Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.breitet. Schottland selbst besitzt ihrer zwei, von denen die eine jetzt vor uns steht. Ich sah diese alte, berühmt gewordene Waffe hier zum erstenmal. Sie hat nichts von einer Axt, sondern entspricht genau den gradlinigen polnischen Sensen, von denen sie sich nur durch einen Haken unterscheidet, der in halber Höhe des Senserückens aus demselben hervorwächst. Es muß überraschen, daß Als Freund B. und ich ein paar Worte in diesem Sinne wechselten, horchte Mr. Wood auf und sagte dann lächelnd: "Ah, deutsch; hab' eine Frau von Deutschland, wird sich sehr freuen." Mit diesen Worten lief er bis zur Treppe und rief hinunter: "Anne, please come upstairs, some gentlemen want to speak to you" Antwort schallte zurück und im nächsten Augenblick kam eine muntere Frau auf uns zu, blond, freundlich, gesprächig, aber freilich durchaus nicht angethan, den englischen Glauben zu widerlegen, daß die Einheit Deutschlands nur in einem Punkte vorhanden sei: in der Unschönheit seiner Bewohner. Sei dem wie ihm sei, die liebenswürdige Freundlichkeit der Frau läßt uns nicht Zeit zu dem freilich gerechtfertigten Wunsche, daß deutscher Frauenreiz jenseits des Tweed etwas glän- breitet. Schottland selbst besitzt ihrer zwei, von denen die eine jetzt vor uns steht. Ich sah diese alte, berühmt gewordene Waffe hier zum erstenmal. Sie hat nichts von einer Axt, sondern entspricht genau den gradlinigen polnischen Sensen, von denen sie sich nur durch einen Haken unterscheidet, der in halber Höhe des Senserückens aus demselben hervorwächst. Es muß überraschen, daß Als Freund B. und ich ein paar Worte in diesem Sinne wechselten, horchte Mr. Wood auf und sagte dann lächelnd: „Ah, deutsch; hab’ eine Frau von Deutschland, wird sich sehr freuen.“ Mit diesen Worten lief er bis zur Treppe und rief hinunter: „Anne, please come upstairs, some gentlemen want to speak to you“ Antwort schallte zurück und im nächsten Augenblick kam eine muntere Frau auf uns zu, blond, freundlich, gesprächig, aber freilich durchaus nicht angethan, den englischen Glauben zu widerlegen, daß die Einheit Deutschlands nur in einem Punkte vorhanden sei: in der Unschönheit seiner Bewohner. Sei dem wie ihm sei, die liebenswürdige Freundlichkeit der Frau läßt uns nicht Zeit zu dem freilich gerechtfertigten Wunsche, daß deutscher Frauenreiz jenseits des Tweed etwas glän- <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0185" n="171"/> breitet. Schottland selbst besitzt ihrer zwei, von denen die eine jetzt vor uns steht. Ich sah diese alte, berühmt gewordene Waffe hier zum erstenmal. Sie hat nichts von einer Axt, sondern entspricht genau den gradlinigen <hi rendition="#g">polnischen Sensen</hi>, von denen sie sich nur durch einen Haken unterscheidet, der in halber Höhe des Senserückens aus demselben hervorwächst. Es muß überraschen, daß<lb/> es zweimal in der Geschichte, unter Verhältnissen, die sich innerlich ebenso verwandt waren, wie sie äußerlich sich fernstanden, dieser Sensenwaffe vorbehalten war, eine Art Sinnbild jenes Schreckens zu werden, den Muth und Vaterlandsliebe in die Reihen eines sonst siegreichen Feindes trugen.</p><lb/> <p>Als Freund B. und ich ein paar Worte in diesem Sinne wechselten, horchte Mr. Wood auf und sagte dann lächelnd: „Ah, deutsch; hab’ eine Frau von Deutschland, wird sich sehr freuen.“ Mit diesen Worten lief er bis zur Treppe und rief hinunter: <hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="eng">„Anne, please come upstairs, some gentlemen want to speak to you</foreign><choice><sic> </sic><corr>“</corr></choice></hi> Antwort schallte zurück und im nächsten Augenblick kam eine muntere Frau auf uns zu, blond, freundlich, gesprächig, aber freilich durchaus nicht angethan, den englischen Glauben zu widerlegen, daß die Einheit Deutschlands nur in einem Punkte vorhanden sei: in der Unschönheit seiner Bewohner. Sei dem wie ihm sei, die liebenswürdige Freundlichkeit der Frau läßt uns nicht Zeit zu dem freilich gerechtfertigten Wunsche, daß deutscher Frauenreiz jenseits des Tweed etwas glän-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [171/0185]
breitet. Schottland selbst besitzt ihrer zwei, von denen die eine jetzt vor uns steht. Ich sah diese alte, berühmt gewordene Waffe hier zum erstenmal. Sie hat nichts von einer Axt, sondern entspricht genau den gradlinigen polnischen Sensen, von denen sie sich nur durch einen Haken unterscheidet, der in halber Höhe des Senserückens aus demselben hervorwächst. Es muß überraschen, daß
es zweimal in der Geschichte, unter Verhältnissen, die sich innerlich ebenso verwandt waren, wie sie äußerlich sich fernstanden, dieser Sensenwaffe vorbehalten war, eine Art Sinnbild jenes Schreckens zu werden, den Muth und Vaterlandsliebe in die Reihen eines sonst siegreichen Feindes trugen.
Als Freund B. und ich ein paar Worte in diesem Sinne wechselten, horchte Mr. Wood auf und sagte dann lächelnd: „Ah, deutsch; hab’ eine Frau von Deutschland, wird sich sehr freuen.“ Mit diesen Worten lief er bis zur Treppe und rief hinunter: „Anne, please come upstairs, some gentlemen want to speak to you“ Antwort schallte zurück und im nächsten Augenblick kam eine muntere Frau auf uns zu, blond, freundlich, gesprächig, aber freilich durchaus nicht angethan, den englischen Glauben zu widerlegen, daß die Einheit Deutschlands nur in einem Punkte vorhanden sei: in der Unschönheit seiner Bewohner. Sei dem wie ihm sei, die liebenswürdige Freundlichkeit der Frau läßt uns nicht Zeit zu dem freilich gerechtfertigten Wunsche, daß deutscher Frauenreiz jenseits des Tweed etwas glän-
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(2018-07-25T15:22:45Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T15:22:45Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen. Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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