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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

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in seinen Fehden mit Bülow immer wieder und wie¬
der unterliegen sah, so fühlt ich nur zu deutlich, daß
er weder ein Mann von hervorragender geistiger Be¬
deutung, noch von superiorem Charakter sei; zugegeben
das alles; und doch war er andererseits durchaus
befähigt, innerhalb enggezogener Kreise zu glänzen und
zu herrschen. Er war wie dazu bestimmt, der Halb¬
gott eines prinzlichen Hofes zu sein, und würde diese
Bestimmung, Du darfst darüber nicht lachen, nicht
bloß zu seiner persönlichen Freude, sondern auch zum
Glück und Segen andrer, ja vieler anderer, erfüllt
haben. Denn er war ein guter Mensch, und auch
klug genug, um immer das Gute zu wollen. An dieser
Laufbahn als ein prinzlicher Liebling und Plenipoten¬
tiaire, hätt ich ihn verhindert, ja, hätt ihn, bei meinen
anspruchslosen Gewohnheiten, aus all und jeder Kar¬
riere herausgerissen und ihn nach Wuthenow hinge¬
zwungen, um mit mir ein Spargelbeet anzulegen
oder der Kluckhenne die Küchelchen wegzunehmen.
Davor erschrak er. Er sah ein kleines und beschränktes
Leben vor sich, und war, ich will nicht sagen auf ein
großes gestellt, aber doch auf ein solches, das ihm
als groß erschien.

Über meine Nichtschönheit wär er hinwegge¬
kommen. Ich hab' ihm, ich zögre fast es niederzu¬
schreiben, nicht eigentlich mißfallen, und vielleicht hat
er mich wirklich geliebt. Befrag ich seine letzten, an

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in ſeinen Fehden mit Bülow immer wieder und wie¬
der unterliegen ſah, ſo fühlt ich nur zu deutlich, daß
er weder ein Mann von hervorragender geiſtiger Be¬
deutung, noch von ſuperiorem Charakter ſei; zugegeben
das alles; und doch war er andererſeits durchaus
befähigt, innerhalb enggezogener Kreiſe zu glänzen und
zu herrſchen. Er war wie dazu beſtimmt, der Halb¬
gott eines prinzlichen Hofes zu ſein, und würde dieſe
Beſtimmung, Du darfſt darüber nicht lachen, nicht
bloß zu ſeiner perſönlichen Freude, ſondern auch zum
Glück und Segen andrer, ja vieler anderer, erfüllt
haben. Denn er war ein guter Menſch, und auch
klug genug, um immer das Gute zu wollen. An dieſer
Laufbahn als ein prinzlicher Liebling und Plenipoten¬
tiaire, hätt ich ihn verhindert, ja, hätt ihn, bei meinen
anſpruchsloſen Gewohnheiten, aus all und jeder Kar¬
riere herausgeriſſen und ihn nach Wuthenow hinge¬
zwungen, um mit mir ein Spargelbeet anzulegen
oder der Kluckhenne die Küchelchen wegzunehmen.
Davor erſchrak er. Er ſah ein kleines und beſchränktes
Leben vor ſich, und war, ich will nicht ſagen auf ein
großes geſtellt, aber doch auf ein ſolches, das ihm
als groß erſchien.

Über meine Nichtſchönheit wär er hinwegge¬
kommen. Ich hab' ihm, ich zögre faſt es niederzu¬
ſchreiben, nicht eigentlich mißfallen, und vielleicht hat
er mich wirklich geliebt. Befrag ich ſeine letzten, an

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[227/0239] in ſeinen Fehden mit Bülow immer wieder und wie¬ der unterliegen ſah, ſo fühlt ich nur zu deutlich, daß er weder ein Mann von hervorragender geiſtiger Be¬ deutung, noch von ſuperiorem Charakter ſei; zugegeben das alles; und doch war er andererſeits durchaus befähigt, innerhalb enggezogener Kreiſe zu glänzen und zu herrſchen. Er war wie dazu beſtimmt, der Halb¬ gott eines prinzlichen Hofes zu ſein, und würde dieſe Beſtimmung, Du darfſt darüber nicht lachen, nicht bloß zu ſeiner perſönlichen Freude, ſondern auch zum Glück und Segen andrer, ja vieler anderer, erfüllt haben. Denn er war ein guter Menſch, und auch klug genug, um immer das Gute zu wollen. An dieſer Laufbahn als ein prinzlicher Liebling und Plenipoten¬ tiaire, hätt ich ihn verhindert, ja, hätt ihn, bei meinen anſpruchsloſen Gewohnheiten, aus all und jeder Kar¬ riere herausgeriſſen und ihn nach Wuthenow hinge¬ zwungen, um mit mir ein Spargelbeet anzulegen oder der Kluckhenne die Küchelchen wegzunehmen. Davor erſchrak er. Er ſah ein kleines und beſchränktes Leben vor ſich, und war, ich will nicht ſagen auf ein großes geſtellt, aber doch auf ein ſolches, das ihm als groß erſchien. Über meine Nichtſchönheit wär er hinwegge¬ kommen. Ich hab' ihm, ich zögre faſt es niederzu¬ ſchreiben, nicht eigentlich mißfallen, und vielleicht hat er mich wirklich geliebt. Befrag ich ſeine letzten, an 15*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/239>, abgerufen am 27.11.2024.