Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.Moorland dehnt sich meilenweit in nordöstlicher Richtung aus, und würde an sich selbst nicht verfehlen, durch seine Stille und Oede einen Eindruck auf den Reisenden zu machen, auch wenn man nicht wüßte, daß es ein Schlachtfeld und die Grabstätte so vieler tapferer Männer sei. Es erinnert in gewissem Sinne an das Steinfeld der Grampians, das ich in einem früheren Capitel beschrieben habe. Freilich fehlen hier die Züge, die jenem Steinfeld den Charakter des Großartigen leihen; aber die absolute Oede dieses meilenlangen Moors, darauf nicht Baum, nicht Strauch gedeiht, wirkt kaum minder ängstigend und bedrückend, auch ohne die Attribute eines besondern Schreckens. Es ist schwer zu sagen, was furchtbarer sei, die Einsamkeit auf einem stillen oder einem empörten Ocean. Die große östliche Fahrstraße nach Forres, Banff und Macduff, wie bereits hervorgehoben, führt mitten durch dieses Moor hindurch. Sie führt nicht bloß mitten durch das Moor, sondern auch mitten durch das Schlachtfeld. Alle Punkte, an denen mit Erbitterung gekämpft wurde, liegen dicht am Wege. Zunächst in unmittelbarer Nähe der Brücke passiren wir einen Thurm, der den Namen führt: the tower of the last encounter, d. h. Thurm der letzten Begegnung. Die nördlichen Clane, die ihre Flucht über Inverneß nahmen, setzten sich hier noch einmal zur Wehr. Aus welchem Grunde sie gerade diesen Punkt zur Wiederaufnahme des Kampfes wählten, ist schwer zu sagen, da das Terrain so un- Moorland dehnt sich meilenweit in nordöstlicher Richtung aus, und würde an sich selbst nicht verfehlen, durch seine Stille und Oede einen Eindruck auf den Reisenden zu machen, auch wenn man nicht wüßte, daß es ein Schlachtfeld und die Grabstätte so vieler tapferer Männer sei. Es erinnert in gewissem Sinne an das Steinfeld der Grampians, das ich in einem früheren Capitel beschrieben habe. Freilich fehlen hier die Züge, die jenem Steinfeld den Charakter des Großartigen leihen; aber die absolute Oede dieses meilenlangen Moors, darauf nicht Baum, nicht Strauch gedeiht, wirkt kaum minder ängstigend und bedrückend, auch ohne die Attribute eines besondern Schreckens. Es ist schwer zu sagen, was furchtbarer sei, die Einsamkeit auf einem stillen oder einem empörten Ocean. Die große östliche Fahrstraße nach Forres, Banff und Macduff, wie bereits hervorgehoben, führt mitten durch dieses Moor hindurch. Sie führt nicht bloß mitten durch das Moor, sondern auch mitten durch das Schlachtfeld. Alle Punkte, an denen mit Erbitterung gekämpft wurde, liegen dicht am Wege. Zunächst in unmittelbarer Nähe der Brücke passiren wir einen Thurm, der den Namen führt: the tower of the last encounter, d. h. Thurm der letzten Begegnung. Die nördlichen Clane, die ihre Flucht über Inverneß nahmen, setzten sich hier noch einmal zur Wehr. Aus welchem Grunde sie gerade diesen Punkt zur Wiederaufnahme des Kampfes wählten, ist schwer zu sagen, da das Terrain so un- <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0255" n="241"/> Moorland dehnt sich meilenweit in nordöstlicher Richtung aus, und würde an sich selbst nicht verfehlen, durch seine Stille und Oede einen Eindruck auf den Reisenden zu machen, auch wenn man nicht wüßte, daß es ein Schlachtfeld und die Grabstätte so vieler tapferer Männer sei. Es erinnert in gewissem Sinne an das Steinfeld der Grampians, das ich in einem früheren Capitel beschrieben habe. Freilich fehlen hier die Züge, die jenem Steinfeld den Charakter des Großartigen leihen; aber die absolute Oede dieses meilenlangen Moors, darauf nicht Baum, nicht Strauch gedeiht, wirkt kaum minder ängstigend und bedrückend, auch ohne die Attribute eines besondern Schreckens. Es ist schwer zu sagen, was furchtbarer sei, die Einsamkeit auf einem stillen oder einem empörten Ocean. </p><lb/> <p>Die große östliche Fahrstraße nach Forres, Banff und Macduff, wie bereits hervorgehoben, führt mitten durch dieses Moor hindurch. Sie führt nicht bloß mitten durch das Moor, sondern auch mitten durch das Schlachtfeld. Alle Punkte, an denen mit Erbitterung gekämpft wurde, liegen dicht am Wege. Zunächst in unmittelbarer Nähe der Brücke passiren wir einen Thurm, der den Namen führt: <hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="eng">the tower of the last encounter,</foreign></hi> d. h. Thurm der letzten Begegnung. Die nördlichen Clane, die ihre Flucht über Inverneß nahmen, setzten sich hier noch einmal zur Wehr. Aus welchem Grunde sie gerade diesen Punkt zur Wiederaufnahme des Kampfes wählten, ist schwer zu sagen, da das Terrain so un-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [241/0255]
Moorland dehnt sich meilenweit in nordöstlicher Richtung aus, und würde an sich selbst nicht verfehlen, durch seine Stille und Oede einen Eindruck auf den Reisenden zu machen, auch wenn man nicht wüßte, daß es ein Schlachtfeld und die Grabstätte so vieler tapferer Männer sei. Es erinnert in gewissem Sinne an das Steinfeld der Grampians, das ich in einem früheren Capitel beschrieben habe. Freilich fehlen hier die Züge, die jenem Steinfeld den Charakter des Großartigen leihen; aber die absolute Oede dieses meilenlangen Moors, darauf nicht Baum, nicht Strauch gedeiht, wirkt kaum minder ängstigend und bedrückend, auch ohne die Attribute eines besondern Schreckens. Es ist schwer zu sagen, was furchtbarer sei, die Einsamkeit auf einem stillen oder einem empörten Ocean.
Die große östliche Fahrstraße nach Forres, Banff und Macduff, wie bereits hervorgehoben, führt mitten durch dieses Moor hindurch. Sie führt nicht bloß mitten durch das Moor, sondern auch mitten durch das Schlachtfeld. Alle Punkte, an denen mit Erbitterung gekämpft wurde, liegen dicht am Wege. Zunächst in unmittelbarer Nähe der Brücke passiren wir einen Thurm, der den Namen führt: the tower of the last encounter, d. h. Thurm der letzten Begegnung. Die nördlichen Clane, die ihre Flucht über Inverneß nahmen, setzten sich hier noch einmal zur Wehr. Aus welchem Grunde sie gerade diesen Punkt zur Wiederaufnahme des Kampfes wählten, ist schwer zu sagen, da das Terrain so un-
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/255>, abgerufen am 18.06.2024. |