Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

aber erwart ich, daß Sie mir Ihre Familienereignisse
melden, und den Namen Ihrer Königin als erste
Taufpatin in Ihr Wuthenower Kirchenbuch eintragen
lassen. Und nun Gott befohlen."

Ein Gruß und eine freundliche Handbewegung
begleiteten diese Worte; Schach aber, als er sich kurz
vor der Gartenfront noch einmal umsah, sah, wie beide
Damen in einem Seitenweg einbogen und auf eine
schattigere, mehr der Spree zu gelegene Partie des
Parkes zuschritten.

Er selbst saß eine Viertelstunde später wieder im
Sattel; Ordonnanz Baarsch folgte.

Die gnädigen Worte beider Majestäten hatten
eines Eindrucks auf ihn nicht verfehlt; trotzdem war
er nur getroffen, in nichts aber umgestimmt worden.
Er wußte, was er dem König schuldig sei: Gehorsam!
Aber sein Herz widerstritt, und so galt es denn für
ihn, etwas ausfindig zu machen, was Gehorsam und
Ungehorsam in sich vereinigte, was dem Befehle seines
Königs und dem Befehle seiner eigenen Natur gleich¬
mäßig entsprach. Und dafür gab es nur einen Weg.
Ein Gedanke, den er schon in Wuthenow gefaßt hatte,
kam ihm jetzt wieder und reifte rasch zum Entschluß,
und je fester er ihn werden fühlte, desto mehr fand er
sich in seine frühere gute Haltung und Ruhe zurück.
"Leben," sprach er vor sich hin. "Was ist leben?
Eine Frage von Minuten, eine Differenz von heut

aber erwart ich, daß Sie mir Ihre Familienereigniſſe
melden, und den Namen Ihrer Königin als erſte
Taufpatin in Ihr Wuthenower Kirchenbuch eintragen
laſſen. Und nun Gott befohlen.“

Ein Gruß und eine freundliche Handbewegung
begleiteten dieſe Worte; Schach aber, als er ſich kurz
vor der Gartenfront noch einmal umſah, ſah, wie beide
Damen in einem Seitenweg einbogen und auf eine
ſchattigere, mehr der Spree zu gelegene Partie des
Parkes zuſchritten.

Er ſelbſt ſaß eine Viertelſtunde ſpäter wieder im
Sattel; Ordonnanz Baarſch folgte.

Die gnädigen Worte beider Majeſtäten hatten
eines Eindrucks auf ihn nicht verfehlt; trotzdem war
er nur getroffen, in nichts aber umgeſtimmt worden.
Er wußte, was er dem König ſchuldig ſei: Gehorſam!
Aber ſein Herz widerſtritt, und ſo galt es denn für
ihn, etwas ausfindig zu machen, was Gehorſam und
Ungehorſam in ſich vereinigte, was dem Befehle ſeines
Königs und dem Befehle ſeiner eigenen Natur gleich¬
mäßig entſprach. Und dafür gab es nur einen Weg.
Ein Gedanke, den er ſchon in Wuthenow gefaßt hatte,
kam ihm jetzt wieder und reifte raſch zum Entſchluß,
und je feſter er ihn werden fühlte, deſto mehr fand er
ſich in ſeine frühere gute Haltung und Ruhe zurück.
„Leben,“ ſprach er vor ſich hin. „Was iſt leben?
Eine Frage von Minuten, eine Differenz von heut

