Bitte, rücken Sie heran. Es ging während unsers kleinen Diners alles so rasch, und ich wette, Sie sind bei dem Kaffee ganz erheblich zu kurz gekommen. Der Moment, wo das Bier herumgereicht wird, ist in den Augen des modernen Menschen immer das wichtigste; da wird dann der Kaffeezeit manches abgeknapst."
Und dabei drückte er auf den Knopf der Klingel.
"Jeserich, noch eine Tasse für Herrn von Stechlin und natürlich einen Cognac oder Curacao oder lieber die ganze ,Benedektinerabtei', -- Witz von Cujacius, für den Sie mich also nicht verantwortlich machen dürfen ... Leider werde ich Ihnen diesem ,zweiten Kaffee' nicht Gesellschaft leisten können; ich habe mich schon bei Tische mit einer lügnerisch und bloß anstands¬ halber in einen Champagnerkübel gestellten Apollinaris¬ flasche begnügen müssen. Aber was hilft es, man will doch nicht auffallen mit all seinen Gebresten."
Dubslav war der Aufforderung des alten Grafen nachgekommen und saß, eine Lampe mit grünem Schirm zwischen sich und ihm, seinem Wirte gerade gegenüber. Jeserich kam mit der Tablette.
"Den Cognac," fuhr der alte Barby fort, "kann ich Ihnen empfehlen; noch Beziehungen aus Zeiten her, wo man mit einem Franzosen ungeniert sprechen und nach einer guten Firma fragen konnte. Waren Sie sieb¬ zig noch mit dabei?"
"Ja, so halb. Eigentlich auch das kaum. Aus meinem Regiment war ich lange heraus. Nur als Johanniter."
"Ganz wie ich selber."
"Eine wundervolle Zeit dieser Winter siebzig," fuhr Dubslav fort, "auch rein persönlich angesehn. Ich hatte damals das, was mir zeitlebens, wenn auch nicht absolut, so doch mehr als wünschenswert gefehlt hatte: Fühlung mit der großen Welt. Es heißt immer, der Adel ge¬
Bitte, rücken Sie heran. Es ging während unſers kleinen Diners alles ſo raſch, und ich wette, Sie ſind bei dem Kaffee ganz erheblich zu kurz gekommen. Der Moment, wo das Bier herumgereicht wird, iſt in den Augen des modernen Menſchen immer das wichtigſte; da wird dann der Kaffeezeit manches abgeknapſt.“
Und dabei drückte er auf den Knopf der Klingel.
„Jeſerich, noch eine Taſſe für Herrn von Stechlin und natürlich einen Cognac oder Curaçao oder lieber die ganze ‚Benedektinerabtei‘, — Witz von Cujacius, für den Sie mich alſo nicht verantwortlich machen dürfen ... Leider werde ich Ihnen dieſem ‚zweiten Kaffee‘ nicht Geſellſchaft leiſten können; ich habe mich ſchon bei Tiſche mit einer lügneriſch und bloß anſtands¬ halber in einen Champagnerkübel geſtellten Apollinaris¬ flaſche begnügen müſſen. Aber was hilft es, man will doch nicht auffallen mit all ſeinen Gebreſten.“
Dubslav war der Aufforderung des alten Grafen nachgekommen und ſaß, eine Lampe mit grünem Schirm zwiſchen ſich und ihm, ſeinem Wirte gerade gegenüber. Jeſerich kam mit der Tablette.
„Den Cognac,“ fuhr der alte Barby fort, „kann ich Ihnen empfehlen; noch Beziehungen aus Zeiten her, wo man mit einem Franzoſen ungeniert ſprechen und nach einer guten Firma fragen konnte. Waren Sie ſieb¬ zig noch mit dabei?“
„Ja, ſo halb. Eigentlich auch das kaum. Aus meinem Regiment war ich lange heraus. Nur als Johanniter.“
„Ganz wie ich ſelber.“
„Eine wundervolle Zeit dieſer Winter ſiebzig,“ fuhr Dubslav fort, „auch rein perſönlich angeſehn. Ich hatte damals das, was mir zeitlebens, wenn auch nicht abſolut, ſo doch mehr als wünſchenswert gefehlt hatte: Fühlung mit der großen Welt. Es heißt immer, der Adel ge¬
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Bitte, rücken Sie heran. Es ging während unſers kleinen
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Kaffee ganz erheblich zu kurz gekommen. Der Moment,
wo das Bier herumgereicht wird, iſt in den Augen des
modernen Menſchen immer das wichtigſte; da wird dann
der Kaffeezeit manches abgeknapſt.“
Und dabei drückte er auf den Knopf der Klingel.
„Jeſerich, noch eine Taſſe für Herrn von Stechlin
und natürlich einen Cognac oder Curaçao oder lieber
die ganze ‚Benedektinerabtei‘, — Witz von Cujacius,
für den Sie mich alſo nicht verantwortlich machen
dürfen ... Leider werde ich Ihnen dieſem ‚zweiten
Kaffee‘ nicht Geſellſchaft leiſten können; ich habe mich
ſchon bei Tiſche mit einer lügneriſch und bloß anſtands¬
halber in einen Champagnerkübel geſtellten Apollinaris¬
flaſche begnügen müſſen. Aber was hilft es, man will
doch nicht auffallen mit all ſeinen Gebreſten.“
Dubslav war der Aufforderung des alten Grafen
nachgekommen und ſaß, eine Lampe mit grünem Schirm
zwiſchen ſich und ihm, ſeinem Wirte gerade gegenüber.
Jeſerich kam mit der Tablette.
„Den Cognac,“ fuhr der alte Barby fort, „kann
ich Ihnen empfehlen; noch Beziehungen aus Zeiten her,
wo man mit einem Franzoſen ungeniert ſprechen und
nach einer guten Firma fragen konnte. Waren Sie ſieb¬
zig noch mit dabei?“
„Ja, ſo halb. Eigentlich auch das kaum. Aus
meinem Regiment war ich lange heraus. Nur als
Johanniter.“
„Ganz wie ich ſelber.“
„Eine wundervolle Zeit dieſer Winter ſiebzig,“ fuhr
Dubslav fort, „auch rein perſönlich angeſehn. Ich hatte
damals das, was mir zeitlebens, wenn auch nicht abſolut,
ſo doch mehr als wünſchenswert gefehlt hatte: Fühlung
mit der großen Welt. Es heißt immer, der Adel ge¬
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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/409>, abgerufen am 25.11.2024.
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