kurrieren! Ein Glück, daß manche prinzipiell einen Post¬ tag zu spät kommen. Ich meine mit den neuesten Nach¬ richten. Vielleicht auch sonst noch."
"Sehr wahr," lachte Dubslav. "Der Konserva¬ tismus soll übrigens, seinem Wesen nach, eine Bremse sein; damit muß man vieles entschuldigen. Aber da kommen Ihre Mantelsäcke, meine Herren. Engelke, führe die Herren auf ihr Zimmer. Wir haben jetzt sechsein¬ viertel. Um sieben, wenn ich bitten darf."
Engelke hatte mittlerweile die beiden von Dubslav etwas altmodisch als "Mantelsäcke" bezeichneten Plaid¬ rollen in die Hand genommen und ging damit, den beiden Herren voran, auf die doppelarmige Treppe zu, die gerade da, wo die beiden Arme derselben sich kreuzten, einen ziemlich geräumigen Podest mit Säulchengalerie bildete. Zwischen den Säulchen aber, und zwar mit Blick auf den Flur, war eine Rokoko-Uhr angebracht, mit einem Zeitgott darüber, der eine Hippe führte. Czako wies darauf hin und sagte leise zu Rex: "Ein bißchen graulich," -- ein Gefühl, drin er sich bestärkt sah, als man bis auf den mit ungeheurer Raumverschwendung angelegten Oberflur gekommen war. Über einer nach hinten zu gelegenen Saalthür hing eine Holztafel mit der Inschrift: "Museum", während hüben und drüben, an den Flurwänden links und rechts, mächtige Birkenmaser- und Ebenholzschränke standen, wahre Prachtstücke, mit zwei großen Bildern dazwischen, eines eine Burg mit dicken Backsteintürmen, das andre ein überlebensgroßer Ritter, augenscheinlich aus der Frundsbergzeit, wo das bunt Landsknechtliche schon die Rüstung zu drapieren begann.
"Is wohl ein Ahn?" fragte Czako.
"Ja, Herr Hauptmann. Und er ist auch unten in der Kirche."
"Auch so wie hier?"
2 *
kurrieren! Ein Glück, daß manche prinzipiell einen Poſt¬ tag zu ſpät kommen. Ich meine mit den neueſten Nach¬ richten. Vielleicht auch ſonſt noch.“
„Sehr wahr,“ lachte Dubslav. „Der Konſerva¬ tismus ſoll übrigens, ſeinem Weſen nach, eine Bremſe ſein; damit muß man vieles entſchuldigen. Aber da kommen Ihre Mantelſäcke, meine Herren. Engelke, führe die Herren auf ihr Zimmer. Wir haben jetzt ſechsein¬ viertel. Um ſieben, wenn ich bitten darf.“
Engelke hatte mittlerweile die beiden von Dubslav etwas altmodiſch als „Mantelſäcke“ bezeichneten Plaid¬ rollen in die Hand genommen und ging damit, den beiden Herren voran, auf die doppelarmige Treppe zu, die gerade da, wo die beiden Arme derſelben ſich kreuzten, einen ziemlich geräumigen Podeſt mit Säulchengalerie bildete. Zwiſchen den Säulchen aber, und zwar mit Blick auf den Flur, war eine Rokoko-Uhr angebracht, mit einem Zeitgott darüber, der eine Hippe führte. Czako wies darauf hin und ſagte leiſe zu Rex: „Ein bißchen graulich,“ — ein Gefühl, drin er ſich beſtärkt ſah, als man bis auf den mit ungeheurer Raumverſchwendung angelegten Oberflur gekommen war. Über einer nach hinten zu gelegenen Saalthür hing eine Holztafel mit der Inſchrift: „Muſeum“, während hüben und drüben, an den Flurwänden links und rechts, mächtige Birkenmaſer- und Ebenholzſchränke ſtanden, wahre Prachtſtücke, mit zwei großen Bildern dazwiſchen, eines eine Burg mit dicken Backſteintürmen, das andre ein überlebensgroßer Ritter, augenſcheinlich aus der Frundsbergzeit, wo das bunt Landsknechtliche ſchon die Rüſtung zu drapieren begann.
„Is wohl ein Ahn?“ fragte Czako.
