Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

die Nacht. Der König hatte sein Lager auf platter Erde genommen; im Halbkreis um ihn her lagerten die Grafen Home und Huntley, Lord Lennox, Lord Crawford, die Grafen Bothwell und Montrose und einige andere noch. Plaids von allen Farben deckten den Boden oder hüllten den einen oder anderen der Schläfer ein. Der König hielt sich wach und sah nach den Lagerfeuern der Engländer hinüber. Es mochte Mitternacht sein, als der alte Bell the Cat, das Haupt der Douglas, der so oft seine Warnerstimme erhoben hatte, in diesen Kreis halb wacher, halb schlafender Edelleute trat und vor dem Könige sich niederlassend ihn noch einmal beschwor, das Schicksal seines Landes nicht an den Ausgang des nächsten Tages zu knüpfen. Schottland habe nur dies eine Heer, es werde stark und unüberwindlich sein, wenn es die Vertheidigung des eignen Landes gelte; aber dieser Angriffskrieg, der den Stolz und die Entrüstung eines stärkern Gegners wach gerufen habe, müsse und werde zum Verderben führen; selbst ein Sieg würde nur der erste Schritt zu einer um so größern Niederlage sein. "Laßt uns zurück," so schloß er, "die Englischen sind ermüdet vom Marsch, sie werden unsern Abzug nicht stören, und ehe die Sonne herauf ist, haben wir den Tweed im Rücken und wieder schottisch Land unter den Füßen. Da laß uns ihrer warten." Der König erwiederte spöttisch: "Geh heim, Douglas, wenn Du Dich fürchtest!" und wandte sich ab, zum Zeichen, daß er dieser Ermahnungen überdrüssig sei. Bell the Cat erhob

die Nacht. Der König hatte sein Lager auf platter Erde genommen; im Halbkreis um ihn her lagerten die Grafen Home und Huntley, Lord Lennox, Lord Crawford, die Grafen Bothwell und Montrose und einige andere noch. Plaids von allen Farben deckten den Boden oder hüllten den einen oder anderen der Schläfer ein. Der König hielt sich wach und sah nach den Lagerfeuern der Engländer hinüber. Es mochte Mitternacht sein, als der alte Bell the Cat, das Haupt der Douglas, der so oft seine Warnerstimme erhoben hatte, in diesen Kreis halb wacher, halb schlafender Edelleute trat und vor dem Könige sich niederlassend ihn noch einmal beschwor, das Schicksal seines Landes nicht an den Ausgang des nächsten Tages zu knüpfen. Schottland habe nur dies eine Heer, es werde stark und unüberwindlich sein, wenn es die Vertheidigung des eignen Landes gelte; aber dieser Angriffskrieg, der den Stolz und die Entrüstung eines stärkern Gegners wach gerufen habe, müsse und werde zum Verderben führen; selbst ein Sieg würde nur der erste Schritt zu einer um so größern Niederlage sein. „Laßt uns zurück,“ so schloß er, „die Englischen sind ermüdet vom Marsch, sie werden unsern Abzug nicht stören, und ehe die Sonne herauf ist, haben wir den Tweed im Rücken und wieder schottisch Land unter den Füßen. Da laß uns ihrer warten.“ Der König erwiederte spöttisch: „Geh heim, Douglas, wenn Du Dich fürchtest!“ und wandte sich ab, zum Zeichen, daß er dieser Ermahnungen überdrüssig sei. Bell the Cat erhob

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div>
          <p><pb facs="#f0155" n="141"/>
die Nacht. Der König hatte sein Lager auf platter Erde genommen; im Halbkreis um ihn her lagerten die Grafen Home und Huntley, Lord Lennox, Lord Crawford, die Grafen Bothwell und Montrose und einige andere noch. Plaids von allen Farben deckten den Boden oder hüllten den einen oder anderen der Schläfer ein. Der König hielt sich wach und sah nach den Lagerfeuern der Engländer hinüber. Es mochte Mitternacht sein, als der alte Bell the Cat, das Haupt der Douglas, der so oft seine Warnerstimme erhoben hatte, in diesen Kreis halb wacher, halb schlafender Edelleute trat und vor dem Könige sich niederlassend ihn noch einmal beschwor, das Schicksal seines Landes nicht an den Ausgang des nächsten Tages zu knüpfen. Schottland habe nur dies <hi rendition="#g">eine</hi> Heer, es werde stark und unüberwindlich sein, wenn es die Vertheidigung des eignen Landes gelte; aber <hi rendition="#g">dieser</hi> Angriffskrieg, der den Stolz und die Entrüstung eines stärkern              Gegners wach gerufen habe, müsse und werde zum Verderben führen; selbst ein Sieg würde              nur der erste Schritt zu einer um so größern Niederlage sein. &#x201E;Laßt uns zurück,&#x201C; so              schloß er, &#x201E;die Englischen sind ermüdet vom Marsch, sie werden unsern Abzug nicht              stören, und ehe die Sonne herauf ist, haben wir den Tweed im Rücken und wieder              schottisch Land unter den Füßen. Da laß uns ihrer warten.&#x201C; Der König erwiederte              spöttisch: &#x201E;Geh heim, Douglas, wenn Du Dich fürchtest!&#x201C; und wandte sich ab, zum Zeichen,              daß er dieser Ermahnungen überdrüssig sei. Bell the Cat erhob<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[141/0155] die Nacht. Der König hatte sein Lager auf platter Erde genommen; im Halbkreis um ihn her lagerten die Grafen Home und Huntley, Lord Lennox, Lord Crawford, die Grafen Bothwell und Montrose und einige andere noch. Plaids von allen Farben deckten den Boden oder hüllten den einen oder anderen der Schläfer ein. Der König hielt sich wach und sah nach den Lagerfeuern der Engländer hinüber. Es mochte Mitternacht sein, als der alte Bell the Cat, das Haupt der Douglas, der so oft seine Warnerstimme erhoben hatte, in diesen Kreis halb wacher, halb schlafender Edelleute trat und vor dem Könige sich niederlassend ihn noch einmal beschwor, das Schicksal seines Landes nicht an den Ausgang des nächsten Tages zu knüpfen. Schottland habe nur dies eine Heer, es werde stark und unüberwindlich sein, wenn es die Vertheidigung des eignen Landes gelte; aber dieser Angriffskrieg, der den Stolz und die Entrüstung eines stärkern Gegners wach gerufen habe, müsse und werde zum Verderben führen; selbst ein Sieg würde nur der erste Schritt zu einer um so größern Niederlage sein. „Laßt uns zurück,“ so schloß er, „die Englischen sind ermüdet vom Marsch, sie werden unsern Abzug nicht stören, und ehe die Sonne herauf ist, haben wir den Tweed im Rücken und wieder schottisch Land unter den Füßen. Da laß uns ihrer warten.“ Der König erwiederte spöttisch: „Geh heim, Douglas, wenn Du Dich fürchtest!“ und wandte sich ab, zum Zeichen, daß er dieser Ermahnungen überdrüssig sei. Bell the Cat erhob

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T15:22:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T15:22:45Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: dokumentiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
  • i/j in Fraktur: keine Angabe;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • Kolumnentitel: nicht übernommen;
  • Kustoden: keine Angabe;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • Normalisierungen: keine;
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;
  • Seitenumbrüche markiert: ja;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • u/v bzw. U/V: keine Angabe;
  • Vokale mit übergest. e: keine Angabe;
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst;
  • Zeichensetzung: wie Vorlage;
  • Zeilenumbrüche markiert: nein.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/155
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/155>, abgerufen am 05.12.2024.