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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.

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Abschied. Jetzt nachträglich finde ich das alles nicht bloß ganz vernünftig, sondern betrachte es, wie schon angedeutet, als das einzig richtige. Nur keine Gemütlichkeiten! Es gab aber doch auch davon und daß sich das ermöglichte, war ein Verdienst der Kinder. Es war ein kinderreiches Haus, sechs oder sieben Töchter, von denen zwei (Zwillingsschwestern) damals fünfzehn Jahre sein mochten, die eine ganz brünett, die andere ganz blond. Die Blonde war sehr hübsch; die Brünette weniger, aber dafür sehr apart, sehr racevoll und Liebling des Vaters, der sie seine "schwarze Jette" nannte. Mein eigentlicher Liebling indes war eine jüngere Tochter, erst zehn- oder elfjährig, von besonders liebenswürdigem Charakter. Eine gütige, ganz humoristisch gestimmte Seele sprach aus ihren klugen Kinderaugen. Sie übermittelte die jedesmaligen Wünsche der Schwestern und wandte sich dabei zumeist an mich, nicht weil sie mich für den Bestimmbarsten gehalten hätte, sondern weil ich sie am meisten amüsierte, was wohl mit meinem damals noch ganz unverfälschten Berlinertum zusammenhing. Sie verstand es oft nicht; aber meine ganze Art zu sprechen, vielleicht auch der Klang der Stimme, war eine stete Erheiterung für sie. Hoffentlich ist sie glücklich geworden.



Abschied. Jetzt nachträglich finde ich das alles nicht bloß ganz vernünftig, sondern betrachte es, wie schon angedeutet, als das einzig richtige. Nur keine Gemütlichkeiten! Es gab aber doch auch davon und daß sich das ermöglichte, war ein Verdienst der Kinder. Es war ein kinderreiches Haus, sechs oder sieben Töchter, von denen zwei (Zwillingsschwestern) damals fünfzehn Jahre sein mochten, die eine ganz brünett, die andere ganz blond. Die Blonde war sehr hübsch; die Brünette weniger, aber dafür sehr apart, sehr racevoll und Liebling des Vaters, der sie seine „schwarze Jette“ nannte. Mein eigentlicher Liebling indes war eine jüngere Tochter, erst zehn- oder elfjährig, von besonders liebenswürdigem Charakter. Eine gütige, ganz humoristisch gestimmte Seele sprach aus ihren klugen Kinderaugen. Sie übermittelte die jedesmaligen Wünsche der Schwestern und wandte sich dabei zumeist an mich, nicht weil sie mich für den Bestimmbarsten gehalten hätte, sondern weil ich sie am meisten amüsierte, was wohl mit meinem damals noch ganz unverfälschten Berlinertum zusammenhing. Sie verstand es oft nicht; aber meine ganze Art zu sprechen, vielleicht auch der Klang der Stimme, war eine stete Erheiterung für sie. Hoffentlich ist sie glücklich geworden.



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[119/0128] Abschied. Jetzt nachträglich finde ich das alles nicht bloß ganz vernünftig, sondern betrachte es, wie schon angedeutet, als das einzig richtige. Nur keine Gemütlichkeiten! Es gab aber doch auch davon und daß sich das ermöglichte, war ein Verdienst der Kinder. Es war ein kinderreiches Haus, sechs oder sieben Töchter, von denen zwei (Zwillingsschwestern) damals fünfzehn Jahre sein mochten, die eine ganz brünett, die andere ganz blond. Die Blonde war sehr hübsch; die Brünette weniger, aber dafür sehr apart, sehr racevoll und Liebling des Vaters, der sie seine „schwarze Jette“ nannte. Mein eigentlicher Liebling indes war eine jüngere Tochter, erst zehn- oder elfjährig, von besonders liebenswürdigem Charakter. Eine gütige, ganz humoristisch gestimmte Seele sprach aus ihren klugen Kinderaugen. Sie übermittelte die jedesmaligen Wünsche der Schwestern und wandte sich dabei zumeist an mich, nicht weil sie mich für den Bestimmbarsten gehalten hätte, sondern weil ich sie am meisten amüsierte, was wohl mit meinem damals noch ganz unverfälschten Berlinertum zusammenhing. Sie verstand es oft nicht; aber meine ganze Art zu sprechen, vielleicht auch der Klang der Stimme, war eine stete Erheiterung für sie. Hoffentlich ist sie glücklich geworden.

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Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T10:02:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T10:02:20Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/128>, abgerufen am 18.05.2024.