstibitzt wurde, natürlich nur, um bald darauf auf einem berühmt gewordenen Kunstblatte weiter verwandt zu werden.
Wollheim war sehr klug und besaß vor allem ein hervorragendes Sprachtalent. Er hatte sich aber das „Fabulieren“ so hochgradig angewöhnt, daß es von ihm hieß, „er spräche dreiunddreißig Sprachen, und löge in vierunddreißig.“ Dies sein beständiges Fabulieren und vielleicht mehr noch seine Haltung, in der ein gewisses schlaffes Sichgehenlassen hervor-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).
(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |