Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.Unmittelbar hinter diesem Acker halten wir uns rechts und biegen in eine aus ärmlichen und zerstreuten Häusern bestehende Straße ein, die uns innerhalb weniger Minuten vor das Portal des Palastes führt. Ehe wir dasselbe erreichen, werden wir durch einen jungen Schotten der uns begleitet, auf das Badehaus der Maria Stuart aufmerksam gemacht. Wiewohl sein Finger eine ganz bestimmte Richtung angiebt, so fragen wir doch "wo?" Aber die halb erschrockene Frage ändert nichts und die Fingerspitze deutet unverrückt auf ein kleines, halb backofenartiges Eckhaus das wir eher für das Waschhaus einer armen Frau, als für das Badehaus einer Königin halten würden. Es ist so niedrig, daß man die Hand auf die untersten Dachziegel legen kann und ein etwas vorspringender klumphafter Giebel, der dem Ganzen das Ansehen giebt, als ob ein dicker Mann auf den Schultern eines dünnen säße, ist nicht angethan, der Erscheinung einen gesteigerten Reiz zu leihen. Kopfschüttelnd darüber, daß so viel Schönheit hinter solchen Mauern heimisch gewesen sein soll, schreiten wir weiter, erreichen nach kaum hundert Schritten eine platzartige Auffahrt, machen linksum und stehen in Front des Palastes. Der Palast ist ein Viereck von mäßigen Proportionen, ziemlich niedrig, an den beiden hausartig vorspringenden Frontecken von je vier Spitzthürmen flankirt; das Ganze ohne Styl, ohne Schönheit, ohne Stattlichkeit, aber doch nicht geradezu häßlich und unverkennbar mit jenen Zügen ausgestattet, die eine Physiognomie interessant machen. Unmittelbar hinter diesem Acker halten wir uns rechts und biegen in eine aus ärmlichen und zerstreuten Häusern bestehende Straße ein, die uns innerhalb weniger Minuten vor das Portal des Palastes führt. Ehe wir dasselbe erreichen, werden wir durch einen jungen Schotten der uns begleitet, auf das Badehaus der Maria Stuart aufmerksam gemacht. Wiewohl sein Finger eine ganz bestimmte Richtung angiebt, so fragen wir doch „wo?“ Aber die halb erschrockene Frage ändert nichts und die Fingerspitze deutet unverrückt auf ein kleines, halb backofenartiges Eckhaus das wir eher für das Waschhaus einer armen Frau, als für das Badehaus einer Königin halten würden. Es ist so niedrig, daß man die Hand auf die untersten Dachziegel legen kann und ein etwas vorspringender klumphafter Giebel, der dem Ganzen das Ansehen giebt, als ob ein dicker Mann auf den Schultern eines dünnen säße, ist nicht angethan, der Erscheinung einen gesteigerten Reiz zu leihen. Kopfschüttelnd darüber, daß so viel Schönheit hinter solchen Mauern heimisch gewesen sein soll, schreiten wir weiter, erreichen nach kaum hundert Schritten eine platzartige Auffahrt, machen linksum und stehen in Front des Palastes. Der Palast ist ein Viereck von mäßigen Proportionen, ziemlich niedrig, an den beiden hausartig vorspringenden Frontecken von je vier Spitzthürmen flankirt; das Ganze ohne Styl, ohne Schönheit, ohne Stattlichkeit, aber doch nicht geradezu häßlich und unverkennbar mit jenen Zügen ausgestattet, die eine Physiognomie interessant machen. <TEI> <text> <body> <div> <div> <pb facs="#f0033" n="19"/> <p>Unmittelbar hinter diesem Acker halten wir uns rechts und biegen in eine aus ärmlichen und zerstreuten Häusern bestehende Straße ein, die uns innerhalb weniger Minuten vor das Portal des Palastes führt. Ehe wir dasselbe erreichen, werden wir durch einen jungen Schotten der uns begleitet, auf das <hi rendition="#g">Badehaus der Maria Stuart</hi> aufmerksam gemacht. Wiewohl sein Finger eine ganz bestimmte Richtung angiebt, so fragen wir doch „wo?“ Aber die halb erschrockene Frage ändert nichts und die Fingerspitze deutet unverrückt auf ein kleines, halb backofenartiges Eckhaus das wir eher für das Waschhaus einer armen Frau, als für das Badehaus einer Königin halten würden. Es ist so niedrig, daß man die Hand auf die untersten Dachziegel legen kann und ein etwas vorspringender klumphafter Giebel, der dem Ganzen das Ansehen giebt, als ob ein dicker Mann auf den Schultern eines dünnen säße, ist nicht angethan, der Erscheinung einen gesteigerten Reiz zu leihen. Kopfschüttelnd darüber, daß so viel Schönheit hinter solchen Mauern heimisch gewesen sein soll, schreiten wir weiter, erreichen nach kaum hundert Schritten eine platzartige Auffahrt, machen linksum und stehen in Front des Palastes. </p><lb/> <p>Der Palast ist ein Viereck von mäßigen Proportionen, ziemlich niedrig, an den beiden hausartig vorspringenden Frontecken von je vier Spitzthürmen flankirt; das Ganze ohne Styl, ohne Schönheit, ohne Stattlichkeit, aber doch nicht geradezu häßlich und unverkennbar mit jenen Zügen ausgestattet, die eine Physiognomie interessant machen.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [19/0033]
Unmittelbar hinter diesem Acker halten wir uns rechts und biegen in eine aus ärmlichen und zerstreuten Häusern bestehende Straße ein, die uns innerhalb weniger Minuten vor das Portal des Palastes führt. Ehe wir dasselbe erreichen, werden wir durch einen jungen Schotten der uns begleitet, auf das Badehaus der Maria Stuart aufmerksam gemacht. Wiewohl sein Finger eine ganz bestimmte Richtung angiebt, so fragen wir doch „wo?“ Aber die halb erschrockene Frage ändert nichts und die Fingerspitze deutet unverrückt auf ein kleines, halb backofenartiges Eckhaus das wir eher für das Waschhaus einer armen Frau, als für das Badehaus einer Königin halten würden. Es ist so niedrig, daß man die Hand auf die untersten Dachziegel legen kann und ein etwas vorspringender klumphafter Giebel, der dem Ganzen das Ansehen giebt, als ob ein dicker Mann auf den Schultern eines dünnen säße, ist nicht angethan, der Erscheinung einen gesteigerten Reiz zu leihen. Kopfschüttelnd darüber, daß so viel Schönheit hinter solchen Mauern heimisch gewesen sein soll, schreiten wir weiter, erreichen nach kaum hundert Schritten eine platzartige Auffahrt, machen linksum und stehen in Front des Palastes.
Der Palast ist ein Viereck von mäßigen Proportionen, ziemlich niedrig, an den beiden hausartig vorspringenden Frontecken von je vier Spitzthürmen flankirt; das Ganze ohne Styl, ohne Schönheit, ohne Stattlichkeit, aber doch nicht geradezu häßlich und unverkennbar mit jenen Zügen ausgestattet, die eine Physiognomie interessant machen.
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/33>, abgerufen am 22.07.2024. |