Schach; machen Sie das Spiel, ich bin kein Spielver¬ derber, aber ich spiele persönlich nicht mit. Kann nicht und will nicht. Es steckt mir dazu zu viel Katechismus Lutheri im Leibe."
Nostitz wollte nicht gleich nachgeben. "Alles zu seiner Zeit," nahm er das Wort "und wenn der Ernst seinen Tag hat, so hat der Scherz wenigstens seine Stunde. Sie nehmen alles zu gewissenhaft, zu feierlich, zu pe¬ dantisch. Auch darin wie Schach. Keinerlei Ding ist an sich gut oder bös. Erinnern Sie sich, daß wir den alten Luther nicht verhöhnen wollen, im Gegenteil, wir wollen ihn rächen. Was verhöhnt werden soll, ist das Stück, ist die Lutherkarrikatur, ist der Refor¬ mator in falschem Licht und an falscher Stelle. Wir sind Strafgericht, Instanz aller oberster Sittlichkeit. Thuen Sies. Sie dürfen uns nicht im Stiche lassen oder es fällt alles in den Brunnen."
Andere sprachen in gleichem Sinn. Aber Alvens¬ leben blieb fest, und eine kleine Verstimmung schwand erst, als sich unerwartet (und eben deshalb von allgemeinstem Jubel begrüßt) der junge Graf Herzberg erhob, um sich für die Lutherrolle zu melden.
Alles was danach noch zu ordnen war, ordnete sich rasch, und ehe zehn Minuten um waren, waren bereits die Hauptrollen verteilt: Graf Herzberg den Luther, Diricke den Famulus, Nostitz, wegen sei¬ ner kolossalen Größe, die Katharina von Bora. Der
Schach; machen Sie das Spiel, ich bin kein Spielver¬ derber, aber ich ſpiele perſönlich nicht mit. Kann nicht und will nicht. Es ſteckt mir dazu zu viel Katechismus Lutheri im Leibe.“
Noſtitz wollte nicht gleich nachgeben. „Alles zu ſeiner Zeit,“ nahm er das Wort „und wenn der Ernſt ſeinen Tag hat, ſo hat der Scherz wenigſtens ſeine Stunde. Sie nehmen alles zu gewiſſenhaft, zu feierlich, zu pe¬ dantiſch. Auch darin wie Schach. Keinerlei Ding iſt an ſich gut oder bös. Erinnern Sie ſich, daß wir den alten Luther nicht verhöhnen wollen, im Gegenteil, wir wollen ihn rächen. Was verhöhnt werden ſoll, iſt das Stück, iſt die Lutherkarrikatur, iſt der Refor¬ mator in falſchem Licht und an falſcher Stelle. Wir ſind Strafgericht, Inſtanz aller oberſter Sittlichkeit. Thuen Sies. Sie dürfen uns nicht im Stiche laſſen oder es fällt alles in den Brunnen.“
Andere ſprachen in gleichem Sinn. Aber Alvens¬ leben blieb feſt, und eine kleine Verſtimmung ſchwand erſt, als ſich unerwartet (und eben deshalb von allgemeinſtem Jubel begrüßt) der junge Graf Herzberg erhob, um ſich für die Lutherrolle zu melden.
