Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.ein alter Bau. Seine früheste Bestimmung war wahrscheinlich die einer städtischen Burg, um, in den Zeiten schottischen Raubritterthums, die damals aus einer einzigen Straße bestehende Stadt gegen Ueberfälle der Hochländer von Norden und der Moßtrooper und Borderer (Grenzer) von Süden her zu schützen. 1561 erweitert und umgebaut, diente es von da ab bis zum Jahre 1640, wo das alte, in veränderter Gestalt noch jetzt existirende Parlamentshaus gebaut wurde, als Sessions-Gebäude für die Sitzungen des Parlaments und der Gerichtshöfe. Von 1640 an sank es zu einem bloßen Gefängniß herab. Sein Aeußeres muß etwas Unheimliches und durchaus die Miene von Gefangenwärter und Nachrichter gehabt haben. Alle Beschreibungen stimmen darin überein. Sein einziger Schmuck waren die Buden und Kramläden (Krame's genannt) die zerfallen und bettelhaft, aber doch heiter und farbenbunt den alten Griesegram umlagerten. Er selber stand inmitten derselben da, grau und verräuchert, aus kleinen vergitterten Fenstern trübselig in die Welt blickend. An jeder Seite erhoben sich ein paar Treppenthürme, die das zwingerhafte Aussehn noch unterstützten, ohne seiner Schönheit irgendwie Vorschub zu leisten. Das gegenwärtig lebende Geschlecht scheint wenig oder nichts mehr von den Aeußerlichkeiten des alten Bau's zu wissen; man muß zu alten Bildern seine Zuflucht nehmen, wenn man sich orientiren will. Aber wenn sich auch Niemand mehr kümmert um die Stelle wo er stand oder um die Zahl ein alter Bau. Seine früheste Bestimmung war wahrscheinlich die einer städtischen Burg, um, in den Zeiten schottischen Raubritterthums, die damals aus einer einzigen Straße bestehende Stadt gegen Ueberfälle der Hochländer von Norden und der Moßtrooper und Borderer (Grenzer) von Süden her zu schützen. 1561 erweitert und umgebaut, diente es von da ab bis zum Jahre 1640, wo das alte, in veränderter Gestalt noch jetzt existirende Parlamentshaus gebaut wurde, als Sessions-Gebäude für die Sitzungen des Parlaments und der Gerichtshöfe. Von 1640 an sank es zu einem bloßen Gefängniß herab. Sein Aeußeres muß etwas Unheimliches und durchaus die Miene von Gefangenwärter und Nachrichter gehabt haben. Alle Beschreibungen stimmen darin überein. Sein einziger Schmuck waren die Buden und Kramläden (Krame’s genannt) die zerfallen und bettelhaft, aber doch heiter und farbenbunt den alten Griesegram umlagerten. Er selber stand inmitten derselben da, grau und verräuchert, aus kleinen vergitterten Fenstern trübselig in die Welt blickend. An jeder Seite erhoben sich ein paar Treppenthürme, die das zwingerhafte Aussehn noch unterstützten, ohne seiner Schönheit irgendwie Vorschub zu leisten. Das gegenwärtig lebende Geschlecht scheint wenig oder nichts mehr von den Aeußerlichkeiten des alten Bau’s zu wissen; man muß zu alten Bildern seine Zuflucht nehmen, wenn man sich orientiren will. Aber wenn sich auch Niemand mehr kümmert um die Stelle wo er stand oder um die Zahl <TEI> <text> <body> <div> <div> <div> <p><pb facs="#f0084" n="70"/> ein alter Bau. Seine früheste Bestimmung war wahrscheinlich die einer städtischen Burg, um, in den Zeiten schottischen Raubritterthums, die damals aus einer einzigen Straße bestehende Stadt gegen Ueberfälle der Hochländer von Norden und der Moßtrooper und Borderer (Grenzer) von Süden her zu schützen. 1561 erweitert und umgebaut, diente es von da ab bis zum Jahre 1640, wo das alte, in veränderter Gestalt noch jetzt existirende Parlamentshaus gebaut wurde, als Sessions-Gebäude für die Sitzungen des Parlaments und der Gerichtshöfe. Von 1640 an sank es zu einem bloßen Gefängniß herab. Sein Aeußeres muß etwas Unheimliches und durchaus die Miene von Gefangenwärter und Nachrichter gehabt haben. Alle Beschreibungen stimmen darin überein. Sein einziger Schmuck waren die Buden und Kramläden (Krame’s genannt) die zerfallen und bettelhaft, aber doch heiter und farbenbunt den alten Griesegram umlagerten. Er selber stand inmitten derselben da, grau und verräuchert, aus kleinen vergitterten Fenstern trübselig in die Welt blickend. An jeder Seite erhoben sich ein paar Treppenthürme, die das zwingerhafte Aussehn noch unterstützten, ohne seiner Schönheit irgendwie Vorschub zu leisten. Das gegenwärtig lebende Geschlecht scheint wenig oder nichts mehr von den Aeußerlichkeiten des alten Bau’s zu wissen; man muß zu alten Bildern seine Zuflucht nehmen, wenn man sich orientiren will. Aber wenn sich auch Niemand mehr kümmert um die Stelle wo er stand oder um die Zahl<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [70/0084]
ein alter Bau. Seine früheste Bestimmung war wahrscheinlich die einer städtischen Burg, um, in den Zeiten schottischen Raubritterthums, die damals aus einer einzigen Straße bestehende Stadt gegen Ueberfälle der Hochländer von Norden und der Moßtrooper und Borderer (Grenzer) von Süden her zu schützen. 1561 erweitert und umgebaut, diente es von da ab bis zum Jahre 1640, wo das alte, in veränderter Gestalt noch jetzt existirende Parlamentshaus gebaut wurde, als Sessions-Gebäude für die Sitzungen des Parlaments und der Gerichtshöfe. Von 1640 an sank es zu einem bloßen Gefängniß herab. Sein Aeußeres muß etwas Unheimliches und durchaus die Miene von Gefangenwärter und Nachrichter gehabt haben. Alle Beschreibungen stimmen darin überein. Sein einziger Schmuck waren die Buden und Kramläden (Krame’s genannt) die zerfallen und bettelhaft, aber doch heiter und farbenbunt den alten Griesegram umlagerten. Er selber stand inmitten derselben da, grau und verräuchert, aus kleinen vergitterten Fenstern trübselig in die Welt blickend. An jeder Seite erhoben sich ein paar Treppenthürme, die das zwingerhafte Aussehn noch unterstützten, ohne seiner Schönheit irgendwie Vorschub zu leisten. Das gegenwärtig lebende Geschlecht scheint wenig oder nichts mehr von den Aeußerlichkeiten des alten Bau’s zu wissen; man muß zu alten Bildern seine Zuflucht nehmen, wenn man sich orientiren will. Aber wenn sich auch Niemand mehr kümmert um die Stelle wo er stand oder um die Zahl
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/84>, abgerufen am 22.07.2024. |