Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.überall vor und werden überhaupt nicht aus der Welt geschafft werden. Aber nach dieser Sachsenhymne zurück zu meinem Dr. Georg Günther. Er hatte für künstlerische Dinge, speziell auch für Poetisches, ein sehr gutes Verständnis, wahrscheinlich ein viel besseres als wir Verseschmiede selbst, trotzdem war ihm der ganze poetische Krimskrams etwas Nebensächliches, auf das er nur insoweit Rücksicht nahm, als es sich seinen redaktionellen Zwecken dienstbar machte. Diese Rücksicht trug mir denn auch seine Gunst ein. Aber vielleicht war es auch noch ein andres, was ihn mir geneigt machte. Durch mein ganzes Leben hin habe ich gesehn, wie sich die Gegensätze anziehn und daß Raufbolde, Kraftmeier und mit Orsinibomben operierende Verschwörer eine Vorliebe für Harmlosigkeitsmenschen haben. Sie möchten nicht mit ihnen tauschen, das würd' ihnen einfach lächerlich vorkommen, aber oft überkommt sie die Vorstellung, als ob der andre doch vielleicht das bessere Teil erwählt habe. So war auch Günther. Besonders gern ging er an meinen freien Tagen mit mir spazieren, meilenweite Wege bis nach Eilenburg hin, wo wir eine an einen sogenannten "Monteur" verheiratete Schwester von ihm besuchten. Auf diesen Spaziergängen hab' ich mancherlei gelernt, denn er war ein sehr gescheidter Mann und sprach dabei so harmlos wie ein Kind. überall vor und werden überhaupt nicht aus der Welt geschafft werden. Aber nach dieser Sachsenhymne zurück zu meinem Dr. Georg Günther. Er hatte für künstlerische Dinge, speziell auch für Poetisches, ein sehr gutes Verständnis, wahrscheinlich ein viel besseres als wir Verseschmiede selbst, trotzdem war ihm der ganze poetische Krimskrams etwas Nebensächliches, auf das er nur insoweit Rücksicht nahm, als es sich seinen redaktionellen Zwecken dienstbar machte. Diese Rücksicht trug mir denn auch seine Gunst ein. Aber vielleicht war es auch noch ein andres, was ihn mir geneigt machte. Durch mein ganzes Leben hin habe ich gesehn, wie sich die Gegensätze anziehn und daß Raufbolde, Kraftmeier und mit Orsinibomben operierende Verschwörer eine Vorliebe für Harmlosigkeitsmenschen haben. Sie möchten nicht mit ihnen tauschen, das würd’ ihnen einfach lächerlich vorkommen, aber oft überkommt sie die Vorstellung, als ob der andre doch vielleicht das bessere Teil erwählt habe. So war auch Günther. Besonders gern ging er an meinen freien Tagen mit mir spazieren, meilenweite Wege bis nach Eilenburg hin, wo wir eine an einen sogenannten „Monteur“ verheiratete Schwester von ihm besuchten. Auf diesen Spaziergängen hab’ ich mancherlei gelernt, denn er war ein sehr gescheidter Mann und sprach dabei so harmlos wie ein Kind. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0150" n="141"/> überall vor und werden überhaupt nicht aus der Welt geschafft werden.</p><lb/> <p>Aber nach dieser Sachsenhymne zurück zu meinem <hi rendition="#aq">Dr</hi>. <hi rendition="#g">Georg Günther</hi>. Er hatte für künstlerische Dinge, speziell auch für Poetisches, ein sehr gutes Verständnis, wahrscheinlich ein viel besseres als wir Verseschmiede selbst, trotzdem war ihm der ganze poetische Krimskrams etwas Nebensächliches, auf das er nur insoweit Rücksicht nahm, als es sich seinen redaktionellen Zwecken dienstbar machte. Diese Rücksicht trug mir denn auch seine Gunst ein. Aber vielleicht war es auch noch ein andres, was ihn mir geneigt machte. Durch mein ganzes Leben hin habe ich gesehn, wie sich die Gegensätze anziehn und daß Raufbolde, Kraftmeier und mit Orsinibomben operierende Verschwörer eine Vorliebe für Harmlosigkeitsmenschen haben. Sie möchten nicht mit ihnen tauschen, das würd’ ihnen einfach lächerlich vorkommen, aber oft überkommt sie die Vorstellung, als ob der andre doch vielleicht das bessere Teil erwählt habe. So war auch Günther. Besonders gern ging er an meinen freien Tagen mit mir spazieren, meilenweite Wege bis nach Eilenburg hin, wo wir eine an einen sogenannten „Monteur“ verheiratete Schwester von ihm besuchten. Auf diesen Spaziergängen hab’ ich mancherlei gelernt, denn er war ein sehr gescheidter Mann und sprach dabei so harmlos wie ein Kind.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [141/0150]
überall vor und werden überhaupt nicht aus der Welt geschafft werden.
Aber nach dieser Sachsenhymne zurück zu meinem Dr. Georg Günther. Er hatte für künstlerische Dinge, speziell auch für Poetisches, ein sehr gutes Verständnis, wahrscheinlich ein viel besseres als wir Verseschmiede selbst, trotzdem war ihm der ganze poetische Krimskrams etwas Nebensächliches, auf das er nur insoweit Rücksicht nahm, als es sich seinen redaktionellen Zwecken dienstbar machte. Diese Rücksicht trug mir denn auch seine Gunst ein. Aber vielleicht war es auch noch ein andres, was ihn mir geneigt machte. Durch mein ganzes Leben hin habe ich gesehn, wie sich die Gegensätze anziehn und daß Raufbolde, Kraftmeier und mit Orsinibomben operierende Verschwörer eine Vorliebe für Harmlosigkeitsmenschen haben. Sie möchten nicht mit ihnen tauschen, das würd’ ihnen einfach lächerlich vorkommen, aber oft überkommt sie die Vorstellung, als ob der andre doch vielleicht das bessere Teil erwählt habe. So war auch Günther. Besonders gern ging er an meinen freien Tagen mit mir spazieren, meilenweite Wege bis nach Eilenburg hin, wo wir eine an einen sogenannten „Monteur“ verheiratete Schwester von ihm besuchten. Auf diesen Spaziergängen hab’ ich mancherlei gelernt, denn er war ein sehr gescheidter Mann und sprach dabei so harmlos wie ein Kind.
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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