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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

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Schach; machen Sie das Spiel, ich bin kein Spielver¬
derber, aber ich spiele persönlich nicht mit. Kann nicht und
will nicht. Es steckt mir dazu zu viel Katechismus
Lutheri im Leibe."

Nostitz wollte nicht gleich nachgeben. "Alles zu
seiner Zeit," nahm er das Wort "und wenn der Ernst seinen
Tag hat, so hat der Scherz wenigstens seine Stunde.
Sie nehmen alles zu gewissenhaft, zu feierlich, zu pe¬
dantisch. Auch darin wie Schach. Keinerlei Ding ist
an sich gut oder bös. Erinnern Sie sich, daß wir
den alten Luther nicht verhöhnen wollen, im Gegenteil,
wir wollen ihn rächen. Was verhöhnt werden soll,
ist das Stück, ist die Lutherkarrikatur, ist der Refor¬
mator in falschem Licht und an falscher Stelle. Wir
sind Strafgericht, Instanz aller oberster Sittlichkeit.
Thuen Sies. Sie dürfen uns nicht im Stiche lassen
oder es fällt alles in den Brunnen."

Andere sprachen in gleichem Sinn. Aber Alvens¬
leben blieb fest, und eine kleine Verstimmung schwand erst,
als sich unerwartet (und eben deshalb von allgemeinstem
Jubel begrüßt) der junge Graf Herzberg erhob, um
sich für die Lutherrolle zu melden.

Alles was danach noch zu ordnen war, ordnete
sich rasch, und ehe zehn Minuten um waren,
waren bereits die Hauptrollen verteilt: Graf Herzberg
den Luther, Diricke den Famulus, Nostitz, wegen sei¬
ner kolossalen Größe, die Katharina von Bora. Der

Schach; machen Sie das Spiel, ich bin kein Spielver¬
derber, aber ich ſpiele perſönlich nicht mit. Kann nicht und
will nicht. Es ſteckt mir dazu zu viel Katechismus
Lutheri im Leibe.“

Noſtitz wollte nicht gleich nachgeben. „Alles zu
ſeiner Zeit,“ nahm er das Wort „und wenn der Ernſt ſeinen
Tag hat, ſo hat der Scherz wenigſtens ſeine Stunde.
Sie nehmen alles zu gewiſſenhaft, zu feierlich, zu pe¬
dantiſch. Auch darin wie Schach. Keinerlei Ding iſt
an ſich gut oder bös. Erinnern Sie ſich, daß wir
den alten Luther nicht verhöhnen wollen, im Gegenteil,
wir wollen ihn rächen. Was verhöhnt werden ſoll,
iſt das Stück, iſt die Lutherkarrikatur, iſt der Refor¬
mator in falſchem Licht und an falſcher Stelle. Wir
ſind Strafgericht, Inſtanz aller oberſter Sittlichkeit.
Thuen Sies. Sie dürfen uns nicht im Stiche laſſen
oder es fällt alles in den Brunnen.“

Andere ſprachen in gleichem Sinn. Aber Alvens¬
leben blieb feſt, und eine kleine Verſtimmung ſchwand erſt,
als ſich unerwartet (und eben deshalb von allgemeinſtem
Jubel begrüßt) der junge Graf Herzberg erhob, um
ſich für die Lutherrolle zu melden.

Alles was danach noch zu ordnen war, ordnete
ſich raſch, und ehe zehn Minuten um waren,
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ner koloſſalen Größe, die Katharina von Bora. Der

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[124/0136] Schach; machen Sie das Spiel, ich bin kein Spielver¬ derber, aber ich ſpiele perſönlich nicht mit. Kann nicht und will nicht. Es ſteckt mir dazu zu viel Katechismus Lutheri im Leibe.“ Noſtitz wollte nicht gleich nachgeben. „Alles zu ſeiner Zeit,“ nahm er das Wort „und wenn der Ernſt ſeinen Tag hat, ſo hat der Scherz wenigſtens ſeine Stunde. Sie nehmen alles zu gewiſſenhaft, zu feierlich, zu pe¬ dantiſch. Auch darin wie Schach. Keinerlei Ding iſt an ſich gut oder bös. Erinnern Sie ſich, daß wir den alten Luther nicht verhöhnen wollen, im Gegenteil, wir wollen ihn rächen. Was verhöhnt werden ſoll, iſt das Stück, iſt die Lutherkarrikatur, iſt der Refor¬ mator in falſchem Licht und an falſcher Stelle. Wir ſind Strafgericht, Inſtanz aller oberſter Sittlichkeit. Thuen Sies. Sie dürfen uns nicht im Stiche laſſen oder es fällt alles in den Brunnen.“ Andere ſprachen in gleichem Sinn. Aber Alvens¬ leben blieb feſt, und eine kleine Verſtimmung ſchwand erſt, als ſich unerwartet (und eben deshalb von allgemeinſtem Jubel begrüßt) der junge Graf Herzberg erhob, um ſich für die Lutherrolle zu melden. Alles was danach noch zu ordnen war, ordnete ſich raſch, und ehe zehn Minuten um waren, waren bereits die Hauptrollen verteilt: Graf Herzberg den Luther, Diricke den Famulus, Noſtitz, wegen ſei¬ ner koloſſalen Größe, die Katharina von Bora. Der

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/136>, abgerufen am 01.05.2024.