Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.geben müssen, um mit christ-israelitischen Traktätchen alle drei Königreiche durchreisen und zum tausendsten Male versichern zu können, daß John Wroe ein ehrenhafter Mann und der Christ-Israelitismus eine erhabene Sache sei. "Sie finden das alles in unserm Büchelchen (Handbewegung nach dem Blinden hin, der die Exemplare durch seine Finger gleiten läßt), Sie finden darin all und jedes; Stück ein Penny; die letzten Exemplare die wir haben; Stück für Stück ein Penny." Dann eine kleine Pause um das Verkaufsresultat zu controlliren und dann auf's Neue wieder ein Hinausschreien in die Welt, daß Christus gesagt habe: "liebet eure Feinde; daß der Redakteur der Leeds-Times ein wahrer Judas sei, John Wroe ihm aber vergebe, da geschrieben stehe: segnet die euch fluchen." Eh' eine Viertelstunde um war, war ein Dutzend Exemplare verkauft. Dann brach man auf, um die Fußbank an einen andern Platz zu tragen. Für einen Fremden, der zum ersten Male High-Street hinauf geht, ist es freilich unterhaltend einer Reihe solcher und ähnlicher Scenen zu begegnen; aber wenn die Frage nach dem Werth und der sittlichen Berechtigung derselben aufgeworfen wird, so möchte sich doch wenig zu Gunsten solchen Treibens sagen lassen. In England und Schottland existiren diese Dinge 'mal und müssen als die unvermeidliche Schattenseite von Rechten und Freiheiten hingenommen werden, deren helles, segensreiches Licht nur noch von Blinden bezweifelt wird. Aber die Schattenseiten hören um deshalb nicht auf zu sein geben müssen, um mit christ-israelitischen Traktätchen alle drei Königreiche durchreisen und zum tausendsten Male versichern zu können, daß John Wroe ein ehrenhafter Mann und der Christ-Israelitismus eine erhabene Sache sei. „Sie finden das alles in unserm Büchelchen (Handbewegung nach dem Blinden hin, der die Exemplare durch seine Finger gleiten läßt), Sie finden darin all und jedes; Stück ein Penny; die letzten Exemplare die wir haben; Stück für Stück ein Penny.“ Dann eine kleine Pause um das Verkaufsresultat zu controlliren und dann auf’s Neue wieder ein Hinausschreien in die Welt, daß Christus gesagt habe: „liebet eure Feinde; daß der Redakteur der Leeds-Times ein wahrer Judas sei, John Wroe ihm aber vergebe, da geschrieben stehe: segnet die euch fluchen.“ Eh’ eine Viertelstunde um war, war ein Dutzend Exemplare verkauft. Dann brach man auf, um die Fußbank an einen andern Platz zu tragen. Für einen Fremden, der zum ersten Male High-Street hinauf geht, ist es freilich unterhaltend einer Reihe solcher und ähnlicher Scenen zu begegnen; aber wenn die Frage nach dem Werth und der sittlichen Berechtigung derselben aufgeworfen wird, so möchte sich doch wenig zu Gunsten solchen Treibens sagen lassen. In England und Schottland existiren diese Dinge ’mal und müssen als die unvermeidliche Schattenseite von Rechten und Freiheiten hingenommen werden, deren helles, segensreiches Licht nur noch von Blinden bezweifelt wird. Aber die Schattenseiten hören um deshalb nicht auf zu sein <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0125" n="111"/> geben müssen, um mit christ-israelitischen Traktätchen alle drei Königreiche durchreisen und zum tausendsten Male versichern zu können, daß John Wroe ein ehrenhafter Mann und der Christ-Israelitismus eine erhabene Sache sei. „Sie finden das alles in unserm Büchelchen (Handbewegung nach dem Blinden hin, der die Exemplare durch seine Finger gleiten läßt), Sie finden darin all und jedes; Stück ein Penny; die letzten Exemplare die wir haben; Stück für Stück ein Penny.“ Dann eine kleine Pause um das Verkaufsresultat zu controlliren und dann auf’s Neue wieder ein Hinausschreien in die Welt, daß Christus gesagt habe: „liebet eure Feinde; daß der Redakteur der <hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="eng">Leeds-Times</foreign></hi> ein wahrer Judas sei, John Wroe ihm aber vergebe, da geschrieben stehe: segnet die euch fluchen.“ Eh’ eine Viertelstunde um war, war ein Dutzend Exemplare verkauft. Dann brach man auf, um die Fußbank an einen andern Platz zu tragen.</p><lb/> <p>Für einen Fremden, der zum ersten Male High-Street hinauf geht, ist es freilich unterhaltend einer Reihe solcher und ähnlicher Scenen zu begegnen; aber wenn die Frage nach dem Werth und der sittlichen Berechtigung derselben aufgeworfen wird, so möchte sich doch wenig zu Gunsten solchen Treibens sagen lassen. In England und Schottland existiren diese Dinge ’mal und müssen als die unvermeidliche Schattenseite von Rechten und Freiheiten hingenommen werden, deren helles, segensreiches Licht nur noch von Blinden bezweifelt wird. Aber die Schattenseiten hören um deshalb nicht auf zu sein<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [111/0125]
geben müssen, um mit christ-israelitischen Traktätchen alle drei Königreiche durchreisen und zum tausendsten Male versichern zu können, daß John Wroe ein ehrenhafter Mann und der Christ-Israelitismus eine erhabene Sache sei. „Sie finden das alles in unserm Büchelchen (Handbewegung nach dem Blinden hin, der die Exemplare durch seine Finger gleiten läßt), Sie finden darin all und jedes; Stück ein Penny; die letzten Exemplare die wir haben; Stück für Stück ein Penny.“ Dann eine kleine Pause um das Verkaufsresultat zu controlliren und dann auf’s Neue wieder ein Hinausschreien in die Welt, daß Christus gesagt habe: „liebet eure Feinde; daß der Redakteur der Leeds-Times ein wahrer Judas sei, John Wroe ihm aber vergebe, da geschrieben stehe: segnet die euch fluchen.“ Eh’ eine Viertelstunde um war, war ein Dutzend Exemplare verkauft. Dann brach man auf, um die Fußbank an einen andern Platz zu tragen.
Für einen Fremden, der zum ersten Male High-Street hinauf geht, ist es freilich unterhaltend einer Reihe solcher und ähnlicher Scenen zu begegnen; aber wenn die Frage nach dem Werth und der sittlichen Berechtigung derselben aufgeworfen wird, so möchte sich doch wenig zu Gunsten solchen Treibens sagen lassen. In England und Schottland existiren diese Dinge ’mal und müssen als die unvermeidliche Schattenseite von Rechten und Freiheiten hingenommen werden, deren helles, segensreiches Licht nur noch von Blinden bezweifelt wird. Aber die Schattenseiten hören um deshalb nicht auf zu sein
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/125>, abgerufen am 22.07.2024. |