Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.dreißig Mann, so war die Ordre. Es war schwere Arbeit. Dann kamen fünf schlechte Jahre für unser Dorf. Der Weizen schoß mannshoch in die Höh', aber alle Körner waren verbrannt. Dann wurd' es besser; jetzt haben wir gute Zeit." So erzählte damals der Todtengräber, und seine Rede ist mir 20 Jahre lang im Gedächtniß geblieben; aber das Wachauer Feld hat kein bestimmtes Bild in mir zurückgelassen. Es ist ein Feld wie andere Felder. Der Pflug ist über den Boden hingegangen und hat Alles hinweggenommen, was sichtbar und handgreiflich an jenen blutigen Oktobertag erinnern könnte. Nicht so auf Culloden-Moor. Der Boden hatte hier keinen Werth, und so ließ man das Schlachtfeld fortbestehen. Wo doch kein Kornhalm aufgegangen wäre, war es keine Enthaltsamkeit, sich an den Gräbern der Todten nicht zu vergreifen. Sonst siegt das Ackerfeld über das Schlachtfeld; hier aber ist der grüne Rasen des Grabes Sieger geblieben. Das Rondel, das die Steinmauer einfaßt, zerfällt in zwei sehr verschiedene Hälften. Rechts vom Wege haben wir den Kirchhof, links die Monumente. Der Kirchhof besteht aus vier deutlich erkennbaren Gräberreihen, die in der Ausdehnung eines mäßigen Gartenbeetes fast parallel neben einander herlaufen. Zu Kopf und Fuß stehen Ginsterbüsche. Hier wurden die Frazer's, die Mac-Intosh, die Mac-Phersons und die Mac-Donald's bestattet. Ob diese Angabe richtig ist, muß dahingestellt bleiben. Es sind dies nämlich die Namen jener vier dreißig Mann, so war die Ordre. Es war schwere Arbeit. Dann kamen fünf schlechte Jahre für unser Dorf. Der Weizen schoß mannshoch in die Höh’, aber alle Körner waren verbrannt. Dann wurd’ es besser; jetzt haben wir gute Zeit.“ So erzählte damals der Todtengräber, und seine Rede ist mir 20 Jahre lang im Gedächtniß geblieben; aber das Wachauer Feld hat kein bestimmtes Bild in mir zurückgelassen. Es ist ein Feld wie andere Felder. Der Pflug ist über den Boden hingegangen und hat Alles hinweggenommen, was sichtbar und handgreiflich an jenen blutigen Oktobertag erinnern könnte. Nicht so auf Culloden-Moor. Der Boden hatte hier keinen Werth, und so ließ man das Schlachtfeld fortbestehen. Wo doch kein Kornhalm aufgegangen wäre, war es keine Enthaltsamkeit, sich an den Gräbern der Todten nicht zu vergreifen. Sonst siegt das Ackerfeld über das Schlachtfeld; hier aber ist der grüne Rasen des Grabes Sieger geblieben. Das Rondel, das die Steinmauer einfaßt, zerfällt in zwei sehr verschiedene Hälften. Rechts vom Wege haben wir den Kirchhof, links die Monumente. Der Kirchhof besteht aus vier deutlich erkennbaren Gräberreihen, die in der Ausdehnung eines mäßigen Gartenbeetes fast parallel neben einander herlaufen. Zu Kopf und Fuß stehen Ginsterbüsche. Hier wurden die Frazer’s, die Mac-Intosh, die Mac-Phersons und die Mac-Donald’s bestattet. Ob diese Angabe richtig ist, muß dahingestellt bleiben. Es sind dies nämlich die Namen jener vier <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0258" n="244"/> dreißig Mann, so war die Ordre. Es war schwere Arbeit. Dann kamen fünf schlechte Jahre für unser Dorf. Der Weizen schoß mannshoch in die Höh’, aber <hi rendition="#g">alle Körner waren verbrannt.</hi> Dann wurd’ es besser; jetzt haben wir gute Zeit.“ So erzählte damals der Todtengräber, und seine Rede ist mir 20 Jahre lang im Gedächtniß geblieben; aber das Wachauer <hi rendition="#g">Feld</hi> hat kein bestimmtes Bild in mir zurückgelassen. Es ist ein Feld wie andere Felder. Der Pflug ist über den Boden hingegangen und hat Alles hinweggenommen, was sichtbar und handgreiflich an jenen blutigen Oktobertag erinnern könnte. Nicht so auf Culloden-Moor. Der Boden hatte hier keinen Werth, und so ließ man das Schlachtfeld fortbestehen. Wo doch kein Kornhalm aufgegangen wäre, war es keine Enthaltsamkeit, sich an den Gräbern der Todten nicht zu vergreifen. Sonst siegt das Ackerfeld über das Schlachtfeld; hier aber ist der grüne Rasen des Grabes Sieger geblieben.</p><lb/> <p>Das Rondel, das die Steinmauer einfaßt, zerfällt in zwei sehr verschiedene Hälften. Rechts vom Wege haben wir den Kirchhof, links die Monumente. Der Kirchhof besteht aus vier deutlich erkennbaren Gräberreihen, die in der Ausdehnung eines mäßigen Gartenbeetes fast parallel neben einander herlaufen. Zu Kopf und Fuß stehen Ginsterbüsche. Hier wurden die Frazer’s, die Mac-Intosh, die Mac-Phersons und die Mac-Donald’s bestattet. Ob diese Angabe richtig ist, muß dahingestellt bleiben. Es sind dies nämlich die Namen jener vier<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [244/0258]
dreißig Mann, so war die Ordre. Es war schwere Arbeit. Dann kamen fünf schlechte Jahre für unser Dorf. Der Weizen schoß mannshoch in die Höh’, aber alle Körner waren verbrannt. Dann wurd’ es besser; jetzt haben wir gute Zeit.“ So erzählte damals der Todtengräber, und seine Rede ist mir 20 Jahre lang im Gedächtniß geblieben; aber das Wachauer Feld hat kein bestimmtes Bild in mir zurückgelassen. Es ist ein Feld wie andere Felder. Der Pflug ist über den Boden hingegangen und hat Alles hinweggenommen, was sichtbar und handgreiflich an jenen blutigen Oktobertag erinnern könnte. Nicht so auf Culloden-Moor. Der Boden hatte hier keinen Werth, und so ließ man das Schlachtfeld fortbestehen. Wo doch kein Kornhalm aufgegangen wäre, war es keine Enthaltsamkeit, sich an den Gräbern der Todten nicht zu vergreifen. Sonst siegt das Ackerfeld über das Schlachtfeld; hier aber ist der grüne Rasen des Grabes Sieger geblieben.
Das Rondel, das die Steinmauer einfaßt, zerfällt in zwei sehr verschiedene Hälften. Rechts vom Wege haben wir den Kirchhof, links die Monumente. Der Kirchhof besteht aus vier deutlich erkennbaren Gräberreihen, die in der Ausdehnung eines mäßigen Gartenbeetes fast parallel neben einander herlaufen. Zu Kopf und Fuß stehen Ginsterbüsche. Hier wurden die Frazer’s, die Mac-Intosh, die Mac-Phersons und die Mac-Donald’s bestattet. Ob diese Angabe richtig ist, muß dahingestellt bleiben. Es sind dies nämlich die Namen jener vier
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/258>, abgerufen am 22.07.2024. |