Um sechs stand das Wahlresultat so gut wie fest; einige Meldungen fehlten noch, aber das war aus Ort¬ schaften, die mit ihren paar Stimmen nichts mehr ändern konnten. Es lag zu Tage, daß die Sozialdemokraten einen beinahe glänzenden Sieg davon getragen hatten; der alte Stechlin stand weit zurück, Fortschrittler Katzen¬ stein aus Gransee noch weiter. Im ganzen aber ließen beide besiegte Parteien dies ruhig über sich ergehen; bei den Freisinnigen war wenig, bei den Konservativen gar nichts von Verstimmung zu merken. Dubslav nahm es ganz von der heiteren Seite, seine Parteigenossen noch mehr, von denen eigentlich ein jeder dachte: "Siegen ist gut, aber zu Tische gehen ist noch besser." Und in der That, gegessen mußte werden. Alles sehnte sich danach, bei Forellen und einem guten Chablis die langweilige Prozedur zu vergessen. Und war man erst mit den Forellen fertig, und dämmerte der Reh¬ rücken am Horizont herauf, so war auch der Sekt in Sicht. Im "Prinz-Regenten" hielt man auf eine gute Marke.
Durch den oberen Saal hin zog sich die Tafel: der Mehrzahl nach Rittergutsbesitzer und Domänen¬ pächter, aber auch Gerichtsräte, die so glücklich waren, den "Hauptmann in der Reserve" mit auf ihre Karte setzen zu können. Zu diesem Gros d'Armee gesellten
Zwanzigſtes Kapitel.
Um ſechs ſtand das Wahlreſultat ſo gut wie feſt; einige Meldungen fehlten noch, aber das war aus Ort¬ ſchaften, die mit ihren paar Stimmen nichts mehr ändern konnten. Es lag zu Tage, daß die Sozialdemokraten einen beinahe glänzenden Sieg davon getragen hatten; der alte Stechlin ſtand weit zurück, Fortſchrittler Katzen¬ ſtein aus Granſee noch weiter. Im ganzen aber ließen beide beſiegte Parteien dies ruhig über ſich ergehen; bei den Freiſinnigen war wenig, bei den Konſervativen gar nichts von Verſtimmung zu merken. Dubslav nahm es ganz von der heiteren Seite, ſeine Parteigenoſſen noch mehr, von denen eigentlich ein jeder dachte: „Siegen iſt gut, aber zu Tiſche gehen iſt noch beſſer.“ Und in der That, gegeſſen mußte werden. Alles ſehnte ſich danach, bei Forellen und einem guten Chablis die langweilige Prozedur zu vergeſſen. Und war man erſt mit den Forellen fertig, und dämmerte der Reh¬ rücken am Horizont herauf, ſo war auch der Sekt in Sicht. Im „Prinz-Regenten“ hielt man auf eine gute Marke.
Durch den oberen Saal hin zog ſich die Tafel: der Mehrzahl nach Rittergutsbeſitzer und Domänen¬ pächter, aber auch Gerichtsräte, die ſo glücklich waren, den „Hauptmann in der Reſerve“ mit auf ihre Karte ſetzen zu können. Zu dieſem Gros d'Armee geſellten
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Zwanzigſtes Kapitel.
Um ſechs ſtand das Wahlreſultat ſo gut wie feſt;
einige Meldungen fehlten noch, aber das war aus Ort¬
ſchaften, die mit ihren paar Stimmen nichts mehr ändern
konnten. Es lag zu Tage, daß die Sozialdemokraten
einen beinahe glänzenden Sieg davon getragen hatten;
der alte Stechlin ſtand weit zurück, Fortſchrittler Katzen¬
ſtein aus Granſee noch weiter. Im ganzen aber ließen
beide beſiegte Parteien dies ruhig über ſich ergehen;
bei den Freiſinnigen war wenig, bei den Konſervativen
gar nichts von Verſtimmung zu merken. Dubslav nahm
es ganz von der heiteren Seite, ſeine Parteigenoſſen
noch mehr, von denen eigentlich ein jeder dachte: „Siegen
iſt gut, aber zu Tiſche gehen iſt noch beſſer.“ Und in
der That, gegeſſen mußte werden. Alles ſehnte ſich
danach, bei Forellen und einem guten Chablis die
langweilige Prozedur zu vergeſſen. Und war man
erſt mit den Forellen fertig, und dämmerte der Reh¬
rücken am Horizont herauf, ſo war auch der Sekt in
Sicht. Im „Prinz-Regenten“ hielt man auf eine gute
Marke.
Durch den oberen Saal hin zog ſich die Tafel:
der Mehrzahl nach Rittergutsbeſitzer und Domänen¬
pächter, aber auch Gerichtsräte, die ſo glücklich waren,
den „Hauptmann in der Reſerve“ mit auf ihre Karte
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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. [246]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/253>, abgerufen am 22.11.2024.
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