kühnerer Kour- und Schuldenmacher, war er seit lang ein Allerbeliebtester im Regiment, so beliebt, daß ihn sich der "Prinz", der kein andrer war als Prinz Louis, bei Gelegenheit der vorjährigen Mobili¬ sierung, zum Adjutanten erbeten hatte.
Neugierig, woher er komme, stürmte man mit Fragen auf ihn ein, aber erst als er sich in dem Leder¬ sopha zurecht gerückt hatte, gab er Antwort auf all das, was man ihn fragte. "Woher ich komme? Warum ich bei den Carayons geschwänzt habe? Nun, weil ich in Französisch-Buchholz nachsehen wollte, ob die Störche schon wieder da sind, ob der Kuckuck schon wieder schreit, und ob die Schulmeisters Toch¬ ter noch so lange flachsblonde Flechten hat, wie vo¬ riges Jahr. Ein reizendes Kind. Ich lasse mir immer die Kirche von ihr zeigen, und wir steigen dann in den Turm hinauf, weil ich eine Passion für alte Glockeninschriften habe. Sie glauben gar nicht, was sich in solchem Turme Alles entziffern läßt. Ich zähle das zu meinen glücklichsten und lehrreichsten Stunden."
"Und eine Blondine, sagten Sie. Dann freilich erklärt sich alles. Denn neben einer Prinzessin Flachs¬ haar kann unser Fräulein Victoire nicht bestehn. Und nicht einmal die schöne Mama, die schön ist, aber doch am Ende brünett. Und blond geht immer vor schwarz."
"Ich möchte das nicht geradezu zum Axiom er¬ heben," fuhr Nostitz fort. "Es hängt doch alles noch
kühnerer Kour- und Schuldenmacher, war er ſeit lang ein Allerbeliebteſter im Regiment, ſo beliebt, daß ihn ſich der „Prinz“, der kein andrer war als Prinz Louis, bei Gelegenheit der vorjährigen Mobili¬ ſierung, zum Adjutanten erbeten hatte.
Neugierig, woher er komme, ſtürmte man mit Fragen auf ihn ein, aber erſt als er ſich in dem Leder¬ ſopha zurecht gerückt hatte, gab er Antwort auf all das, was man ihn fragte. „Woher ich komme? Warum ich bei den Carayons geſchwänzt habe? Nun, weil ich in Franzöſiſch-Buchholz nachſehen wollte, ob die Störche ſchon wieder da ſind, ob der Kuckuck ſchon wieder ſchreit, und ob die Schulmeiſters Toch¬ ter noch ſo lange flachsblonde Flechten hat, wie vo¬ riges Jahr. Ein reizendes Kind. Ich laſſe mir immer die Kirche von ihr zeigen, und wir ſteigen dann in den Turm hinauf, weil ich eine Paſſion für alte Glockeninſchriften habe. Sie glauben gar nicht, was ſich in ſolchem Turme Alles entziffern läßt. Ich zähle das zu meinen glücklichſten und lehrreichſten Stunden.“
„Und eine Blondine, ſagten Sie. Dann freilich erklärt ſich alles. Denn neben einer Prinzeſſin Flachs¬ haar kann unſer Fräulein Victoire nicht beſtehn. Und nicht einmal die ſchöne Mama, die ſchön iſt, aber doch am Ende brünett. Und blond geht immer vor ſchwarz.“
„Ich möchte das nicht geradezu zum Axiom er¬ heben,“ fuhr Noſtitz fort. „Es hängt doch alles noch
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kühnerer Kour- und Schuldenmacher, war er ſeit
lang ein Allerbeliebteſter im Regiment, ſo beliebt,
daß ihn ſich der „Prinz“, der kein andrer war als
Prinz Louis, bei Gelegenheit der vorjährigen Mobili¬
ſierung, zum Adjutanten erbeten hatte.
Neugierig, woher er komme, ſtürmte man mit
Fragen auf ihn ein, aber erſt als er ſich in dem Leder¬
ſopha zurecht gerückt hatte, gab er Antwort auf all
das, was man ihn fragte. „Woher ich komme?
Warum ich bei den Carayons geſchwänzt habe? Nun,
weil ich in Franzöſiſch-Buchholz nachſehen wollte, ob
die Störche ſchon wieder da ſind, ob der Kuckuck
ſchon wieder ſchreit, und ob die Schulmeiſters Toch¬
ter noch ſo lange flachsblonde Flechten hat, wie vo¬
riges Jahr. Ein reizendes Kind. Ich laſſe mir immer
die Kirche von ihr zeigen, und wir ſteigen dann in
den Turm hinauf, weil ich eine Paſſion für alte
Glockeninſchriften habe. Sie glauben gar nicht, was
ſich in ſolchem Turme Alles entziffern läßt. Ich zähle
das zu meinen glücklichſten und lehrreichſten Stunden.“
„Und eine Blondine, ſagten Sie. Dann freilich
erklärt ſich alles. Denn neben einer Prinzeſſin Flachs¬
haar kann unſer Fräulein Victoire nicht beſtehn. Und
nicht einmal die ſchöne Mama, die ſchön iſt, aber doch
am Ende brünett. Und blond geht immer vor ſchwarz.“
„Ich möchte das nicht geradezu zum Axiom er¬
heben,“ fuhr Noſtitz fort. „Es hängt doch alles noch
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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/40>, abgerufen am 22.07.2024.
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