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0212" n="200"/>
aber erwart ich, daß Sie mir Ihre Familienereigni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
melden, und den Namen Ihrer Königin als er&#x017F;te<lb/>
Taufpatin in Ihr Wuthenower Kirchenbuch eintragen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Und nun Gott befohlen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ein Gruß und eine freundliche Handbewegung<lb/>
begleiteten die&#x017F;e Worte; Schach aber, als er &#x017F;ich kurz<lb/>
vor der Gartenfront noch einmal um&#x017F;ah, &#x017F;ah, wie beide<lb/>
Damen in einem Seitenweg einbogen und auf eine<lb/>
&#x017F;chattigere, mehr der Spree zu gelegene Partie des<lb/>
Parkes zu&#x017F;chritten.</p><lb/>
        <p>Er &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;aß eine Viertel&#x017F;tunde &#x017F;päter wieder im<lb/>
Sattel; Ordonnanz Baar&#x017F;ch folgte.</p><lb/>
        <p>Die gnädigen Worte beider Maje&#x017F;täten hatten<lb/>
eines Eindrucks auf ihn nicht verfehlt; trotzdem war<lb/>
er nur getroffen, in nichts aber umge&#x017F;timmt worden.<lb/>
Er wußte, was er dem König &#x017F;chuldig &#x017F;ei: <hi rendition="#g">Gehor&#x017F;am</hi>!<lb/>
Aber &#x017F;ein Herz wider&#x017F;tritt, und &#x017F;o galt es denn für<lb/>
ihn, etwas ausfindig zu machen, was Gehor&#x017F;am und<lb/>
Ungehor&#x017F;am in &#x017F;ich vereinigte, was dem Befehle &#x017F;eines<lb/>
Königs und dem Befehle &#x017F;einer eigenen Natur gleich¬<lb/>
mäßig ent&#x017F;prach. Und dafür gab es nur <hi rendition="#g">einen</hi> Weg.<lb/>
Ein Gedanke, den er &#x017F;chon in Wuthenow gefaßt hatte,<lb/>
kam ihm jetzt wieder und reifte ra&#x017F;ch zum Ent&#x017F;chluß,<lb/>
und je fe&#x017F;ter er ihn werden fühlte, de&#x017F;to mehr fand er<lb/>
&#x017F;ich in &#x017F;eine frühere gute Haltung und Ruhe zurück.<lb/>
&#x201E;Leben,&#x201C; &#x017F;prach er vor &#x017F;ich hin. &#x201E;Was i&#x017F;t leben?<lb/>
Eine Frage von Minuten, eine Differenz von heut<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[200/0212] aber erwart ich, daß Sie mir Ihre Familienereigniſſe melden, und den Namen Ihrer Königin als erſte Taufpatin in Ihr Wuthenower Kirchenbuch eintragen laſſen. Und nun Gott befohlen.“ Ein Gruß und eine freundliche Handbewegung begleiteten dieſe Worte; Schach aber, als er ſich kurz vor der Gartenfront noch einmal umſah, ſah, wie beide Damen in einem Seitenweg einbogen und auf eine ſchattigere, mehr der Spree zu gelegene Partie des Parkes zuſchritten. Er ſelbſt ſaß eine Viertelſtunde ſpäter wieder im Sattel; Ordonnanz Baarſch folgte. Die gnädigen Worte beider Majeſtäten hatten eines Eindrucks auf ihn nicht verfehlt; trotzdem war er nur getroffen, in nichts aber umgeſtimmt worden. Er wußte, was er dem König ſchuldig ſei: Gehorſam! Aber ſein Herz widerſtritt, und ſo galt es denn für ihn, etwas ausfindig zu machen, was Gehorſam und Ungehorſam in ſich vereinigte, was dem Befehle ſeines Königs und dem Befehle ſeiner eigenen Natur gleich¬ mäßig entſprach. Und dafür gab es nur einen Weg. Ein Gedanke, den er ſchon in Wuthenow gefaßt hatte, kam ihm jetzt wieder und reifte raſch zum Entſchluß, und je feſter er ihn werden fühlte, deſto mehr fand er ſich in ſeine frühere gute Haltung und Ruhe zurück. „Leben,“ ſprach er vor ſich hin. „Was iſt leben? Eine Frage von Minuten, eine Differenz von heut

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/212
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/212>, abgerufen am 24.11.2024.