Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.bieten irgend etwas besondres; es ist ein Städtchen wie es ihrer tausende giebt, und wenn irgend etwas an ihm geeignet ist unser Interesse in Anspruch zu nehmen, so ist es der Umstand, daß diese Fachwerkhäuser, mal grün mal gelb gestrichen, uns an die deutsche Heimath erinnern und nicht an die englischen Städte, die, bei vielen sonstigen Vorzügen, doch in ihrer Uniformität ermüdend wirken. Durch zwei Dinge indeß ist Linlithgow berühmt (ganz abgesehen von seinem Pallast) und zwar durch seine Treue und seine Brunnen. Wem es treu gewesen ist, das ist jetzt schwer zu ermitteln. Seiner Brunnen aber darf es sich rühmen bis auf diesen Tag. Unter diesen ist ein figurenreicher, der dem Rathhaus gegenüber steht und an ähnliche Arbeiten in Süddeutschland erinnert, der bemerkenswertheste. Er ist es wohl, der zu der zweiten Zeile in einem alten schottischen Reimspruch Veranlassung gegeben hat, der etwa lautet: Glasgower Glocken und Falkirker Bohnen, Lithgower Brunnen um dran zu wohnen, Stirlinger Hefen und Perther Bier, Alle Tausend, so lob' ich's mir. In wenigen Minuten haben wir die Stadt von Osten nach Westen hin durchwandert und stehen jetzt nach rechts hin vor einer kleinen kaum hügelartigen Erhöhung, auf der der Pallast unmittelbar vor uns gelegen ist. Wenn das Sprüchwort Recht hat, das da sagt: "große Fenster schmücken das Haus", so ist der Pallast von Linlithgow so ungeschmückt wie möglich; die Fenster sind klein und bieten irgend etwas besondres; es ist ein Städtchen wie es ihrer tausende giebt, und wenn irgend etwas an ihm geeignet ist unser Interesse in Anspruch zu nehmen, so ist es der Umstand, daß diese Fachwerkhäuser, mal grün mal gelb gestrichen, uns an die deutsche Heimath erinnern und nicht an die englischen Städte, die, bei vielen sonstigen Vorzügen, doch in ihrer Uniformität ermüdend wirken. Durch zwei Dinge indeß ist Linlithgow berühmt (ganz abgesehen von seinem Pallast) und zwar durch seine Treue und seine Brunnen. Wem es treu gewesen ist, das ist jetzt schwer zu ermitteln. Seiner Brunnen aber darf es sich rühmen bis auf diesen Tag. Unter diesen ist ein figurenreicher, der dem Rathhaus gegenüber steht und an ähnliche Arbeiten in Süddeutschland erinnert, der bemerkenswertheste. Er ist es wohl, der zu der zweiten Zeile in einem alten schottischen Reimspruch Veranlassung gegeben hat, der etwa lautet: Glasgower Glocken und Falkirker Bohnen, Lithgower Brunnen um dran zu wohnen, Stirlinger Hefen und Perther Bier, Alle Tausend, so lob’ ich’s mir. In wenigen Minuten haben wir die Stadt von Osten nach Westen hin durchwandert und stehen jetzt nach rechts hin vor einer kleinen kaum hügelartigen Erhöhung, auf der der Pallast unmittelbar vor uns gelegen ist. Wenn das Sprüchwort Recht hat, das da sagt: „große Fenster schmücken das Haus“, so ist der Pallast von Linlithgow so ungeschmückt wie möglich; die Fenster sind klein und <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0137" n="123"/> bieten irgend etwas besondres; es ist ein Städtchen wie es ihrer tausende giebt, und wenn irgend etwas an ihm geeignet ist unser Interesse in Anspruch zu nehmen, so ist es der Umstand, daß diese Fachwerkhäuser, mal grün mal gelb gestrichen, uns an die deutsche Heimath erinnern und nicht an die englischen Städte, die, bei vielen sonstigen Vorzügen, doch in ihrer Uniformität ermüdend wirken.</p><lb/> <p>Durch zwei Dinge indeß ist Linlithgow berühmt (ganz abgesehen von seinem Pallast) und zwar durch seine Treue und seine Brunnen. <hi rendition="#g">Wem</hi> es treu gewesen ist, das ist jetzt schwer zu ermitteln. Seiner Brunnen aber darf es sich rühmen bis auf diesen Tag. Unter diesen ist ein figurenreicher, der dem Rathhaus gegenüber steht und an ähnliche Arbeiten in Süddeutschland erinnert, der bemerkenswertheste. Er ist es wohl, der zu der zweiten Zeile in einem alten schottischen Reimspruch Veranlassung gegeben hat, der etwa lautet:<lb/><lg type="poem"><l>Glasgower Glocken und Falkirker Bohnen,</l><lb/><l>Lithgower Brunnen um dran zu wohnen,</l><lb/><l>Stirlinger Hefen und Perther Bier,</l><lb/><l>Alle Tausend, so lob’ ich’s mir.</l><lb/></lg> </p><lb/> <p>In wenigen Minuten haben wir die Stadt von Osten nach Westen hin durchwandert und stehen jetzt nach rechts hin vor einer kleinen kaum hügelartigen Erhöhung, auf der der Pallast unmittelbar vor uns gelegen ist. Wenn das Sprüchwort Recht hat, das da sagt: „große Fenster schmücken das Haus“, so ist der Pallast von Linlithgow so ungeschmückt wie möglich; die Fenster sind klein und<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [123/0137]
bieten irgend etwas besondres; es ist ein Städtchen wie es ihrer tausende giebt, und wenn irgend etwas an ihm geeignet ist unser Interesse in Anspruch zu nehmen, so ist es der Umstand, daß diese Fachwerkhäuser, mal grün mal gelb gestrichen, uns an die deutsche Heimath erinnern und nicht an die englischen Städte, die, bei vielen sonstigen Vorzügen, doch in ihrer Uniformität ermüdend wirken.
Durch zwei Dinge indeß ist Linlithgow berühmt (ganz abgesehen von seinem Pallast) und zwar durch seine Treue und seine Brunnen. Wem es treu gewesen ist, das ist jetzt schwer zu ermitteln. Seiner Brunnen aber darf es sich rühmen bis auf diesen Tag. Unter diesen ist ein figurenreicher, der dem Rathhaus gegenüber steht und an ähnliche Arbeiten in Süddeutschland erinnert, der bemerkenswertheste. Er ist es wohl, der zu der zweiten Zeile in einem alten schottischen Reimspruch Veranlassung gegeben hat, der etwa lautet:
Glasgower Glocken und Falkirker Bohnen,
Lithgower Brunnen um dran zu wohnen,
Stirlinger Hefen und Perther Bier,
Alle Tausend, so lob’ ich’s mir.
In wenigen Minuten haben wir die Stadt von Osten nach Westen hin durchwandert und stehen jetzt nach rechts hin vor einer kleinen kaum hügelartigen Erhöhung, auf der der Pallast unmittelbar vor uns gelegen ist. Wenn das Sprüchwort Recht hat, das da sagt: „große Fenster schmücken das Haus“, so ist der Pallast von Linlithgow so ungeschmückt wie möglich; die Fenster sind klein und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/137 |
Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/137>, abgerufen am 22.07.2024. |