Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.der sich an den vier Fenstern der Bel-Etage entlang zieht. Die Geschichte, die sich hier zutrug, ist folgende: Die puritanische Sache hatte triumphirt, die Königlichen unter Montrose waren geschlagen. Auf denselben Haiden, auf denen wenige Jahre zuvor der siegreiche Montrose den puritanischen Grafen von Argyle gejagt hatte, jagten jetzt die Leute Argyle's den umherirrenden Montrose. Argyle selbst war in Edinburg, jeder Tag konnte die Nachricht bringen vom Tode oder von der Gefangennehmung seines Gegners; der Sieg war da und Freude und Hochzeit sollte diesen Sieg beschließen. Die Häuser Moray und Argyle, seit langer Zeit befreundet und derselben Sache dienend, kamen überein, die alten Bande durch ein neues, engeres Band zu befestigen. Es war am 11. Mai 1650, als Archibald, ältester Sohn des Grafen von Argyle, mit seiner Braut, der Tochter des Grafen von Moray, zum Altare trat. Die Hochzeit wurde in Moray-House gefeiert; Festlichkeit folgte auf Festlichkeit; die ganze Stadt nahm Theil an der Freude beider Häuser. Die Festlichkeiten waren eben auf ihrer Höhe, als die Nachricht durch die Stadt lief, Montrose sei gefangen und werde eingebracht. Fast gleichzeitig mit der Nachricht kam er selbst. Man hatte ihn in Leith auf eine abgetriebene alte Mähre gesetzt, um ihn in diesem erniedrigenden Aufzuge durch die Straßen Edinburgs zu führen. Er hielt jetzt am Eingange von Canongate. Dem Haß des Pöbels aber genügte dieser Aufzug nicht und eine Art Schlitten wurde her- der sich an den vier Fenstern der Bel-Etage entlang zieht. Die Geschichte, die sich hier zutrug, ist folgende: Die puritanische Sache hatte triumphirt, die Königlichen unter Montrose waren geschlagen. Auf denselben Haiden, auf denen wenige Jahre zuvor der siegreiche Montrose den puritanischen Grafen von Argyle gejagt hatte, jagten jetzt die Leute Argyle’s den umherirrenden Montrose. Argyle selbst war in Edinburg, jeder Tag konnte die Nachricht bringen vom Tode oder von der Gefangennehmung seines Gegners; der Sieg war da und Freude und Hochzeit sollte diesen Sieg beschließen. Die Häuser Moray und Argyle, seit langer Zeit befreundet und derselben Sache dienend, kamen überein, die alten Bande durch ein neues, engeres Band zu befestigen. Es war am 11. Mai 1650, als Archibald, ältester Sohn des Grafen von Argyle, mit seiner Braut, der Tochter des Grafen von Moray, zum Altare trat. Die Hochzeit wurde in Moray-House gefeiert; Festlichkeit folgte auf Festlichkeit; die ganze Stadt nahm Theil an der Freude beider Häuser. Die Festlichkeiten waren eben auf ihrer Höhe, als die Nachricht durch die Stadt lief, Montrose sei gefangen und werde eingebracht. Fast gleichzeitig mit der Nachricht kam er selbst. Man hatte ihn in Leith auf eine abgetriebene alte Mähre gesetzt, um ihn in diesem erniedrigenden Aufzuge durch die Straßen Edinburgs zu führen. Er hielt jetzt am Eingange von Canongate. Dem Haß des Pöbels aber genügte dieser Aufzug nicht und eine Art Schlitten wurde her- <TEI> <text> <body> <div> <div> <div> <p><pb facs="#f0077" n="63"/> der sich an den vier Fenstern der Bel-Etage entlang zieht. Die Geschichte, die sich hier zutrug, ist folgende: </p><lb/> <p>Die puritanische Sache hatte triumphirt, die Königlichen unter Montrose waren geschlagen. Auf denselben Haiden, auf denen wenige Jahre zuvor der siegreiche Montrose den puritanischen Grafen von Argyle gejagt hatte, jagten jetzt die Leute Argyle’s den umherirrenden Montrose. Argyle selbst war in Edinburg, jeder Tag konnte die Nachricht bringen vom Tode oder von der Gefangennehmung seines Gegners; der Sieg war da und Freude und Hochzeit sollte diesen Sieg beschließen. Die Häuser Moray und Argyle, seit langer Zeit befreundet und derselben Sache dienend, kamen überein, die alten Bande durch ein neues, engeres Band zu befestigen.</p><lb/> <p>Es war am 11. Mai 1650, als Archibald, ältester Sohn des Grafen von Argyle, mit seiner Braut, der Tochter des Grafen von Moray, zum Altare trat. Die Hochzeit wurde in Moray-House gefeiert; Festlichkeit folgte auf Festlichkeit; die ganze Stadt nahm Theil an der Freude beider Häuser. Die Festlichkeiten waren eben auf ihrer Höhe, als die Nachricht durch die Stadt lief, Montrose sei gefangen und werde eingebracht. Fast gleichzeitig mit der Nachricht kam er selbst. Man hatte ihn in Leith auf eine abgetriebene alte Mähre gesetzt, um ihn in diesem erniedrigenden Aufzuge durch die Straßen Edinburgs zu führen. Er hielt jetzt am Eingange von Canongate. Dem Haß des Pöbels aber genügte dieser Aufzug nicht und eine Art Schlitten wurde her-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [63/0077]
der sich an den vier Fenstern der Bel-Etage entlang zieht. Die Geschichte, die sich hier zutrug, ist folgende:
Die puritanische Sache hatte triumphirt, die Königlichen unter Montrose waren geschlagen. Auf denselben Haiden, auf denen wenige Jahre zuvor der siegreiche Montrose den puritanischen Grafen von Argyle gejagt hatte, jagten jetzt die Leute Argyle’s den umherirrenden Montrose. Argyle selbst war in Edinburg, jeder Tag konnte die Nachricht bringen vom Tode oder von der Gefangennehmung seines Gegners; der Sieg war da und Freude und Hochzeit sollte diesen Sieg beschließen. Die Häuser Moray und Argyle, seit langer Zeit befreundet und derselben Sache dienend, kamen überein, die alten Bande durch ein neues, engeres Band zu befestigen.
Es war am 11. Mai 1650, als Archibald, ältester Sohn des Grafen von Argyle, mit seiner Braut, der Tochter des Grafen von Moray, zum Altare trat. Die Hochzeit wurde in Moray-House gefeiert; Festlichkeit folgte auf Festlichkeit; die ganze Stadt nahm Theil an der Freude beider Häuser. Die Festlichkeiten waren eben auf ihrer Höhe, als die Nachricht durch die Stadt lief, Montrose sei gefangen und werde eingebracht. Fast gleichzeitig mit der Nachricht kam er selbst. Man hatte ihn in Leith auf eine abgetriebene alte Mähre gesetzt, um ihn in diesem erniedrigenden Aufzuge durch die Straßen Edinburgs zu führen. Er hielt jetzt am Eingange von Canongate. Dem Haß des Pöbels aber genügte dieser Aufzug nicht und eine Art Schlitten wurde her-
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/77>, abgerufen am 22.07.2024. |