Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.Talente widmen. Er war nämlich, weit über seine Kunst- und Litteraturveranlagung hinaus, allem anderen vorauf ein Gesellschafts-Genie, das, in einem mir nicht zum zweiten Male begegneten Grade, die Gabe besaß, nicht bloß Vereine zu gründen, sondern auch durch Anwerbung neuer Mitglieder und Aufstellung neuer Programme den etwa matter werdenden Pulsschlag sofort wieder zu beleben. Er war ein großer Organisator im Kleinen, eine Art Friedens-Carnot, unerschöpflich in Hülfsmitteln, und gab davon, noch kurz vor seinem Tode, die glänzendsten Beweise. Viele seiner jungen Freunde, zur Hälfte mecklenburgische Landsleute, zur andren Hälfte Schüler des Polytechnikums, an dem er Unterricht erteilte, waren mit in den Krieg gezogen, und diese jungen Leute durch Nachrichten in Verbindung mit der Heimat und durch Liebesgaben bei frischem Mut und fröhlichem Herzen zu erhalten, machte er sich durch den ganzen langen Winter 1870 auf 71 hin zur schönsten Lebensaufgabe. Damals hab' ich ihn lieben und bewundern gelernt. Er war um jene Zeit, halb wissenschaftlich, beständig mit der Frage beschäftigt, wie sich Zeitungen und Zigarren wohl am besten nachsenden ließen, und hatte die Kunst, Pulswärmer, Socken, Leibbinden, Jacken ohne Aermel - und dann in einem andern Packet wieder Talente widmen. Er war nämlich, weit über seine Kunst- und Litteraturveranlagung hinaus, allem anderen vorauf ein Gesellschafts-Genie, das, in einem mir nicht zum zweiten Male begegneten Grade, die Gabe besaß, nicht bloß Vereine zu gründen, sondern auch durch Anwerbung neuer Mitglieder und Aufstellung neuer Programme den etwa matter werdenden Pulsschlag sofort wieder zu beleben. Er war ein großer Organisator im Kleinen, eine Art Friedens-Carnot, unerschöpflich in Hülfsmitteln, und gab davon, noch kurz vor seinem Tode, die glänzendsten Beweise. Viele seiner jungen Freunde, zur Hälfte mecklenburgische Landsleute, zur andren Hälfte Schüler des Polytechnikums, an dem er Unterricht erteilte, waren mit in den Krieg gezogen, und diese jungen Leute durch Nachrichten in Verbindung mit der Heimat und durch Liebesgaben bei frischem Mut und fröhlichem Herzen zu erhalten, machte er sich durch den ganzen langen Winter 1870 auf 71 hin zur schönsten Lebensaufgabe. Damals hab’ ich ihn lieben und bewundern gelernt. Er war um jene Zeit, halb wissenschaftlich, beständig mit der Frage beschäftigt, wie sich Zeitungen und Zigarren wohl am besten nachsenden ließen, und hatte die Kunst, Pulswärmer, Socken, Leibbinden, Jacken ohne Aermel – und dann in einem andern Packet wieder <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0319" n="310"/> Talente widmen. Er war nämlich, weit über seine Kunst- und Litteraturveranlagung hinaus, allem anderen vorauf ein <hi rendition="#g">Gesellschafts-Genie</hi>, das, in einem mir nicht zum zweiten Male begegneten Grade, die Gabe besaß, nicht bloß Vereine zu gründen, sondern auch durch Anwerbung neuer Mitglieder und Aufstellung neuer Programme den etwa matter werdenden Pulsschlag sofort wieder zu beleben. Er war ein großer Organisator im Kleinen, eine Art Friedens-Carnot, unerschöpflich in Hülfsmitteln, und gab davon, noch kurz vor seinem Tode, die glänzendsten Beweise. Viele seiner jungen Freunde, zur Hälfte mecklenburgische Landsleute, zur andren Hälfte Schüler des Polytechnikums, an dem er Unterricht erteilte, waren mit in den Krieg gezogen, und diese jungen Leute durch Nachrichten in Verbindung mit der Heimat und durch Liebesgaben bei frischem Mut und fröhlichem Herzen zu erhalten, machte er sich durch den ganzen langen Winter 1870 auf 71 hin zur schönsten Lebensaufgabe. Damals hab’ ich ihn lieben und bewundern gelernt. Er war um jene Zeit, halb wissenschaftlich, beständig mit der Frage beschäftigt, wie sich Zeitungen und Zigarren wohl am besten nachsenden ließen, und hatte die Kunst, Pulswärmer, Socken, Leibbinden, Jacken ohne Aermel – und dann in einem andern Packet wieder<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [310/0319]
Talente widmen. Er war nämlich, weit über seine Kunst- und Litteraturveranlagung hinaus, allem anderen vorauf ein Gesellschafts-Genie, das, in einem mir nicht zum zweiten Male begegneten Grade, die Gabe besaß, nicht bloß Vereine zu gründen, sondern auch durch Anwerbung neuer Mitglieder und Aufstellung neuer Programme den etwa matter werdenden Pulsschlag sofort wieder zu beleben. Er war ein großer Organisator im Kleinen, eine Art Friedens-Carnot, unerschöpflich in Hülfsmitteln, und gab davon, noch kurz vor seinem Tode, die glänzendsten Beweise. Viele seiner jungen Freunde, zur Hälfte mecklenburgische Landsleute, zur andren Hälfte Schüler des Polytechnikums, an dem er Unterricht erteilte, waren mit in den Krieg gezogen, und diese jungen Leute durch Nachrichten in Verbindung mit der Heimat und durch Liebesgaben bei frischem Mut und fröhlichem Herzen zu erhalten, machte er sich durch den ganzen langen Winter 1870 auf 71 hin zur schönsten Lebensaufgabe. Damals hab’ ich ihn lieben und bewundern gelernt. Er war um jene Zeit, halb wissenschaftlich, beständig mit der Frage beschäftigt, wie sich Zeitungen und Zigarren wohl am besten nachsenden ließen, und hatte die Kunst, Pulswärmer, Socken, Leibbinden, Jacken ohne Aermel – und dann in einem andern Packet wieder
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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