Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.nere Enttäuschung ohne Murren zu tragen. Aber etwas wollten wir wenigstens von unsern Strapatzen haben, und einzelne Feldsteinstücke aus dem alten Wallaceschloß herausbrechend, dessen Felsenkeller jetzt nur noch dem Perther Bier zu gute kommen, fingen wir an zu allerhand Wurfexercitien mit Fallberechnung zu schreiten. Weithin flogen die Steine, "eins, zwei, drei, vier" zählten wir in Secundenpausen, dann schlug unten der Stein auf und in den Tannen drunten schien es lebendig zu werden. Als hätten wir die heilige Mittagsruhe des Waldes unterbrochen, wurden allerhand Klagetöne laut, und ein Adler stieg auf, höher und höher, bis er endlich über unsern Häuptern schwebte und unser Spiel zu mustern schien. Dann, als wisse er, woran er sei, sank er mit ausgespannten Flügeln wieder in die Tiefe nieder, langsam und lautlos, wie er aufgestiegen war. Wir traten nun unsern Rückweg an, machten im Schatten einer Quelle Station, erlabten unsere Zunge, die fest am Gaumen klebte, durch einen frischen Trunk und saßen endlich wieder auf der Bank vor dem Gasthause, wo uns vier Stunden zuvor die junge Devonshire-Frau zu Mitwissern ihrer Geheimnisse und ihrer schottischen Antipathien gemacht hatte. Der Gang auf die Kinnoulhügel hatte uns nicht besonders befriedigt, aber hungrig hatte er uns gemacht, und das ist ein Segen, den man nicht unterschätzen soll. Eine halbe Stunde später meldete uns der Kellner: "If you please, gentlemen, dinner is ready," und wir traten nun in das nere Enttäuschung ohne Murren zu tragen. Aber etwas wollten wir wenigstens von unsern Strapatzen haben, und einzelne Feldsteinstücke aus dem alten Wallaceschloß herausbrechend, dessen Felsenkeller jetzt nur noch dem Perther Bier zu gute kommen, fingen wir an zu allerhand Wurfexercitien mit Fallberechnung zu schreiten. Weithin flogen die Steine, „eins, zwei, drei, vier“ zählten wir in Secundenpausen, dann schlug unten der Stein auf und in den Tannen drunten schien es lebendig zu werden. Als hätten wir die heilige Mittagsruhe des Waldes unterbrochen, wurden allerhand Klagetöne laut, und ein Adler stieg auf, höher und höher, bis er endlich über unsern Häuptern schwebte und unser Spiel zu mustern schien. Dann, als wisse er, woran er sei, sank er mit ausgespannten Flügeln wieder in die Tiefe nieder, langsam und lautlos, wie er aufgestiegen war. Wir traten nun unsern Rückweg an, machten im Schatten einer Quelle Station, erlabten unsere Zunge, die fest am Gaumen klebte, durch einen frischen Trunk und saßen endlich wieder auf der Bank vor dem Gasthause, wo uns vier Stunden zuvor die junge Devonshire-Frau zu Mitwissern ihrer Geheimnisse und ihrer schottischen Antipathien gemacht hatte. Der Gang auf die Kinnoulhügel hatte uns nicht besonders befriedigt, aber hungrig hatte er uns gemacht, und das ist ein Segen, den man nicht unterschätzen soll. Eine halbe Stunde später meldete uns der Kellner: „If you please, gentlemen, dinner is ready,“ und wir traten nun in das <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0218" n="204"/> nere Enttäuschung ohne Murren zu tragen. Aber etwas wollten wir wenigstens von unsern Strapatzen haben, und einzelne Feldsteinstücke aus dem alten Wallaceschloß herausbrechend, dessen Felsenkeller jetzt nur noch dem Perther Bier zu gute kommen, fingen wir an zu allerhand Wurfexercitien mit Fallberechnung zu schreiten. Weithin flogen die Steine, „eins, zwei, drei, vier“ zählten wir in Secundenpausen, dann schlug unten der Stein auf und in den Tannen drunten schien es lebendig zu werden. Als hätten wir die heilige Mittagsruhe des Waldes unterbrochen, wurden allerhand Klagetöne laut, und ein Adler stieg auf, höher und höher, bis er endlich über unsern Häuptern schwebte und unser Spiel zu mustern schien. Dann, als wisse er, woran er sei, sank er mit ausgespannten Flügeln wieder in die Tiefe nieder, langsam und lautlos, wie er aufgestiegen war. </p><lb/> <p>Wir traten nun unsern Rückweg an, machten im Schatten einer Quelle Station, erlabten unsere Zunge, die fest am Gaumen klebte, durch einen frischen Trunk und saßen endlich wieder auf der Bank vor dem Gasthause, wo uns vier Stunden zuvor die junge Devonshire-Frau zu Mitwissern ihrer Geheimnisse und ihrer schottischen Antipathien gemacht hatte. Der Gang auf die Kinnoulhügel hatte uns nicht besonders befriedigt, aber hungrig hatte er uns gemacht, und das ist ein Segen, den man nicht unterschätzen soll. Eine halbe Stunde später meldete uns der Kellner: <hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="eng">„If you please, gentlemen, dinner is ready,“</foreign></hi> und wir traten nun in das<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [204/0218]
nere Enttäuschung ohne Murren zu tragen. Aber etwas wollten wir wenigstens von unsern Strapatzen haben, und einzelne Feldsteinstücke aus dem alten Wallaceschloß herausbrechend, dessen Felsenkeller jetzt nur noch dem Perther Bier zu gute kommen, fingen wir an zu allerhand Wurfexercitien mit Fallberechnung zu schreiten. Weithin flogen die Steine, „eins, zwei, drei, vier“ zählten wir in Secundenpausen, dann schlug unten der Stein auf und in den Tannen drunten schien es lebendig zu werden. Als hätten wir die heilige Mittagsruhe des Waldes unterbrochen, wurden allerhand Klagetöne laut, und ein Adler stieg auf, höher und höher, bis er endlich über unsern Häuptern schwebte und unser Spiel zu mustern schien. Dann, als wisse er, woran er sei, sank er mit ausgespannten Flügeln wieder in die Tiefe nieder, langsam und lautlos, wie er aufgestiegen war.
Wir traten nun unsern Rückweg an, machten im Schatten einer Quelle Station, erlabten unsere Zunge, die fest am Gaumen klebte, durch einen frischen Trunk und saßen endlich wieder auf der Bank vor dem Gasthause, wo uns vier Stunden zuvor die junge Devonshire-Frau zu Mitwissern ihrer Geheimnisse und ihrer schottischen Antipathien gemacht hatte. Der Gang auf die Kinnoulhügel hatte uns nicht besonders befriedigt, aber hungrig hatte er uns gemacht, und das ist ein Segen, den man nicht unterschätzen soll. Eine halbe Stunde später meldete uns der Kellner: „If you please, gentlemen, dinner is ready,“ und wir traten nun in das
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/218>, abgerufen am 22.07.2024. |