Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

vorragende Theilnahme am Rye-House-Complott (gegen Karl II.) lebte hier wochenlang in der Zelle eines befreundeten Schuldgefangenen und im Einklange damit fanden hier 1746 mehrere Anhänger des Prätendenten Schutz und endliche Rettung, während englische Soldaten die Spur der in die Acht Erklärten bis weit in's Hochland hinein verfolgten. Daß solche Dinge möglich waren, zeigt am besten, wie es damals mit der Rechtspflege und vor allem mit der Gefängniß-Verwaltung stand. Old-Tolbooth war wie ein Hospital nach der Schlacht, wo man auch Freund und Feind ohne Auswahl durcheinander wirft, davon ausgehend, daß jeder traurig genug daran ist, dem das Loos zufällt an solchem Orte leben oder sterben zu müssen. Ein Eindringling wird nicht vermuthet.

1817 wurde Old-Tolbooth niedergerissen. Edinburg verlor damit eine seiner vorzüglichsten Sehenswürdigkeiten. Wenig oder nichts mehr existirt von dem alten Bau, selbst die Stelle, wo er stand, ist bei den großen Veränderungen, die die Straße erlitten hat, nicht mehr mit vollster Genauigkeit anzugeben. Nur das alte Portal mit Thür und Vorlegeschloß ist noch vorhanden. Es wurde beim Abtragen des Gebäudes, von Seiten der Stadt an Walter Scott geschenkt, der nicht zögerte, seiner romantischen Musterkarte, gemeinhin Abbotsford geheißen, auch diese Probe steinerner Romantik einzuverleiben. Dort hab' ich es später gesehen. Es macht indeß in dieser Verpflanzung nur den Eindruck, den ein einzelner

vorragende Theilnahme am Rye-House-Complott (gegen Karl II.) lebte hier wochenlang in der Zelle eines befreundeten Schuldgefangenen und im Einklange damit fanden hier 1746 mehrere Anhänger des Prätendenten Schutz und endliche Rettung, während englische Soldaten die Spur der in die Acht Erklärten bis weit in’s Hochland hinein verfolgten. Daß solche Dinge möglich waren, zeigt am besten, wie es damals mit der Rechtspflege und vor allem mit der Gefängniß-Verwaltung stand. Old-Tolbooth war wie ein Hospital nach der Schlacht, wo man auch Freund und Feind ohne Auswahl durcheinander wirft, davon ausgehend, daß jeder traurig genug daran ist, dem das Loos zufällt an solchem Orte leben oder sterben zu müssen. Ein Eindringling wird nicht vermuthet.

1817 wurde Old-Tolbooth niedergerissen. Edinburg verlor damit eine seiner vorzüglichsten Sehenswürdigkeiten. Wenig oder nichts mehr existirt von dem alten Bau, selbst die Stelle, wo er stand, ist bei den großen Veränderungen, die die Straße erlitten hat, nicht mehr mit vollster Genauigkeit anzugeben. Nur das alte Portal mit Thür und Vorlegeschloß ist noch vorhanden. Es wurde beim Abtragen des Gebäudes, von Seiten der Stadt an Walter Scott geschenkt, der nicht zögerte, seiner romantischen Musterkarte, gemeinhin Abbotsford geheißen, auch diese Probe steinerner Romantik einzuverleiben. Dort hab’ ich es später gesehen. Es macht indeß in dieser Verpflanzung nur den Eindruck, den ein einzelner

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div>
          <div>
            <p><pb facs="#f0087" n="73"/>
vorragende Theilnahme am Rye-House-Complott (gegen Karl <hi rendition="#aq">II.) lebte hier wochenlang in der Zelle eines befreundeten                Schuldgefangenen und im Einklange damit fanden hier 1746 mehrere Anhänger des                Prätendenten Schutz und endliche Rettung, während englische Soldaten die Spur der in                die Acht Erklärten bis weit in&#x2019;s Hochland hinein verfolgten. Daß solche Dinge möglich                waren, zeigt am besten, wie es damals mit der Rechtspflege und vor allem mit der                Gefängniß-Verwaltung stand. Old-Tolbooth war wie ein Hospital nach der Schlacht, wo                man auch Freund und Feind ohne Auswahl durcheinander wirft, davon ausgehend, daß jeder                traurig genug daran ist, dem das Loos zufällt an solchem Orte leben oder sterben zu                müssen. Ein Eindringling wird nicht vermuthet.</hi> </p><lb/>
            <p>1817 wurde Old-Tolbooth niedergerissen. Edinburg verlor                damit eine seiner vorzüglichsten Sehenswürdigkeiten. Wenig oder nichts mehr existirt                von dem alten Bau, selbst die Stelle, wo er stand, ist bei den großen Veränderungen,                die die Straße erlitten hat, nicht mehr mit vollster Genauigkeit anzugeben. Nur das                alte Portal mit Thür und Vorlegeschloß ist noch vorhanden. Es wurde beim Abtragen des                Gebäudes, von Seiten der Stadt an Walter Scott geschenkt, der nicht zögerte, seiner                romantischen Musterkarte, gemeinhin Abbotsford geheißen, auch diese Probe steinerner                Romantik einzuverleiben. Dort hab&#x2019; ich es später gesehen. Es macht indeß in dieser                Verpflanzung nur den Eindruck, den ein einzelner<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0087] vorragende Theilnahme am Rye-House-Complott (gegen Karl II.) lebte hier wochenlang in der Zelle eines befreundeten Schuldgefangenen und im Einklange damit fanden hier 1746 mehrere Anhänger des Prätendenten Schutz und endliche Rettung, während englische Soldaten die Spur der in die Acht Erklärten bis weit in’s Hochland hinein verfolgten. Daß solche Dinge möglich waren, zeigt am besten, wie es damals mit der Rechtspflege und vor allem mit der Gefängniß-Verwaltung stand. Old-Tolbooth war wie ein Hospital nach der Schlacht, wo man auch Freund und Feind ohne Auswahl durcheinander wirft, davon ausgehend, daß jeder traurig genug daran ist, dem das Loos zufällt an solchem Orte leben oder sterben zu müssen. Ein Eindringling wird nicht vermuthet. 1817 wurde Old-Tolbooth niedergerissen. Edinburg verlor damit eine seiner vorzüglichsten Sehenswürdigkeiten. Wenig oder nichts mehr existirt von dem alten Bau, selbst die Stelle, wo er stand, ist bei den großen Veränderungen, die die Straße erlitten hat, nicht mehr mit vollster Genauigkeit anzugeben. Nur das alte Portal mit Thür und Vorlegeschloß ist noch vorhanden. Es wurde beim Abtragen des Gebäudes, von Seiten der Stadt an Walter Scott geschenkt, der nicht zögerte, seiner romantischen Musterkarte, gemeinhin Abbotsford geheißen, auch diese Probe steinerner Romantik einzuverleiben. Dort hab’ ich es später gesehen. Es macht indeß in dieser Verpflanzung nur den Eindruck, den ein einzelner

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T15:22:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T15:22:45Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: dokumentiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
  • i/j in Fraktur: keine Angabe;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • Kolumnentitel: nicht übernommen;
  • Kustoden: keine Angabe;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • Normalisierungen: keine;
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;
  • Seitenumbrüche markiert: ja;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • u/v bzw. U/V: keine Angabe;
  • Vokale mit übergest. e: keine Angabe;
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst;
  • Zeichensetzung: wie Vorlage;
  • Zeilenumbrüche markiert: nein.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/87
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/87>, abgerufen am 23.11.2024.