Alles was danach noch zu ordnen war, ordnete ſich raſch, und ehe zehn Minuten um waren, waren bereits die Hauptrollen verteilt: Graf Herzberg den Luther, Diricke den Famulus, Noſtitz, wegen ſei¬ ner koloſſalen Größe, die Katharina von Bora. Der
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0136"n="124"/>
Schach; machen Sie das Spiel, ich bin kein Spielver¬<lb/>
derber, aber ich ſpiele perſönlich nicht mit. Kann nicht und<lb/>
will nicht. Es ſteckt mir dazu zu viel Katechismus<lb/><hirendition="#aq">Lutheri</hi> im Leibe.“</p><lb/><p>Noſtitz wollte nicht gleich nachgeben. „Alles zu<lb/>ſeiner Zeit,“ nahm er das Wort „und wenn der Ernſt ſeinen<lb/>
Tag hat, ſo hat der Scherz wenigſtens ſeine Stunde.<lb/>
Sie nehmen alles zu gewiſſenhaft, zu feierlich, zu pe¬<lb/>
dantiſch. Auch darin wie Schach. Keinerlei Ding iſt<lb/>
an ſich gut oder bös. Erinnern Sie ſich, daß wir<lb/>
den alten Luther nicht verhöhnen wollen, im Gegenteil,<lb/>
wir wollen ihn rächen. Was verhöhnt werden ſoll,<lb/>
iſt das <hirendition="#g">Stück</hi>, iſt die Lutherkarrikatur, iſt der Refor¬<lb/>
mator in falſchem Licht und an falſcher Stelle. Wir<lb/>ſind Strafgericht, Inſtanz aller oberſter Sittlichkeit.<lb/>
Thuen Sies. Sie dürfen uns nicht im Stiche laſſen<lb/>
oder es fällt alles in den Brunnen.“</p><lb/><p>Andere ſprachen in gleichem Sinn. Aber Alvens¬<lb/>
leben blieb feſt, und eine kleine Verſtimmung ſchwand erſt,<lb/>
als ſich unerwartet (und eben deshalb von allgemeinſtem<lb/>
Jubel begrüßt) der junge Graf Herzberg erhob, um<lb/>ſich für die Lutherrolle zu melden.</p><lb/><p>Alles was danach noch zu ordnen war, ordnete<lb/>ſich raſch, und ehe zehn Minuten um waren,<lb/>
waren bereits die Hauptrollen verteilt: Graf Herzberg<lb/>
den Luther, Diricke den Famulus, Noſtitz, wegen ſei¬<lb/>
ner koloſſalen Größe, die Katharina von Bora. Der<lb/></p></div></body></text></TEI>
[124/0136]
Schach; machen Sie das Spiel, ich bin kein Spielver¬
derber, aber ich ſpiele perſönlich nicht mit. Kann nicht und
will nicht. Es ſteckt mir dazu zu viel Katechismus
Lutheri im Leibe.“
Noſtitz wollte nicht gleich nachgeben. „Alles zu
ſeiner Zeit,“ nahm er das Wort „und wenn der Ernſt ſeinen
Tag hat, ſo hat der Scherz wenigſtens ſeine Stunde.
Sie nehmen alles zu gewiſſenhaft, zu feierlich, zu pe¬
dantiſch. Auch darin wie Schach. Keinerlei Ding iſt
an ſich gut oder bös. Erinnern Sie ſich, daß wir
den alten Luther nicht verhöhnen wollen, im Gegenteil,
wir wollen ihn rächen. Was verhöhnt werden ſoll,
iſt das Stück, iſt die Lutherkarrikatur, iſt der Refor¬
mator in falſchem Licht und an falſcher Stelle. Wir
ſind Strafgericht, Inſtanz aller oberſter Sittlichkeit.
Thuen Sies. Sie dürfen uns nicht im Stiche laſſen
oder es fällt alles in den Brunnen.“
Andere ſprachen in gleichem Sinn. Aber Alvens¬
leben blieb feſt, und eine kleine Verſtimmung ſchwand erſt,
als ſich unerwartet (und eben deshalb von allgemeinſtem
Jubel begrüßt) der junge Graf Herzberg erhob, um
ſich für die Lutherrolle zu melden.
Alles was danach noch zu ordnen war, ordnete
ſich raſch, und ehe zehn Minuten um waren,
waren bereits die Hauptrollen verteilt: Graf Herzberg
den Luther, Diricke den Famulus, Noſtitz, wegen ſei¬
ner koloſſalen Größe, die Katharina von Bora. Der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/136>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.