Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.auf. Um den Namen Adam Smith's scheint diese Begräbnißstätte durch einen Zufall oder eine Laune gekommen zu sein. Das Grab des Schöpfers der Nationalökonomie befindet sich seitab in einiger Entfernung vom Kirchhof. Kirchlicher Rigorismus kann dabei nicht maaßgebend gewesen sein, da Adam Smith auch in kirchlichen Dingen durchaus jene Harmlosigkeit zeigte, die ihm in allen Lebensbeziehungen eigen war. Von dieser Harmlosigkeit sei es mir gestattet, hier einen anekdotischen Zug als Probe einzuschalten. Der Verfasser des Reichthums der Nationen, der beiläufig bemerkt, wie fast alle Nationalökonomen, in der Verwaltung seiner eigenen Angelegenheiten hinter den bescheidensten Anforderungen zurückblieb, war unverheirathet, stand aber statt dessen unter der strengen Herrschaft einer Anverwandten, die ihm die Wirthschaft führte. Er hatte wenig Neigungen und Bedürfnisse, nur ein Stückchen Zucker liebte er dann und wann aus der Schaale zu naschen. Diese Neigung zu befriedigen war aber nicht immer leicht, da die Zuckerschaale unter der besonderen Aufsicht der Dame des Hauses stand. Er pflegte zu diesem Zwecke im Zimmer auf und ab zu gehen, die Anverwandte in ein Gespräch zu verwickeln und dabei abzuwarten, bis sie endlich der Schaale den Rücken zukehrte; diesen Moment benutzte er dann, um seinen Ueberfall mit Muth und Geschicklichkeit auszuführen. Unmittelbar neben der alten Kirche liegt das Gefängniß von Canongate, ein wenigstens um etwas bemerkens- auf. Um den Namen Adam Smith’s scheint diese Begräbnißstätte durch einen Zufall oder eine Laune gekommen zu sein. Das Grab des Schöpfers der Nationalökonomie befindet sich seitab in einiger Entfernung vom Kirchhof. Kirchlicher Rigorismus kann dabei nicht maaßgebend gewesen sein, da Adam Smith auch in kirchlichen Dingen durchaus jene Harmlosigkeit zeigte, die ihm in allen Lebensbeziehungen eigen war. Von dieser Harmlosigkeit sei es mir gestattet, hier einen anekdotischen Zug als Probe einzuschalten. Der Verfasser des Reichthums der Nationen, der beiläufig bemerkt, wie fast alle Nationalökonomen, in der Verwaltung seiner eigenen Angelegenheiten hinter den bescheidensten Anforderungen zurückblieb, war unverheirathet, stand aber statt dessen unter der strengen Herrschaft einer Anverwandten, die ihm die Wirthschaft führte. Er hatte wenig Neigungen und Bedürfnisse, nur ein Stückchen Zucker liebte er dann und wann aus der Schaale zu naschen. Diese Neigung zu befriedigen war aber nicht immer leicht, da die Zuckerschaale unter der besonderen Aufsicht der Dame des Hauses stand. Er pflegte zu diesem Zwecke im Zimmer auf und ab zu gehen, die Anverwandte in ein Gespräch zu verwickeln und dabei abzuwarten, bis sie endlich der Schaale den Rücken zukehrte; diesen Moment benutzte er dann, um seinen Ueberfall mit Muth und Geschicklichkeit auszuführen. Unmittelbar neben der alten Kirche liegt das Gefängniß von Canongate, ein wenigstens um etwas bemerkens- <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0050" n="36"/> auf. Um den Namen Adam Smith’s scheint diese Begräbnißstätte durch einen Zufall oder eine Laune gekommen zu sein. Das Grab des Schöpfers der Nationalökonomie befindet sich seitab in einiger Entfernung vom Kirchhof. Kirchlicher Rigorismus kann dabei nicht maaßgebend gewesen sein, da Adam Smith auch in kirchlichen Dingen durchaus jene Harmlosigkeit zeigte, die ihm in allen Lebensbeziehungen eigen war. Von dieser Harmlosigkeit sei es mir gestattet, hier einen anekdotischen Zug als Probe einzuschalten. Der Verfasser des Reichthums der Nationen, der beiläufig bemerkt, wie fast alle Nationalökonomen, in der Verwaltung seiner eigenen Angelegenheiten hinter den bescheidensten Anforderungen zurückblieb, war unverheirathet, stand aber statt dessen unter der strengen Herrschaft einer Anverwandten, die ihm die Wirthschaft führte. Er hatte wenig Neigungen und Bedürfnisse, nur ein Stückchen Zucker liebte er dann und wann aus der Schaale zu naschen. Diese Neigung zu befriedigen war aber nicht immer leicht, da die Zuckerschaale unter der besonderen Aufsicht der Dame des Hauses stand. Er pflegte zu diesem Zwecke im Zimmer auf und ab zu gehen, die Anverwandte in ein Gespräch zu verwickeln und dabei abzuwarten, bis sie endlich der Schaale den Rücken zukehrte; diesen Moment benutzte er dann, um seinen Ueberfall mit Muth und Geschicklichkeit auszuführen.</p><lb/> <p>Unmittelbar neben der alten Kirche liegt das Gefängniß von Canongate, ein wenigstens um etwas bemerkens-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [36/0050]
auf. Um den Namen Adam Smith’s scheint diese Begräbnißstätte durch einen Zufall oder eine Laune gekommen zu sein. Das Grab des Schöpfers der Nationalökonomie befindet sich seitab in einiger Entfernung vom Kirchhof. Kirchlicher Rigorismus kann dabei nicht maaßgebend gewesen sein, da Adam Smith auch in kirchlichen Dingen durchaus jene Harmlosigkeit zeigte, die ihm in allen Lebensbeziehungen eigen war. Von dieser Harmlosigkeit sei es mir gestattet, hier einen anekdotischen Zug als Probe einzuschalten. Der Verfasser des Reichthums der Nationen, der beiläufig bemerkt, wie fast alle Nationalökonomen, in der Verwaltung seiner eigenen Angelegenheiten hinter den bescheidensten Anforderungen zurückblieb, war unverheirathet, stand aber statt dessen unter der strengen Herrschaft einer Anverwandten, die ihm die Wirthschaft führte. Er hatte wenig Neigungen und Bedürfnisse, nur ein Stückchen Zucker liebte er dann und wann aus der Schaale zu naschen. Diese Neigung zu befriedigen war aber nicht immer leicht, da die Zuckerschaale unter der besonderen Aufsicht der Dame des Hauses stand. Er pflegte zu diesem Zwecke im Zimmer auf und ab zu gehen, die Anverwandte in ein Gespräch zu verwickeln und dabei abzuwarten, bis sie endlich der Schaale den Rücken zukehrte; diesen Moment benutzte er dann, um seinen Ueberfall mit Muth und Geschicklichkeit auszuführen.
Unmittelbar neben der alten Kirche liegt das Gefängniß von Canongate, ein wenigstens um etwas bemerkens-
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/50>, abgerufen am 22.07.2024. |