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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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und halb englisch sind. Im übrigen hab ich mir sagen
lassen, es geht drüben auch ohne die Sprache. Herbst¬
felde, Sie waren ja voriges Jahr da. Mit gutem
Deutsch und schlechtem Französisch kommt man überall
durch."

"Ja," sagte Herbstfelde. "Bloß ein bißchen Landes¬
sprache muß doch noch dazu kommen. Indessen, es giebt
ja kleine Vademekums, und da muß man dann eben
nachschlagen, bis man's hat. Sonst sind hundert Vokabeln
genug. Als ich noch zu Hause war, hatten wir da
ganz in unsrer Nachbarschaft einen verdrehten alten
Herrn, der -- eh' ihn die Gicht unterkriegte -- sich so
ziemlich in der ganzen Welt herumgetrieben hatte.
Pro neues Land immer neue hundert Vokabeln. Unter
anderm war er auch mal in Südrußland gewesen, von
welcher Zeit ab -- und zwar nach vorgängiger, vor
einem großen Liqueurkasten stattgehabten Anfreundung
mit einem uralten Popen -- er das Amendement zu
stellen pflegte: ,Hundert Vokabeln; aber bei 'nem Popen
bloß fünfzig?' Und das muß ich sagen, ich habe das mit
den hundert in England durchaus bestätigt gefunden.
,Mary, please, a jug of hot water,' so viel muß man
weghaben, sonst sitzt man da. Denn der Naturengländer
weiß gar nichts."

"Wie lange waren Sie denn eigentlich drüben,
Herbstfelde?"

"Drei Wochen. Aber die Reisetage mitgerechnet."

"Und sind Sie so ziemlich auf Ihre Kosten ge¬
kommen? Einblick ins Volksleben, Parlament, Oxford,
Cambridge, Gladstone?"

Herbstfelde nickte.

"Und wenn Sie nun so alles zusammennehmen,
was hat da so den meisten Eindruck auf Sie gemacht?
Architektur, Kunst, Leben, die Schiffe, die großen
Brücken? Die Straßenjungens, wenn man in einem

Fontane, Der Stechlin. 18

und halb engliſch ſind. Im übrigen hab ich mir ſagen
laſſen, es geht drüben auch ohne die Sprache. Herbſt¬
felde, Sie waren ja voriges Jahr da. Mit gutem
Deutſch und ſchlechtem Franzöſiſch kommt man überall
durch.“

„Ja,“ ſagte Herbſtfelde. „Bloß ein bißchen Landes¬
ſprache muß doch noch dazu kommen. Indeſſen, es giebt
ja kleine Vademekums, und da muß man dann eben
nachſchlagen, bis man's hat. Sonſt ſind hundert Vokabeln
genug. Als ich noch zu Hauſe war, hatten wir da
ganz in unſrer Nachbarſchaft einen verdrehten alten
Herrn, der — eh' ihn die Gicht unterkriegte — ſich ſo
ziemlich in der ganzen Welt herumgetrieben hatte.
Pro neues Land immer neue hundert Vokabeln. Unter
anderm war er auch mal in Südrußland geweſen, von
welcher Zeit ab — und zwar nach vorgängiger, vor
einem großen Liqueurkaſten ſtattgehabten Anfreundung
mit einem uralten Popen — er das Amendement zu
ſtellen pflegte: ,Hundert Vokabeln; aber bei 'nem Popen
bloß fünfzig?‘ Und das muß ich ſagen, ich habe das mit
den hundert in England durchaus beſtätigt gefunden.
Mary, please, a jug of hot water,‘ ſo viel muß man
weghaben, ſonſt ſitzt man da. Denn der Naturengländer
weiß gar nichts.“

„Wie lange waren Sie denn eigentlich drüben,
Herbſtfelde?“

„Drei Wochen. Aber die Reiſetage mitgerechnet.“

„Und ſind Sie ſo ziemlich auf Ihre Koſten ge¬
kommen? Einblick ins Volksleben, Parlament, Oxford,
Cambridge, Gladſtone?“

Herbſtfelde nickte.

„Und wenn Sie nun ſo alles zuſammennehmen,
was hat da ſo den meiſten Eindruck auf Sie gemacht?
Architektur, Kunſt, Leben, die Schiffe, die großen
Brücken? Die Straßenjungens, wenn man in einem

Fontane, Der Stechlin. 18
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[273/0280] und halb engliſch ſind. Im übrigen hab ich mir ſagen laſſen, es geht drüben auch ohne die Sprache. Herbſt¬ felde, Sie waren ja voriges Jahr da. Mit gutem Deutſch und ſchlechtem Franzöſiſch kommt man überall durch.“ „Ja,“ ſagte Herbſtfelde. „Bloß ein bißchen Landes¬ ſprache muß doch noch dazu kommen. Indeſſen, es giebt ja kleine Vademekums, und da muß man dann eben nachſchlagen, bis man's hat. Sonſt ſind hundert Vokabeln genug. Als ich noch zu Hauſe war, hatten wir da ganz in unſrer Nachbarſchaft einen verdrehten alten Herrn, der — eh' ihn die Gicht unterkriegte — ſich ſo ziemlich in der ganzen Welt herumgetrieben hatte. Pro neues Land immer neue hundert Vokabeln. Unter anderm war er auch mal in Südrußland geweſen, von welcher Zeit ab — und zwar nach vorgängiger, vor einem großen Liqueurkaſten ſtattgehabten Anfreundung mit einem uralten Popen — er das Amendement zu ſtellen pflegte: ,Hundert Vokabeln; aber bei 'nem Popen bloß fünfzig?‘ Und das muß ich ſagen, ich habe das mit den hundert in England durchaus beſtätigt gefunden. ‚Mary, please, a jug of hot water,‘ ſo viel muß man weghaben, ſonſt ſitzt man da. Denn der Naturengländer weiß gar nichts.“ „Wie lange waren Sie denn eigentlich drüben, Herbſtfelde?“ „Drei Wochen. Aber die Reiſetage mitgerechnet.“ „Und ſind Sie ſo ziemlich auf Ihre Koſten ge¬ kommen? Einblick ins Volksleben, Parlament, Oxford, Cambridge, Gladſtone?“ Herbſtfelde nickte. „Und wenn Sie nun ſo alles zuſammennehmen, was hat da ſo den meiſten Eindruck auf Sie gemacht? Architektur, Kunſt, Leben, die Schiffe, die großen Brücken? Die Straßenjungens, wenn man in einem Fontane, Der Stechlin. 18

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/280>, abgerufen am 23.11.2024.