Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.es, daß sein altes Vasallengefühl wieder lebendig in ihm wurde, oder daß er in seinem Herzen sehr wohl wußte, wie der Zorn des Königs am ehesten und besten zu besänftigen sei, gleichviel, sein Plan war rasch gemacht, und 300 Sinclairs um sich sammelnd, zog er gegen Süden, um sich dem Heere des Königs anzuschließen. Als er auf dem Boroughmoor von Edinburg erschien, war der König schon ausgezogen, aber unbeirrt in seinem Vorhaben, folgte der Graf dem Heereszuge, erreichte Floddenfield in der Stunde der Entscheidung und trat jetzt an den König heran, in demselben Augenblick fast, wo Bell the Cat den König verlassen hatte. Er ließ sich auf ein Knie nieder und bat um Gnade. Der König, der zu keiner Zeit einem so ritterlichen Appell widerstanden haben würde, gerieth unter dem Einfluß des Moments, wo jeder kleinste Vorfall, der die Worte Bell the Cat's vergessen machen konnte, ihm doppelt willkommen sein mußte, in ein fast überschwengliches Gefühl des Dankes und der Freude. Er hob den Knieenden auf, küßte ihn und belehnte ihn aufs Neue nicht nur mit Allem, was die Grafen von Caithneß jemals besessen, sondern fügte noch Schenkungen und allerhand Gerechtsame dem alten Besitzstand hinzu. Auf der Stelle sollte der Freibrief ausgestellt werden. Da kein anderes Pergament im Lager war, so wurde eine Trommel geholt und auf das Fell derselben die Schenkungs-Urkunde niedergeschrieben. Die Familie der Grafen von Caithneß besitzt diese Rolle bis diesen Tag, umwickelt mit aller- es, daß sein altes Vasallengefühl wieder lebendig in ihm wurde, oder daß er in seinem Herzen sehr wohl wußte, wie der Zorn des Königs am ehesten und besten zu besänftigen sei, gleichviel, sein Plan war rasch gemacht, und 300 Sinclairs um sich sammelnd, zog er gegen Süden, um sich dem Heere des Königs anzuschließen. Als er auf dem Boroughmoor von Edinburg erschien, war der König schon ausgezogen, aber unbeirrt in seinem Vorhaben, folgte der Graf dem Heereszuge, erreichte Floddenfield in der Stunde der Entscheidung und trat jetzt an den König heran, in demselben Augenblick fast, wo Bell the Cat den König verlassen hatte. Er ließ sich auf ein Knie nieder und bat um Gnade. Der König, der zu keiner Zeit einem so ritterlichen Appell widerstanden haben würde, gerieth unter dem Einfluß des Moments, wo jeder kleinste Vorfall, der die Worte Bell the Cat’s vergessen machen konnte, ihm doppelt willkommen sein mußte, in ein fast überschwengliches Gefühl des Dankes und der Freude. Er hob den Knieenden auf, küßte ihn und belehnte ihn aufs Neue nicht nur mit Allem, was die Grafen von Caithneß jemals besessen, sondern fügte noch Schenkungen und allerhand Gerechtsame dem alten Besitzstand hinzu. Auf der Stelle sollte der Freibrief ausgestellt werden. Da kein anderes Pergament im Lager war, so wurde eine Trommel geholt und auf das Fell derselben die Schenkungs-Urkunde niedergeschrieben. Die Familie der Grafen von Caithneß besitzt diese Rolle bis diesen Tag, umwickelt mit aller- <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0157" n="143"/> es, daß sein altes Vasallengefühl wieder lebendig in ihm wurde, oder daß er in seinem Herzen sehr wohl wußte, wie der Zorn des Königs am ehesten und besten zu besänftigen sei, gleichviel, sein Plan war rasch gemacht, und 300 Sinclairs um sich sammelnd, zog er gegen Süden, um sich dem Heere des Königs anzuschließen. Als er auf dem Boroughmoor von Edinburg erschien, war der König schon ausgezogen, aber unbeirrt in seinem Vorhaben, folgte der Graf dem Heereszuge, erreichte Floddenfield in der Stunde der Entscheidung und trat jetzt an den König heran, in demselben Augenblick fast, wo Bell the Cat den König verlassen hatte. Er ließ sich auf ein Knie nieder und bat um Gnade. Der König, der zu keiner Zeit einem so ritterlichen Appell widerstanden haben würde, gerieth unter dem Einfluß des Moments, wo jeder kleinste Vorfall, der die Worte Bell the Cat’s vergessen machen konnte, ihm doppelt willkommen sein mußte, in ein fast überschwengliches Gefühl des Dankes und der Freude. Er hob den Knieenden auf, küßte ihn und belehnte ihn aufs Neue nicht nur mit Allem, was die Grafen von Caithneß jemals besessen, sondern fügte noch Schenkungen und allerhand Gerechtsame dem alten Besitzstand hinzu. Auf der Stelle sollte der Freibrief ausgestellt werden. Da kein anderes Pergament im Lager war, so wurde eine Trommel geholt und auf das Fell derselben die Schenkungs-Urkunde niedergeschrieben. Die Familie der Grafen von Caithneß besitzt diese Rolle bis diesen Tag, umwickelt mit aller-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [143/0157]
es, daß sein altes Vasallengefühl wieder lebendig in ihm wurde, oder daß er in seinem Herzen sehr wohl wußte, wie der Zorn des Königs am ehesten und besten zu besänftigen sei, gleichviel, sein Plan war rasch gemacht, und 300 Sinclairs um sich sammelnd, zog er gegen Süden, um sich dem Heere des Königs anzuschließen. Als er auf dem Boroughmoor von Edinburg erschien, war der König schon ausgezogen, aber unbeirrt in seinem Vorhaben, folgte der Graf dem Heereszuge, erreichte Floddenfield in der Stunde der Entscheidung und trat jetzt an den König heran, in demselben Augenblick fast, wo Bell the Cat den König verlassen hatte. Er ließ sich auf ein Knie nieder und bat um Gnade. Der König, der zu keiner Zeit einem so ritterlichen Appell widerstanden haben würde, gerieth unter dem Einfluß des Moments, wo jeder kleinste Vorfall, der die Worte Bell the Cat’s vergessen machen konnte, ihm doppelt willkommen sein mußte, in ein fast überschwengliches Gefühl des Dankes und der Freude. Er hob den Knieenden auf, küßte ihn und belehnte ihn aufs Neue nicht nur mit Allem, was die Grafen von Caithneß jemals besessen, sondern fügte noch Schenkungen und allerhand Gerechtsame dem alten Besitzstand hinzu. Auf der Stelle sollte der Freibrief ausgestellt werden. Da kein anderes Pergament im Lager war, so wurde eine Trommel geholt und auf das Fell derselben die Schenkungs-Urkunde niedergeschrieben. Die Familie der Grafen von Caithneß besitzt diese Rolle bis diesen Tag, umwickelt mit aller-
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/157>, abgerufen am 22.07.2024. |