Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.höchsten Ansprüche zu machen beginnt, und entweder gewaltige Proportionen oder ein besonderes Maaß von Schönheit verlangt. Diese Schönheit besitzt Staffa, aber nicht nach außen hin; es verbirgt sie in seinem Innern. Wir hatten mittlerweile die Südspitze der Insel erreicht und fuhren zwischen zwei stumpfwinklig auf einander gestellten Basalt-Molos in eine Art Wasservorhof ein, der die Auffahrt zur berühmten Fingalshöhle bildet. Hier entscheidet man sich, ob man durch das kaum noch zehn Schritt entfernte Felsenportal in die prächtig dahinter liegende Höhle einfahren und vom Boot aus die Schönheit derselben auf sich wirken lassen will, oder ob man es vorzieht, auszusteigen und den Rundgang an den Wänden der Höhle hin zu Fuß zu machen. Man wählt gewöhnlich das letztere, weil es lohnender ist und viel mannigfachere Bilder gibt. Wir sprangen also an's Ufer und sahen von einer Seitwärtsstellung aus durch das Portal hindurch in die Fingalshöhle hinein. Diese Höhle zu beschreiben, wird jederzeit große Schwierigkeiten haben; nichtsdestoweniger sei es versucht. Bevor ich beginne, rufe ich dem Leser die Naturbeschaffenheit Staffas und den Unterwühlungsproceß in's Gedächtniß zurück, den unmittelbar nach Bildung der Insel selbst der Ocean mit ihr begonnen und bis diese Stunde fortgesetzt hat. Staffa, als Gott Vulkan sein Werk gethan und zehn- oder hunderttausend Basaltsäulen an dieser Stelle an's Licht geschickt hatte, höchsten Ansprüche zu machen beginnt, und entweder gewaltige Proportionen oder ein besonderes Maaß von Schönheit verlangt. Diese Schönheit besitzt Staffa, aber nicht nach außen hin; es verbirgt sie in seinem Innern. Wir hatten mittlerweile die Südspitze der Insel erreicht und fuhren zwischen zwei stumpfwinklig auf einander gestellten Basalt-Molos in eine Art Wasservorhof ein, der die Auffahrt zur berühmten Fingalshöhle bildet. Hier entscheidet man sich, ob man durch das kaum noch zehn Schritt entfernte Felsenportal in die prächtig dahinter liegende Höhle einfahren und vom Boot aus die Schönheit derselben auf sich wirken lassen will, oder ob man es vorzieht, auszusteigen und den Rundgang an den Wänden der Höhle hin zu Fuß zu machen. Man wählt gewöhnlich das letztere, weil es lohnender ist und viel mannigfachere Bilder gibt. Wir sprangen also an’s Ufer und sahen von einer Seitwärtsstellung aus durch das Portal hindurch in die Fingalshöhle hinein. Diese Höhle zu beschreiben, wird jederzeit große Schwierigkeiten haben; nichtsdestoweniger sei es versucht. Bevor ich beginne, rufe ich dem Leser die Naturbeschaffenheit Staffas und den Unterwühlungsproceß in’s Gedächtniß zurück, den unmittelbar nach Bildung der Insel selbst der Ocean mit ihr begonnen und bis diese Stunde fortgesetzt hat. Staffa, als Gott Vulkan sein Werk gethan und zehn- oder hunderttausend Basaltsäulen an dieser Stelle an’s Licht geschickt hatte, <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0295" n="281"/> höchsten Ansprüche zu machen beginnt, und entweder gewaltige Proportionen oder ein besonderes Maaß von Schönheit verlangt. Diese Schönheit besitzt Staffa, aber nicht nach <hi rendition="#g">außen</hi> hin; es verbirgt sie in seinem Innern.</p><lb/> <p>Wir hatten mittlerweile die Südspitze der Insel erreicht und fuhren zwischen zwei stumpfwinklig auf einander gestellten Basalt-Molos in eine Art Wasservorhof ein, der die Auffahrt zur berühmten <hi rendition="#g">Fingalshöhle</hi> bildet. Hier entscheidet man sich, ob man durch das kaum noch zehn Schritt entfernte Felsenportal in die prächtig dahinter liegende Höhle einfahren und vom Boot aus die Schönheit derselben auf sich wirken lassen will, oder ob man es vorzieht, auszusteigen und den Rundgang an den Wänden der Höhle hin <hi rendition="#g">zu Fuß</hi> zu machen. Man wählt gewöhnlich das letztere, weil es lohnender ist und viel mannigfachere Bilder gibt.</p><lb/> <p>Wir sprangen also an’s Ufer und sahen von einer Seitwärtsstellung aus durch das Portal hindurch in die Fingalshöhle hinein. Diese Höhle zu beschreiben, wird jederzeit große Schwierigkeiten haben; nichtsdestoweniger sei es versucht. Bevor ich beginne, rufe ich dem Leser die Naturbeschaffenheit Staffas und den Unterwühlungsproceß in’s Gedächtniß zurück, den unmittelbar nach Bildung der Insel selbst der Ocean mit ihr begonnen und bis diese Stunde fortgesetzt hat. Staffa, als Gott Vulkan sein Werk gethan und zehn- oder hunderttausend Basaltsäulen an dieser Stelle an’s Licht geschickt hatte,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [281/0295]
höchsten Ansprüche zu machen beginnt, und entweder gewaltige Proportionen oder ein besonderes Maaß von Schönheit verlangt. Diese Schönheit besitzt Staffa, aber nicht nach außen hin; es verbirgt sie in seinem Innern.
Wir hatten mittlerweile die Südspitze der Insel erreicht und fuhren zwischen zwei stumpfwinklig auf einander gestellten Basalt-Molos in eine Art Wasservorhof ein, der die Auffahrt zur berühmten Fingalshöhle bildet. Hier entscheidet man sich, ob man durch das kaum noch zehn Schritt entfernte Felsenportal in die prächtig dahinter liegende Höhle einfahren und vom Boot aus die Schönheit derselben auf sich wirken lassen will, oder ob man es vorzieht, auszusteigen und den Rundgang an den Wänden der Höhle hin zu Fuß zu machen. Man wählt gewöhnlich das letztere, weil es lohnender ist und viel mannigfachere Bilder gibt.
Wir sprangen also an’s Ufer und sahen von einer Seitwärtsstellung aus durch das Portal hindurch in die Fingalshöhle hinein. Diese Höhle zu beschreiben, wird jederzeit große Schwierigkeiten haben; nichtsdestoweniger sei es versucht. Bevor ich beginne, rufe ich dem Leser die Naturbeschaffenheit Staffas und den Unterwühlungsproceß in’s Gedächtniß zurück, den unmittelbar nach Bildung der Insel selbst der Ocean mit ihr begonnen und bis diese Stunde fortgesetzt hat. Staffa, als Gott Vulkan sein Werk gethan und zehn- oder hunderttausend Basaltsäulen an dieser Stelle an’s Licht geschickt hatte,
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/295>, abgerufen am 03.07.2024. |