Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.zu fast geschlossen, nach vorn hin, wie durch einen grünumrankten Rahmen, einen Durchblick auf den See gestattet. Das Ganze ist ein Kabinetsstück landschaftlicher Schönheit, und Walter Scott wußte wohl, was er that, als er an diesem Punkt den Kahn der Ellen Douglas landen und den König aus dem Gebüsch des Ufers hervortreten ließ. Die Lokalität scheint eine romantische Dichtung fast wie herauszufordern, und keine Jungfrau vom See kann hier an's Land springen, ohne auf Augenblicke für die Seejungfrau selber gehalten zu werden. Es war die unromantischste Stunde von der Welt, (2 Uhr Nachmittags und alle Mann hungrig), als wir, den Bergpfad herabkommend, hier in das am Ufer liegende Dampfschiff stiegen, das die Fahrten über den See hin und zurück macht. Es heißt hier alles Mac Gregor: der nacktbeinige Junge, der seine Führerdienste uns aufdringt, die beiden Alten, die unser Gepäck an Bord des Steamers bringen, und natürlich auch der Steamer selber. Aber ein bischen Absichtlichkeit und Spekulation auf hochlandsdurstige "Southrons" kann man hier schon ertragen; die Buchen am Fuße des Benvenue strecken ihre Zweige weit in den See hinein und unter dem Laubdach liegt unser Steamer und spritzt von Zeit zu Zeit einen schillernden Wasserregen durch all das Blatt- und Zweigwerk hindurch. Jetzt das Zeichen mit der Glocke, und aus der schattigen Kühle hervor gleiten wir zu fast geschlossen, nach vorn hin, wie durch einen grünumrankten Rahmen, einen Durchblick auf den See gestattet. Das Ganze ist ein Kabinetsstück landschaftlicher Schönheit, und Walter Scott wußte wohl, was er that, als er an diesem Punkt den Kahn der Ellen Douglas landen und den König aus dem Gebüsch des Ufers hervortreten ließ. Die Lokalität scheint eine romantische Dichtung fast wie herauszufordern, und keine Jungfrau vom See kann hier an’s Land springen, ohne auf Augenblicke für die Seejungfrau selber gehalten zu werden. Es war die unromantischste Stunde von der Welt, (2 Uhr Nachmittags und alle Mann hungrig), als wir, den Bergpfad herabkommend, hier in das am Ufer liegende Dampfschiff stiegen, das die Fahrten über den See hin und zurück macht. Es heißt hier alles Mac Gregor: der nacktbeinige Junge, der seine Führerdienste uns aufdringt, die beiden Alten, die unser Gepäck an Bord des Steamers bringen, und natürlich auch der Steamer selber. Aber ein bischen Absichtlichkeit und Spekulation auf hochlandsdurstige „Southrons“ kann man hier schon ertragen; die Buchen am Fuße des Benvenue strecken ihre Zweige weit in den See hinein und unter dem Laubdach liegt unser Steamer und spritzt von Zeit zu Zeit einen schillernden Wasserregen durch all das Blatt- und Zweigwerk hindurch. Jetzt das Zeichen mit der Glocke, und aus der schattigen Kühle hervor gleiten wir <TEI> <text> <body> <div> <div> <div> <p><pb facs="#f0206" n="192"/> zu fast geschlossen, nach vorn hin, wie durch einen grünumrankten Rahmen, einen Durchblick auf den See gestattet. Das Ganze ist ein Kabinetsstück landschaftlicher Schönheit, und Walter Scott wußte wohl, was er that, als er an <hi rendition="#g">diesem</hi> Punkt den Kahn der Ellen Douglas landen und den König aus dem Gebüsch des Ufers hervortreten ließ. Die Lokalität scheint eine romantische Dichtung fast wie herauszufordern, und keine Jungfrau vom See kann hier an’s Land springen, ohne auf Augenblicke für die Seejungfrau selber gehalten zu werden.</p><lb/> <p>Es war die unromantischste Stunde von der Welt, (2 Uhr Nachmittags und alle Mann hungrig), als wir, den Bergpfad herabkommend, hier in das am Ufer liegende Dampfschiff stiegen, das die Fahrten über den See hin und zurück macht. Es heißt hier alles Mac Gregor: der nacktbeinige Junge, der seine Führerdienste uns aufdringt, die beiden Alten, die unser Gepäck an Bord des Steamers bringen, und natürlich auch der Steamer selber. Aber ein bischen Absichtlichkeit und Spekulation auf hochlandsdurstige „Southrons“ kann man hier schon ertragen; die Buchen am Fuße des Benvenue strecken ihre Zweige weit in den See hinein und unter dem Laubdach liegt unser Steamer und spritzt von Zeit zu Zeit einen schillernden Wasserregen durch all das Blatt- und Zweigwerk hindurch. Jetzt das Zeichen mit der Glocke, und aus der schattigen Kühle hervor gleiten wir<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [192/0206]
zu fast geschlossen, nach vorn hin, wie durch einen grünumrankten Rahmen, einen Durchblick auf den See gestattet. Das Ganze ist ein Kabinetsstück landschaftlicher Schönheit, und Walter Scott wußte wohl, was er that, als er an diesem Punkt den Kahn der Ellen Douglas landen und den König aus dem Gebüsch des Ufers hervortreten ließ. Die Lokalität scheint eine romantische Dichtung fast wie herauszufordern, und keine Jungfrau vom See kann hier an’s Land springen, ohne auf Augenblicke für die Seejungfrau selber gehalten zu werden.
Es war die unromantischste Stunde von der Welt, (2 Uhr Nachmittags und alle Mann hungrig), als wir, den Bergpfad herabkommend, hier in das am Ufer liegende Dampfschiff stiegen, das die Fahrten über den See hin und zurück macht. Es heißt hier alles Mac Gregor: der nacktbeinige Junge, der seine Führerdienste uns aufdringt, die beiden Alten, die unser Gepäck an Bord des Steamers bringen, und natürlich auch der Steamer selber. Aber ein bischen Absichtlichkeit und Spekulation auf hochlandsdurstige „Southrons“ kann man hier schon ertragen; die Buchen am Fuße des Benvenue strecken ihre Zweige weit in den See hinein und unter dem Laubdach liegt unser Steamer und spritzt von Zeit zu Zeit einen schillernden Wasserregen durch all das Blatt- und Zweigwerk hindurch. Jetzt das Zeichen mit der Glocke, und aus der schattigen Kühle hervor gleiten wir
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/206>, abgerufen am 22.07.2024. |