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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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macht. Die Welt um den Alexanderplatz herum hat
übrigens so ihren eigenen Zauber, schon um einer gewissen
Unresidenzlichkeit willen. Ich sehe nichts lieber als die
große Markthalle, wenn beispielsweise die Fischtonnen mit
fünfhundert Aalen in die Netze gegossen werden. Etwas
Unglaubliches von Gezappel."

"Finde mich ganz darin zurecht und bin auch für
Alexanderplatz und Alexanderkaserne samt allem, was dazu
gehört. Und so brech' ich denn auch die Gelegenheit vom
Zaun, um nach einem ihrer früheren Regimentskomman¬
deure zu fragen, dem liebenswürdigen Obersten von Zeuner,
den ich noch persönlich gekannt habe. Hier unsre Stech¬
liner Gegend ist nämlich Zeunergegend. Keine Stunde
von hier liegt Köpernitz, eine reizende Besitzung, drauf die
Zeunersche Familie schon in fridericianischen Tagen an¬
sässig war. Bin oft drüben gewesen (nun freilich schon
zwanzig Jahre zurück) und komme noch einmal mit der
Frage: Haben Sie den Obersten noch gekannt?"

"Nein, Herr Major. Er war schon fort, als ich zum
Regimente kam. Aber ich habe viel von ihm gehört und
auch von Köpernitz, weiß aber freilich nicht mehr, in
welchem Zusammenhange."

"Schade, daß Sie nur einen Tag für Stechlin fest¬
gesetzt haben, sonst müßten Sie das Gut sehen. Alles
ganz eigentümlich und besonders auch ein Grabstein, unter
dem eine uralte Dame von beinah' neunzig Jahren be¬
graben liegt, eine geborne von Zeuner, die sich in früher
Jugend schon mit einem Emigranten am Rheinsberger
Hof, mit dem Grafen La Roche-Aymon, vermählt hatte.
Merkwürdige Frau, von der ich Ihnen erzähle, wenn ich
Sie mal wiedersehe. Nur eins müssen Sie heute schon
mitanhören, denn ich glaube, Sie haben den Gustus dafür."

"Für alles, was Sie erzählen."

"Keine Schmeicheleien! Aber die Geschichte will ich
Ihnen doch als Andenken mitgeben. Andre schenken sich

Fontane, Der Stechlin. 4

macht. Die Welt um den Alexanderplatz herum hat
übrigens ſo ihren eigenen Zauber, ſchon um einer gewiſſen
Unreſidenzlichkeit willen. Ich ſehe nichts lieber als die
große Markthalle, wenn beiſpielsweiſe die Fiſchtonnen mit
fünfhundert Aalen in die Netze gegoſſen werden. Etwas
Unglaubliches von Gezappel.“

„Finde mich ganz darin zurecht und bin auch für
Alexanderplatz und Alexanderkaſerne ſamt allem, was dazu
gehört. Und ſo brech' ich denn auch die Gelegenheit vom
Zaun, um nach einem ihrer früheren Regimentskomman¬
deure zu fragen, dem liebenswürdigen Oberſten von Zeuner,
den ich noch perſönlich gekannt habe. Hier unſre Stech¬
liner Gegend iſt nämlich Zeunergegend. Keine Stunde
von hier liegt Köpernitz, eine reizende Beſitzung, drauf die
Zeunerſche Familie ſchon in fridericianiſchen Tagen an¬
ſäſſig war. Bin oft drüben geweſen (nun freilich ſchon
zwanzig Jahre zurück) und komme noch einmal mit der
Frage: Haben Sie den Oberſten noch gekannt?“

„Nein, Herr Major. Er war ſchon fort, als ich zum
Regimente kam. Aber ich habe viel von ihm gehört und
auch von Köpernitz, weiß aber freilich nicht mehr, in
welchem Zuſammenhange.“

„Schade, daß Sie nur einen Tag für Stechlin feſt¬
geſetzt haben, ſonſt müßten Sie das Gut ſehen. Alles
ganz eigentümlich und beſonders auch ein Grabſtein, unter
dem eine uralte Dame von beinah' neunzig Jahren be¬
graben liegt, eine geborne von Zeuner, die ſich in früher
Jugend ſchon mit einem Emigranten am Rheinsberger
Hof, mit dem Grafen La Roche-Aymon, vermählt hatte.
Merkwürdige Frau, von der ich Ihnen erzähle, wenn ich
Sie mal wiederſehe. Nur eins müſſen Sie heute ſchon
mitanhören, denn ich glaube, Sie haben den Guſtus dafür.“

„Für alles, was Sie erzählen.“

„Keine Schmeicheleien! Aber die Geſchichte will ich
Ihnen doch als Andenken mitgeben. Andre ſchenken ſich

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[49/0056] macht. Die Welt um den Alexanderplatz herum hat übrigens ſo ihren eigenen Zauber, ſchon um einer gewiſſen Unreſidenzlichkeit willen. Ich ſehe nichts lieber als die große Markthalle, wenn beiſpielsweiſe die Fiſchtonnen mit fünfhundert Aalen in die Netze gegoſſen werden. Etwas Unglaubliches von Gezappel.“ „Finde mich ganz darin zurecht und bin auch für Alexanderplatz und Alexanderkaſerne ſamt allem, was dazu gehört. Und ſo brech' ich denn auch die Gelegenheit vom Zaun, um nach einem ihrer früheren Regimentskomman¬ deure zu fragen, dem liebenswürdigen Oberſten von Zeuner, den ich noch perſönlich gekannt habe. Hier unſre Stech¬ liner Gegend iſt nämlich Zeunergegend. Keine Stunde von hier liegt Köpernitz, eine reizende Beſitzung, drauf die Zeunerſche Familie ſchon in fridericianiſchen Tagen an¬ ſäſſig war. Bin oft drüben geweſen (nun freilich ſchon zwanzig Jahre zurück) und komme noch einmal mit der Frage: Haben Sie den Oberſten noch gekannt?“ „Nein, Herr Major. Er war ſchon fort, als ich zum Regimente kam. Aber ich habe viel von ihm gehört und auch von Köpernitz, weiß aber freilich nicht mehr, in welchem Zuſammenhange.“ „Schade, daß Sie nur einen Tag für Stechlin feſt¬ geſetzt haben, ſonſt müßten Sie das Gut ſehen. Alles ganz eigentümlich und beſonders auch ein Grabſtein, unter dem eine uralte Dame von beinah' neunzig Jahren be¬ graben liegt, eine geborne von Zeuner, die ſich in früher Jugend ſchon mit einem Emigranten am Rheinsberger Hof, mit dem Grafen La Roche-Aymon, vermählt hatte. Merkwürdige Frau, von der ich Ihnen erzähle, wenn ich Sie mal wiederſehe. Nur eins müſſen Sie heute ſchon mitanhören, denn ich glaube, Sie haben den Guſtus dafür.“ „Für alles, was Sie erzählen.“ „Keine Schmeicheleien! Aber die Geſchichte will ich Ihnen doch als Andenken mitgeben. Andre ſchenken ſich Fontane, Der Stechlin. 4

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/56>, abgerufen am 07.05.2024.