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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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entschließung hatte. Ich bin nicht für die patentierte
Freiheit der Parteiliberalen, aber ich bin doch für ein
bestimmtes Maß von Freiheit überhaupt. Und wenn
mich nicht alles täuscht, so wird auch in unsern Reihen
allmählich der Glaube lebendig, daß wir uns dabei, --
besonders auch rein praktisch-egoistisch, -- am besten stehn."

Der alte Barby freute sich sichtlich dieser Worte.
Dubslav aber fuhr fort: "Übrigens, das muß ich sagen
dürfen, lieber Graf, Sie wohnen hier brillant an Ihrem
Kronprinzenufer; ein entzückender Blick, und Fremde
würden vielleicht kaum glauben, daß an unsrer alten
Spree so was hübsches zu finden sei. Die Nieder¬
lassungs- und speziell die Wohnungsfrage spielt doch,
wo sich's um Glück und Behagen handelt, immer stark
mit, und gerade Sie, der Sie so lange draußen
waren, werden, ehe Sie hier dies Vis-a-vis von unsrer
Jungfernheide wählten, nicht ohne Bedenken gewesen
sein. In Bezug auf die Landschaft gewiß und in Bezug
auf die Menschen vielleicht."

"Sagen wir, auch da gewiß. Ich hatte wirklich
solche Bedenken. Aber sie sind niedergekämpft. Vieles
gefiel mir durchaus nicht, als ich, nach langen, langen
Jahren, aus der Fremde wieder nach hier zurückkam,
und vieles gefällt mir auch noch nicht. Überall ein zu
langsames Tempo. Wir haben in jedem Sinne zu viel
Sand um uns und in uns, und wo viel Sand ist, da
will nichts recht vorwärts, immer bloß hüh und hott.
Aber dieser Sandboden ist doch auch wieder tragfähig, nicht
glänzend, aber sicher. Er muß nur, und vor allem der
moralische, die richtige Witterung haben, also zu rechter
Zeit Regen und Sonnenschein. Und ich glaube, Kaiser
Friedrich hätt' ihm diese Witterung gebracht."

"Ich glaub' es nicht," sagte Dubslav.

"Meinen Sie, daß es ihm schließlich doch nicht ein
rechter Ernst mit der Sache war?"

entſchließung hatte. Ich bin nicht für die patentierte
Freiheit der Parteiliberalen, aber ich bin doch für ein
beſtimmtes Maß von Freiheit überhaupt. Und wenn
mich nicht alles täuſcht, ſo wird auch in unſern Reihen
allmählich der Glaube lebendig, daß wir uns dabei, —
beſonders auch rein praktiſch-egoiſtiſch, — am beſten ſtehn.“

Der alte Barby freute ſich ſichtlich dieſer Worte.
Dubslav aber fuhr fort: „Übrigens, das muß ich ſagen
dürfen, lieber Graf, Sie wohnen hier brillant an Ihrem
Kronprinzenufer; ein entzückender Blick, und Fremde
würden vielleicht kaum glauben, daß an unſrer alten
Spree ſo was hübſches zu finden ſei. Die Nieder¬
laſſungs- und ſpeziell die Wohnungsfrage ſpielt doch,
wo ſich's um Glück und Behagen handelt, immer ſtark
mit, und gerade Sie, der Sie ſo lange draußen
waren, werden, ehe Sie hier dies Vis-a-vis von unſrer
Jungfernheide wählten, nicht ohne Bedenken geweſen
ſein. In Bezug auf die Landſchaft gewiß und in Bezug
auf die Menſchen vielleicht.“

„Sagen wir, auch da gewiß. Ich hatte wirklich
ſolche Bedenken. Aber ſie ſind niedergekämpft. Vieles
gefiel mir durchaus nicht, als ich, nach langen, langen
Jahren, aus der Fremde wieder nach hier zurückkam,
und vieles gefällt mir auch noch nicht. Überall ein zu
langſames Tempo. Wir haben in jedem Sinne zu viel
Sand um uns und in uns, und wo viel Sand iſt, da
will nichts recht vorwärts, immer bloß hüh und hott.
Aber dieſer Sandboden iſt doch auch wieder tragfähig, nicht
glänzend, aber ſicher. Er muß nur, und vor allem der
moraliſche, die richtige Witterung haben, alſo zu rechter
Zeit Regen und Sonnenſchein. Und ich glaube, Kaiſer
Friedrich hätt' ihm dieſe Witterung gebracht.“

„Ich glaub' es nicht,“ ſagte Dubslav.

„Meinen Sie, daß es ihm ſchließlich doch nicht ein
rechter Ernſt mit der Sache war?“

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[404/0411] entſchließung hatte. Ich bin nicht für die patentierte Freiheit der Parteiliberalen, aber ich bin doch für ein beſtimmtes Maß von Freiheit überhaupt. Und wenn mich nicht alles täuſcht, ſo wird auch in unſern Reihen allmählich der Glaube lebendig, daß wir uns dabei, — beſonders auch rein praktiſch-egoiſtiſch, — am beſten ſtehn.“ Der alte Barby freute ſich ſichtlich dieſer Worte. Dubslav aber fuhr fort: „Übrigens, das muß ich ſagen dürfen, lieber Graf, Sie wohnen hier brillant an Ihrem Kronprinzenufer; ein entzückender Blick, und Fremde würden vielleicht kaum glauben, daß an unſrer alten Spree ſo was hübſches zu finden ſei. Die Nieder¬ laſſungs- und ſpeziell die Wohnungsfrage ſpielt doch, wo ſich's um Glück und Behagen handelt, immer ſtark mit, und gerade Sie, der Sie ſo lange draußen waren, werden, ehe Sie hier dies Vis-a-vis von unſrer Jungfernheide wählten, nicht ohne Bedenken geweſen ſein. In Bezug auf die Landſchaft gewiß und in Bezug auf die Menſchen vielleicht.“ „Sagen wir, auch da gewiß. Ich hatte wirklich ſolche Bedenken. Aber ſie ſind niedergekämpft. Vieles gefiel mir durchaus nicht, als ich, nach langen, langen Jahren, aus der Fremde wieder nach hier zurückkam, und vieles gefällt mir auch noch nicht. Überall ein zu langſames Tempo. Wir haben in jedem Sinne zu viel Sand um uns und in uns, und wo viel Sand iſt, da will nichts recht vorwärts, immer bloß hüh und hott. Aber dieſer Sandboden iſt doch auch wieder tragfähig, nicht glänzend, aber ſicher. Er muß nur, und vor allem der moraliſche, die richtige Witterung haben, alſo zu rechter Zeit Regen und Sonnenſchein. Und ich glaube, Kaiſer Friedrich hätt' ihm dieſe Witterung gebracht.“ „Ich glaub' es nicht,“ ſagte Dubslav. „Meinen Sie, daß es ihm ſchließlich doch nicht ein rechter Ernſt mit der Sache war?“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/411>, abgerufen am 22.11.2024.