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Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.

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Lord und Lady Grange waren zwanzig Jahre verheirathet, als der Lord (bekannter unter dem Namen Mr. Erskine) seiner Gemahlin überdrüssig wurde und die Trennung von ihr durchsetzte. Wer der schuldige Theil war, ist zweifelhaft und ändert wenig in der Sache. Lady Grange lebte nunmehr wenige Häuser von ihrem Gatten entfernt und fiel diesem durch ein Benehmen lästig, das in der That unerträglicher Natur gewesen zu sein scheint. Zudem war sie in die politischen Geheimnisse ihres Gemahls eingeweiht und drohte vielfach, ihn als einen der gefährlichsten Jakobiten in London zu verrathen. So standen die Dinge, als eines Abends zwanzig Hochländer, vom Clan der Frazer's, deren Haupt der berüchtigte Lord Lovat*) war, in der Wohnung der Lady Grange erschienen, sie knebelten, in einen Tragstuhl setzten und vor das Westthor trugen. Daselbst fand man Pferde. Nun begann eine Reise in Nachtmärschen; bei Tage in Gewahrsam, bei Nacht im Sattel. So ging es eine Woche lang, bis man über Stirling und Perth hinaus die Grafschaft Inverneß erreicht hatte, wo Verfolgung nicht länger zu befürchten war. Man hielt sich nordwestlich und kam endlich ans Meer. Ein Boot lag schon bereit, Lady Grange wurde hineingetragen und die Fahrt nach einem der kleinsten und unwirthbarsten Eilande begann. Man erreichte dasselbe und ließ

*) Am 9. April 1747 auf Tower-Hill enthauptet. Die letzte Hinrichtung mit dem Beil, die in England vorgekommen ist. Seitdem wird nur gehängt. Lord Lovat war nah an 80 Jahr alt.

Lord und Lady Grange waren zwanzig Jahre verheirathet, als der Lord (bekannter unter dem Namen Mr. Erskine) seiner Gemahlin überdrüssig wurde und die Trennung von ihr durchsetzte. Wer der schuldige Theil war, ist zweifelhaft und ändert wenig in der Sache. Lady Grange lebte nunmehr wenige Häuser von ihrem Gatten entfernt und fiel diesem durch ein Benehmen lästig, das in der That unerträglicher Natur gewesen zu sein scheint. Zudem war sie in die politischen Geheimnisse ihres Gemahls eingeweiht und drohte vielfach, ihn als einen der gefährlichsten Jakobiten in London zu verrathen. So standen die Dinge, als eines Abends zwanzig Hochländer, vom Clan der Frazer’s, deren Haupt der berüchtigte Lord Lovat*) war, in der Wohnung der Lady Grange erschienen, sie knebelten, in einen Tragstuhl setzten und vor das Westthor trugen. Daselbst fand man Pferde. Nun begann eine Reise in Nachtmärschen; bei Tage in Gewahrsam, bei Nacht im Sattel. So ging es eine Woche lang, bis man über Stirling und Perth hinaus die Grafschaft Inverneß erreicht hatte, wo Verfolgung nicht länger zu befürchten war. Man hielt sich nordwestlich und kam endlich ans Meer. Ein Boot lag schon bereit, Lady Grange wurde hineingetragen und die Fahrt nach einem der kleinsten und unwirthbarsten Eilande begann. Man erreichte dasselbe und ließ

*) Am 9. April 1747 auf Tower-Hill enthauptet. Die letzte Hinrichtung mit dem Beil, die in England vorgekommen ist. Seitdem wird nur gehängt. Lord Lovat war nah an 80 Jahr alt.
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[95/0109] Lord und Lady Grange waren zwanzig Jahre verheirathet, als der Lord (bekannter unter dem Namen Mr. Erskine) seiner Gemahlin überdrüssig wurde und die Trennung von ihr durchsetzte. Wer der schuldige Theil war, ist zweifelhaft und ändert wenig in der Sache. Lady Grange lebte nunmehr wenige Häuser von ihrem Gatten entfernt und fiel diesem durch ein Benehmen lästig, das in der That unerträglicher Natur gewesen zu sein scheint. Zudem war sie in die politischen Geheimnisse ihres Gemahls eingeweiht und drohte vielfach, ihn als einen der gefährlichsten Jakobiten in London zu verrathen. So standen die Dinge, als eines Abends zwanzig Hochländer, vom Clan der Frazer’s, deren Haupt der berüchtigte Lord Lovat *) war, in der Wohnung der Lady Grange erschienen, sie knebelten, in einen Tragstuhl setzten und vor das Westthor trugen. Daselbst fand man Pferde. Nun begann eine Reise in Nachtmärschen; bei Tage in Gewahrsam, bei Nacht im Sattel. So ging es eine Woche lang, bis man über Stirling und Perth hinaus die Grafschaft Inverneß erreicht hatte, wo Verfolgung nicht länger zu befürchten war. Man hielt sich nordwestlich und kam endlich ans Meer. Ein Boot lag schon bereit, Lady Grange wurde hineingetragen und die Fahrt nach einem der kleinsten und unwirthbarsten Eilande begann. Man erreichte dasselbe und ließ *) Am 9. April 1747 auf Tower-Hill enthauptet. Die letzte Hinrichtung mit dem Beil, die in England vorgekommen ist. Seitdem wird nur gehängt. Lord Lovat war nah an 80 Jahr alt.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T15:22:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T15:22:45Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: dokumentiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/109>, abgerufen am 22.12.2024.