Königs nachgebend - an der Universität seine Vorlesungen hielt. In seinen - Rückerts - an die Spree gerichteten und hier nur aus dem Gedächtnis - also ungenau - wiedergegebenen Reimzeilen:
Als Schwan trittst in Berlin Du ein, Um auszutreten dann als Schw...
ergab sich sein eigentlichstes Empfinden. Er sehnte sich nach Neuseß zurück, denn er war kein Mann für Residenz und Hof und vielleicht noch weniger für gefügige, dem Hofe zugeneigte Professoren.
Müller übersetzte damals neben andrem Kalidasas "Wolkenboten" und wenn ich Wolfsohn alles verdanke, was ich von vorturgeniewscher russischer Litteratur weiß, so Müller alles, was ich von Sanskritdichtung weiß. Es ist ein Glück, daß man kluge Freunde hat und daß der Verkehr mit ihnen dafür sorgt, daß einem ein bißchen was anfliegt.
Sein nicht ironisches, aber liebenswürdig schelmisches Wesen, das er schon in Leipzig hatte, war ihm treu geblieben. Einmal kam ich in großer Aufregung zu ihm und sagte: "Müller, ich muß Dir etwas vorlesen." Er lachte ganz unheimlich und als ich etwas verblüfft drein sah, setzte er begütigend hinzu: "Du wunderst Dich. Aber da ist nichts zu verwundern. Lenau, so hab ich neulich gelesen, ist verrückt geworden. Und Du hast natürlich gleich ein
Königs nachgebend – an der Universität seine Vorlesungen hielt. In seinen – Rückerts – an die Spree gerichteten und hier nur aus dem Gedächtnis – also ungenau – wiedergegebenen Reimzeilen:
Als Schwan trittst in Berlin Du ein, Um auszutreten dann als Schw…
ergab sich sein eigentlichstes Empfinden. Er sehnte sich nach Neuseß zurück, denn er war kein Mann für Residenz und Hof und vielleicht noch weniger für gefügige, dem Hofe zugeneigte Professoren.
Müller übersetzte damals neben andrem Kalidasas „Wolkenboten“ und wenn ich Wolfsohn alles verdanke, was ich von vorturgeniewscher russischer Litteratur weiß, so Müller alles, was ich von Sanskritdichtung weiß. Es ist ein Glück, daß man kluge Freunde hat und daß der Verkehr mit ihnen dafür sorgt, daß einem ein bißchen was anfliegt.
Sein nicht ironisches, aber liebenswürdig schelmisches Wesen, das er schon in Leipzig hatte, war ihm treu geblieben. Einmal kam ich in großer Aufregung zu ihm und sagte: „Müller, ich muß Dir etwas vorlesen.“ Er lachte ganz unheimlich und als ich etwas verblüfft drein sah, setzte er begütigend hinzu: „Du wunderst Dich. Aber da ist nichts zu verwundern. Lenau, so hab ich neulich gelesen, ist verrückt geworden. Und Du hast natürlich gleich ein
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Königs nachgebend – an der Universität seine Vorlesungen hielt. In seinen – Rückerts – an die Spree <choice><sic>gerichtetenund</sic><corr>gerichteten und</corr></choice> hier nur aus dem Gedächtnis – also ungenau – wiedergegebenen Reimzeilen:</p><lb/><lgtype="poem"><l>Als Schwan trittst in Berlin Du ein,</l><lb/><l>Um auszutreten dann als <choice><sic>S w</sic><corr>Schw</corr></choice>…</l><lb/></lg><p>ergab sich sein eigentlichstes Empfinden. Er sehnte sich nach Neuseß zurück, denn er war kein Mann für Residenz und Hof und vielleicht noch weniger für gefügige, dem Hofe zugeneigte Professoren.</p><lb/><p>Müller übersetzte damals neben andrem Kalidasas „Wolkenboten“ und wenn ich Wolfsohn alles verdanke, was ich von vorturgeniewscher russischer Litteratur weiß, so Müller alles, was ich von Sanskritdichtung weiß. Es ist ein Glück, daß man kluge Freunde hat und daß der Verkehr mit ihnen dafür sorgt, daß einem ein bißchen was anfliegt.</p><lb/><p>Sein nicht ironisches, aber liebenswürdig schelmisches Wesen, das er schon in Leipzig hatte, war ihm treu geblieben. Einmal kam ich in großer Aufregung zu ihm und sagte: „Müller, ich muß Dir etwas vorlesen.“ Er lachte ganz unheimlich und als ich etwas verblüfft drein sah, setzte er begütigend hinzu: „Du wunderst Dich. Aber da ist nichts zu verwundern. Lenau, so hab ich neulich gelesen, ist verrückt geworden. Und Du hast natürlich gleich ein<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
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Königs nachgebend – an der Universität seine Vorlesungen hielt. In seinen – Rückerts – an die Spree gerichteten und hier nur aus dem Gedächtnis – also ungenau – wiedergegebenen Reimzeilen:
Als Schwan trittst in Berlin Du ein,
Um auszutreten dann als Schw…
ergab sich sein eigentlichstes Empfinden. Er sehnte sich nach Neuseß zurück, denn er war kein Mann für Residenz und Hof und vielleicht noch weniger für gefügige, dem Hofe zugeneigte Professoren.
Müller übersetzte damals neben andrem Kalidasas „Wolkenboten“ und wenn ich Wolfsohn alles verdanke, was ich von vorturgeniewscher russischer Litteratur weiß, so Müller alles, was ich von Sanskritdichtung weiß. Es ist ein Glück, daß man kluge Freunde hat und daß der Verkehr mit ihnen dafür sorgt, daß einem ein bißchen was anfliegt.
Sein nicht ironisches, aber liebenswürdig schelmisches Wesen, das er schon in Leipzig hatte, war ihm treu geblieben. Einmal kam ich in großer Aufregung zu ihm und sagte: „Müller, ich muß Dir etwas vorlesen.“ Er lachte ganz unheimlich und als ich etwas verblüfft drein sah, setzte er begütigend hinzu: „Du wunderst Dich. Aber da ist nichts zu verwundern. Lenau, so hab ich neulich gelesen, ist verrückt geworden. Und Du hast natürlich gleich ein
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/163>, abgerufen am 23.07.2024.
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