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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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König habe ihr den Hof gemacht. Und dazu dann
Forellen und ein Landjäger, der eben einen Wilderer
oder Haberfeldtreiber über den stillen See bringt. An
solchen Stellen ist es am schönsten. Und ist der See
aufgeregt, so ist es noch schöner. Das alles würde
mir unser Baron Berchtesgaden, der da drüben sitzt,
gewiß gern bestätigen und Sie, Herr Hofprediger, be¬
stätigen es mir schließlich auch. Denn mir fällt eben
ein, Sie waren ja mit unserm guten Kaiser Wilhelm,
dem letzten Menschen, der noch ein wirklicher Mensch
war, immer in Gastein zusammen und viel an seiner
Seite. Jetzt hat man statt des wirklichen Menschen den
sogenannten Übermenschen etabliert; eigentlich giebt es
aber bloß noch Untermenschen, und mitunter sind es
gerade die, die man durchaus zu einem "Über" machen
will. Ich habe von solchen Leuten gelesen und auch
welche gesehn. Ein Glück, daß es, nach meiner Wahr¬
nehmung, immer entschieden komische Figuren sind,
sonst könnte man verzweifeln. Und daneben unser alter
Wilhelm! Wie war er denn so, wenn er so still seine
Sommertage verbrachte? Können Sie mir was von
ihm erzählen? So was, woran man ihn so recht
eigentlich erkennt."

"Ich darf sagen ,ja', Herr von Stechlin. Habe
so was mit ihm erlebt. Eine ganz kleine Geschichte;
aber das sind gerade die besten. Da hatten wir mal
einen schweren Regentag in Gastein, so daß der alte
Herr nicht ins Freie kam, und statt draußen in den
Bergen, in seinem großen Wohnzimmer seinen gewohnten
Spaziergang machen mußte, so gut es eben ging. Unter
ihm aber (was er wußte) lag ein Schwerkranker. Und
nun denken Sie sich, als ich bei dem guten alten Kaiser
eintrete, seh' ich ihn, wie er da lange Läufer und
Teppiche zusammenschleppt und übereinander packt, und
als er mein Erstaunen sieht, sagt er mit einem unbe¬

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König habe ihr den Hof gemacht. Und dazu dann
Forellen und ein Landjäger, der eben einen Wilderer
oder Haberfeldtreiber über den ſtillen See bringt. An
ſolchen Stellen iſt es am ſchönſten. Und iſt der See
aufgeregt, ſo iſt es noch ſchöner. Das alles würde
mir unſer Baron Berchtesgaden, der da drüben ſitzt,
gewiß gern beſtätigen und Sie, Herr Hofprediger, be¬
ſtätigen es mir ſchließlich auch. Denn mir fällt eben
ein, Sie waren ja mit unſerm guten Kaiſer Wilhelm,
dem letzten Menſchen, der noch ein wirklicher Menſch
war, immer in Gaſtein zuſammen und viel an ſeiner
Seite. Jetzt hat man ſtatt des wirklichen Menſchen den
ſogenannten Übermenſchen etabliert; eigentlich giebt es
aber bloß noch Untermenſchen, und mitunter ſind es
gerade die, die man durchaus zu einem „Über“ machen
will. Ich habe von ſolchen Leuten geleſen und auch
welche geſehn. Ein Glück, daß es, nach meiner Wahr¬
nehmung, immer entſchieden komiſche Figuren ſind,
ſonſt könnte man verzweifeln. Und daneben unſer alter
Wilhelm! Wie war er denn ſo, wenn er ſo ſtill ſeine
Sommertage verbrachte? Können Sie mir was von
ihm erzählen? So was, woran man ihn ſo recht
eigentlich erkennt.“

„Ich darf ſagen ‚ja‘, Herr von Stechlin. Habe
ſo was mit ihm erlebt. Eine ganz kleine Geſchichte;
aber das ſind gerade die beſten. Da hatten wir mal
einen ſchweren Regentag in Gaſtein, ſo daß der alte
Herr nicht ins Freie kam, und ſtatt draußen in den
Bergen, in ſeinem großen Wohnzimmer ſeinen gewohnten
Spaziergang machen mußte, ſo gut es eben ging. Unter
ihm aber (was er wußte) lag ein Schwerkranker. Und
nun denken Sie ſich, als ich bei dem guten alten Kaiſer
eintrete, ſeh' ich ihn, wie er da lange Läufer und
Teppiche zuſammenſchleppt und übereinander packt, und
als er mein Erſtaunen ſieht, ſagt er mit einem unbe¬

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[387/0394] König habe ihr den Hof gemacht. Und dazu dann Forellen und ein Landjäger, der eben einen Wilderer oder Haberfeldtreiber über den ſtillen See bringt. An ſolchen Stellen iſt es am ſchönſten. Und iſt der See aufgeregt, ſo iſt es noch ſchöner. Das alles würde mir unſer Baron Berchtesgaden, der da drüben ſitzt, gewiß gern beſtätigen und Sie, Herr Hofprediger, be¬ ſtätigen es mir ſchließlich auch. Denn mir fällt eben ein, Sie waren ja mit unſerm guten Kaiſer Wilhelm, dem letzten Menſchen, der noch ein wirklicher Menſch war, immer in Gaſtein zuſammen und viel an ſeiner Seite. Jetzt hat man ſtatt des wirklichen Menſchen den ſogenannten Übermenſchen etabliert; eigentlich giebt es aber bloß noch Untermenſchen, und mitunter ſind es gerade die, die man durchaus zu einem „Über“ machen will. Ich habe von ſolchen Leuten geleſen und auch welche geſehn. Ein Glück, daß es, nach meiner Wahr¬ nehmung, immer entſchieden komiſche Figuren ſind, ſonſt könnte man verzweifeln. Und daneben unſer alter Wilhelm! Wie war er denn ſo, wenn er ſo ſtill ſeine Sommertage verbrachte? Können Sie mir was von ihm erzählen? So was, woran man ihn ſo recht eigentlich erkennt.“ „Ich darf ſagen ‚ja‘, Herr von Stechlin. Habe ſo was mit ihm erlebt. Eine ganz kleine Geſchichte; aber das ſind gerade die beſten. Da hatten wir mal einen ſchweren Regentag in Gaſtein, ſo daß der alte Herr nicht ins Freie kam, und ſtatt draußen in den Bergen, in ſeinem großen Wohnzimmer ſeinen gewohnten Spaziergang machen mußte, ſo gut es eben ging. Unter ihm aber (was er wußte) lag ein Schwerkranker. Und nun denken Sie ſich, als ich bei dem guten alten Kaiſer eintrete, ſeh' ich ihn, wie er da lange Läufer und Teppiche zuſammenſchleppt und übereinander packt, und als er mein Erſtaunen ſieht, ſagt er mit einem unbe¬ 25*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/394>, abgerufen am 22.11.2024.