„Ja, Herr Hauptmann. Und er iſt auch unten in der Kirche.“
„Auch ſo wie hier?“
2 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0026"n="19"/>
kurrieren! Ein Glück, daß manche prinzipiell einen Poſt¬<lb/>
tag zu ſpät kommen. Ich meine mit den neueſten Nach¬<lb/>
richten. Vielleicht auch ſonſt noch.“</p><lb/><p>„Sehr wahr,“ lachte Dubslav. „Der Konſerva¬<lb/>
tismus ſoll übrigens, ſeinem Weſen nach, eine Bremſe<lb/>ſein; damit muß man vieles entſchuldigen. Aber da<lb/>
kommen Ihre Mantelſäcke, meine Herren. Engelke, führe<lb/>
die Herren auf ihr Zimmer. Wir haben jetzt ſechsein¬<lb/>
viertel. Um ſieben, wenn ich bitten darf.“</p><lb/><p>Engelke hatte mittlerweile die beiden von Dubslav<lb/>
etwas altmodiſch als „Mantelſäcke“ bezeichneten Plaid¬<lb/>
rollen in die Hand genommen und ging damit, den<lb/>
beiden Herren voran, auf die doppelarmige Treppe zu,<lb/>
die gerade da, wo die beiden Arme derſelben ſich kreuzten,<lb/>
einen ziemlich geräumigen Podeſt mit Säulchengalerie<lb/>
bildete. Zwiſchen den Säulchen aber, und zwar mit Blick<lb/>
auf den Flur, war eine Rokoko-Uhr angebracht, mit<lb/>
einem Zeitgott darüber, der eine Hippe führte. Czako<lb/>
wies darauf hin und ſagte leiſe zu Rex: „Ein bißchen<lb/>
graulich,“— ein Gefühl, drin er ſich beſtärkt ſah, als<lb/>
man bis auf den mit ungeheurer Raumverſchwendung<lb/>
angelegten Oberflur gekommen war. Über einer nach<lb/>
hinten zu gelegenen Saalthür hing eine Holztafel mit der<lb/>
Inſchrift: „Muſeum“, während hüben und drüben, an<lb/>
den Flurwänden links und rechts, mächtige Birkenmaſer-<lb/>
und Ebenholzſchränke ſtanden, wahre Prachtſtücke, mit<lb/>
zwei großen Bildern dazwiſchen, eines eine Burg mit<lb/>
dicken Backſteintürmen, das andre ein überlebensgroßer<lb/>
Ritter, augenſcheinlich aus der Frundsbergzeit, wo das<lb/>
bunt Landsknechtliche ſchon die Rüſtung zu drapieren<lb/>
begann.</p><lb/><p>„Is wohl ein Ahn?“ fragte Czako.</p><lb/><p>„Ja, Herr Hauptmann. Und er iſt auch unten in<lb/>
der Kirche.“</p><lb/><p>„Auch ſo wie hier?“<lb/></p><fwplace="bottom"type="sig">2 *<lb/></fw></div></div></body></text></TEI>
[19/0026]
kurrieren! Ein Glück, daß manche prinzipiell einen Poſt¬
tag zu ſpät kommen. Ich meine mit den neueſten Nach¬
richten. Vielleicht auch ſonſt noch.“
„Sehr wahr,“ lachte Dubslav. „Der Konſerva¬
tismus ſoll übrigens, ſeinem Weſen nach, eine Bremſe
ſein; damit muß man vieles entſchuldigen. Aber da
kommen Ihre Mantelſäcke, meine Herren. Engelke, führe
die Herren auf ihr Zimmer. Wir haben jetzt ſechsein¬
viertel. Um ſieben, wenn ich bitten darf.“
Engelke hatte mittlerweile die beiden von Dubslav
etwas altmodiſch als „Mantelſäcke“ bezeichneten Plaid¬
rollen in die Hand genommen und ging damit, den
beiden Herren voran, auf die doppelarmige Treppe zu,
die gerade da, wo die beiden Arme derſelben ſich kreuzten,
einen ziemlich geräumigen Podeſt mit Säulchengalerie
bildete. Zwiſchen den Säulchen aber, und zwar mit Blick
auf den Flur, war eine Rokoko-Uhr angebracht, mit
einem Zeitgott darüber, der eine Hippe führte. Czako
wies darauf hin und ſagte leiſe zu Rex: „Ein bißchen
graulich,“ — ein Gefühl, drin er ſich beſtärkt ſah, als
man bis auf den mit ungeheurer Raumverſchwendung
angelegten Oberflur gekommen war. Über einer nach
hinten zu gelegenen Saalthür hing eine Holztafel mit der
Inſchrift: „Muſeum“, während hüben und drüben, an
den Flurwänden links und rechts, mächtige Birkenmaſer-
und Ebenholzſchränke ſtanden, wahre Prachtſtücke, mit
zwei großen Bildern dazwiſchen, eines eine Burg mit
dicken Backſteintürmen, das andre ein überlebensgroßer
Ritter, augenſcheinlich aus der Frundsbergzeit, wo das
bunt Landsknechtliche ſchon die Rüſtung zu drapieren
begann.
„Is wohl ein Ahn?“ fragte Czako.
„Ja, Herr Hauptmann. Und er iſt auch unten in
der Kirche.“
„Auch ſo wie hier?“
2 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/26>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.