Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.in Anspruch. Wir hatten noch keine Ahnung, daß Fiedler und Ehepaar bald in nähere, allerdings nicht freundschaftliche Beziehungen treten würden. Das englische Ehepaar bestand aus einem grämlichen alten Herrn und einer jungen blassen Frau, die sehr hübsch gewesen wäre, wenn nicht etwas Stechendes in ihrem Auge und die fest zusammengepreßten blassen Lippen allzudeutlich verrathen hätten, daß sie nicht gewohnt war mit dem Scepter der Milde zu regieren. Ihr Gatte, wiewohl nicht ganz energielos im Ausdruck, schien dennoch, wie so viele Gatten vor und nach ihm, auf das Auskunftsmittel verfallen zu sein, die Linie eigener Anschauungen nur noch als Bekräftigungs- und Unterstreichungslinie für die Ansichten seiner Frau zu verwenden. Die blasse Dame, die, wie man ihr lassen muß, das Ladyhafte mit vielem Geschick zur Schau stellte, hatte bei Tisch die Austernsauce "very bad" gefunden, worauf ihr Gemahl mit einem "very bad, indeed" geantwortet hatte; ja bei Gelegenheit der schlecht gekorkten Flasche Porter hatte er sich in seiner Huldigung noch weiter verstiegen und dem "shocking" seiner Lady ein unumwundenes "shameful" hinzugefügt. Die Schotten, alt und jung, aus denen die Tisch- und Reisegesellschaft fast ausschließlich bestand, hatten diesem krittligen Wesen des englischen Ehepaars nicht ohne Verdrießlichkeit zugehört, weil sie jenen Ton der Ueberhebung darin zu finden glaubten, den Engländer so gern anstimmen, wenn sie den Tweed im Rücken haben. Einiges Gemurmel in Anspruch. Wir hatten noch keine Ahnung, daß Fiedler und Ehepaar bald in nähere, allerdings nicht freundschaftliche Beziehungen treten würden. Das englische Ehepaar bestand aus einem grämlichen alten Herrn und einer jungen blassen Frau, die sehr hübsch gewesen wäre, wenn nicht etwas Stechendes in ihrem Auge und die fest zusammengepreßten blassen Lippen allzudeutlich verrathen hätten, daß sie nicht gewohnt war mit dem Scepter der Milde zu regieren. Ihr Gatte, wiewohl nicht ganz energielos im Ausdruck, schien dennoch, wie so viele Gatten vor und nach ihm, auf das Auskunftsmittel verfallen zu sein, die Linie eigener Anschauungen nur noch als Bekräftigungs- und Unterstreichungslinie für die Ansichten seiner Frau zu verwenden. Die blasse Dame, die, wie man ihr lassen muß, das Ladyhafte mit vielem Geschick zur Schau stellte, hatte bei Tisch die Austernsauce „very bad“ gefunden, worauf ihr Gemahl mit einem „very bad, indeed“ geantwortet hatte; ja bei Gelegenheit der schlecht gekorkten Flasche Porter hatte er sich in seiner Huldigung noch weiter verstiegen und dem „shocking“ seiner Lady ein unumwundenes „shameful“ hinzugefügt. Die Schotten, alt und jung, aus denen die Tisch- und Reisegesellschaft fast ausschließlich bestand, hatten diesem krittligen Wesen des englischen Ehepaars nicht ohne Verdrießlichkeit zugehört, weil sie jenen Ton der Ueberhebung darin zu finden glaubten, den Engländer so gern anstimmen, wenn sie den Tweed im Rücken haben. Einiges Gemurmel <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0168" n="154"/> in Anspruch. Wir hatten noch keine Ahnung, daß Fiedler und Ehepaar bald in nähere, allerdings nicht freundschaftliche Beziehungen treten würden. </p><lb/> <p>Das englische Ehepaar bestand aus einem grämlichen alten Herrn und einer jungen blassen Frau, die sehr hübsch gewesen wäre, wenn nicht etwas Stechendes in ihrem Auge und die fest zusammengepreßten blassen Lippen allzudeutlich verrathen hätten, daß sie nicht gewohnt war mit dem Scepter der Milde zu regieren. Ihr Gatte, wiewohl nicht ganz energielos im Ausdruck, schien dennoch, wie so viele Gatten vor und nach ihm, auf das Auskunftsmittel verfallen zu sein, die Linie eigener Anschauungen nur noch als Bekräftigungs- und Unterstreichungslinie für die Ansichten seiner Frau zu verwenden. Die blasse Dame, die, wie man ihr lassen muß, das Ladyhafte mit vielem Geschick zur Schau stellte, hatte bei Tisch die Austernsauce <hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="eng">„very bad“</foreign></hi> gefunden, worauf ihr Gemahl mit einem <hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="eng">„very bad, indeed“</foreign></hi> geantwortet hatte; ja bei Gelegenheit der schlecht gekorkten Flasche Porter hatte er sich in seiner Huldigung noch weiter verstiegen und dem <hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="eng">„shocking“</foreign></hi> seiner Lady ein unumwundenes <hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="eng">„shameful“</foreign></hi> hinzugefügt. Die Schotten, alt und jung, aus denen die Tisch- und Reisegesellschaft fast ausschließlich bestand, hatten diesem krittligen Wesen des englischen Ehepaars nicht ohne Verdrießlichkeit zugehört, weil sie jenen Ton der Ueberhebung darin zu finden glaubten, den Engländer so gern anstimmen, wenn sie den Tweed im Rücken haben. Einiges Gemurmel<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [154/0168]
in Anspruch. Wir hatten noch keine Ahnung, daß Fiedler und Ehepaar bald in nähere, allerdings nicht freundschaftliche Beziehungen treten würden.
Das englische Ehepaar bestand aus einem grämlichen alten Herrn und einer jungen blassen Frau, die sehr hübsch gewesen wäre, wenn nicht etwas Stechendes in ihrem Auge und die fest zusammengepreßten blassen Lippen allzudeutlich verrathen hätten, daß sie nicht gewohnt war mit dem Scepter der Milde zu regieren. Ihr Gatte, wiewohl nicht ganz energielos im Ausdruck, schien dennoch, wie so viele Gatten vor und nach ihm, auf das Auskunftsmittel verfallen zu sein, die Linie eigener Anschauungen nur noch als Bekräftigungs- und Unterstreichungslinie für die Ansichten seiner Frau zu verwenden. Die blasse Dame, die, wie man ihr lassen muß, das Ladyhafte mit vielem Geschick zur Schau stellte, hatte bei Tisch die Austernsauce „very bad“ gefunden, worauf ihr Gemahl mit einem „very bad, indeed“ geantwortet hatte; ja bei Gelegenheit der schlecht gekorkten Flasche Porter hatte er sich in seiner Huldigung noch weiter verstiegen und dem „shocking“ seiner Lady ein unumwundenes „shameful“ hinzugefügt. Die Schotten, alt und jung, aus denen die Tisch- und Reisegesellschaft fast ausschließlich bestand, hatten diesem krittligen Wesen des englischen Ehepaars nicht ohne Verdrießlichkeit zugehört, weil sie jenen Ton der Ueberhebung darin zu finden glaubten, den Engländer so gern anstimmen, wenn sie den Tweed im Rücken haben. Einiges Gemurmel
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/168>, abgerufen am 22.07.2024. |