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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Katzler, unter Verneigung, setzte sich wieder, während
sich Krippenstapel erhob. Er blätterte wie ein Rechts¬
anwalt in einer Anzahl von Papieren und sagte dann:
"Ich folge der Aufforderung des Herrn Vorsitzenden und
freue mich, berufen zu sein, ein Schriftstück zur Verlesung
zu bringen, das unser aller Gefühlen -- ich bin dessen
sicher und glaube von den Einschränkungen, die unser Herr
Vorsitzender gemacht hat, absehen zu dürfen -- zu kräftig¬
stem Ausdruck verhilft."

Und nun setzte Krippenstapel seine Hornbrille auf
und las. Es war ein ganz kurzes Schriftstück und ent¬
hielt eigentlich dasselbe, was Katzler schon gesagt hatte.
Die Betonungen Krippenstapels sorgten aber dafür, daß
der Beifall reichlicher war, und daß die Schlußwendung
"und so vereinigen wir uns denn in dem Satze: was
um den Stechlin herum wohnt, das ist für Stechlin,"
einen ungeheuren Beifall fand. Pyterke hob seinen Helm
und stieß mit dem Pallasch auf, während Uncke sich um¬
sah, ob doch vielleicht ein einzelner Übelwollender zu
notieren sei. Nicht um ihn direkt anzuzeigen, aber doch
zur Kenntnisnahme. Brose, der (wohl eine Folge seines
Berufs) unter dem ungewohnten langen Stillstehen ge¬
litten hatte, nahm im Vorflur, wie zur Niederkämpfung
seiner Beinnervosität, eine Art Probegeschwindschritt rasch
wieder auf, während Kluckhuhn sich von seinem Stuhl
erhob, um Katzler erst militärisch und dann unter gewöhn¬
licher Verbeugung zu begrüßen, wobei seine Düppelmedaille
dem Katzlerschen Eisernen Kreuz entgegenpendelte. Nur
Koseleger und Lorenzen blieben ruhig. Um des Super¬
intendenten Mund war ein leiser ironischer Zug.

Dann erklärte der Vorsitzende die Sitzung für ge¬
schlossen; alles brach auf, und nur Uncke sagte zu Brose:
"Wir bleiben noch, Brose; morgen wird es Lauferei genug
geben."

"Denk' ich auch. Aber lieber laufen als hier so stille stehen."


Katzler, unter Verneigung, ſetzte ſich wieder, während
ſich Krippenſtapel erhob. Er blätterte wie ein Rechts¬
anwalt in einer Anzahl von Papieren und ſagte dann:
„Ich folge der Aufforderung des Herrn Vorſitzenden und
freue mich, berufen zu ſein, ein Schriftſtück zur Verleſung
zu bringen, das unſer aller Gefühlen — ich bin deſſen
ſicher und glaube von den Einſchränkungen, die unſer Herr
Vorſitzender gemacht hat, abſehen zu dürfen — zu kräftig¬
ſtem Ausdruck verhilft.“

Und nun ſetzte Krippenſtapel ſeine Hornbrille auf
und las. Es war ein ganz kurzes Schriftſtück und ent¬
hielt eigentlich dasſelbe, was Katzler ſchon geſagt hatte.
Die Betonungen Krippenſtapels ſorgten aber dafür, daß
der Beifall reichlicher war, und daß die Schlußwendung
„und ſo vereinigen wir uns denn in dem Satze: was
um den Stechlin herum wohnt, das iſt für Stechlin,“
einen ungeheuren Beifall fand. Pyterke hob ſeinen Helm
und ſtieß mit dem Pallaſch auf, während Uncke ſich um¬
ſah, ob doch vielleicht ein einzelner Übelwollender zu
notieren ſei. Nicht um ihn direkt anzuzeigen, aber doch
zur Kenntnisnahme. Broſe, der (wohl eine Folge ſeines
Berufs) unter dem ungewohnten langen Stillſtehen ge¬
litten hatte, nahm im Vorflur, wie zur Niederkämpfung
ſeiner Beinnervoſität, eine Art Probegeſchwindſchritt raſch
wieder auf, während Kluckhuhn ſich von ſeinem Stuhl
erhob, um Katzler erſt militäriſch und dann unter gewöhn¬
licher Verbeugung zu begrüßen, wobei ſeine Düppelmedaille
dem Katzlerſchen Eiſernen Kreuz entgegenpendelte. Nur
Koſeleger und Lorenzen blieben ruhig. Um des Super¬
intendenten Mund war ein leiſer ironiſcher Zug.

Dann erklärte der Vorſitzende die Sitzung für ge¬
ſchloſſen; alles brach auf, und nur Uncke ſagte zu Broſe:
„Wir bleiben noch, Broſe; morgen wird es Lauferei genug
geben.“

„Denk' ich auch. Aber lieber laufen als hier ſo ſtille ſtehen.“


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[217/0224] Katzler, unter Verneigung, ſetzte ſich wieder, während ſich Krippenſtapel erhob. Er blätterte wie ein Rechts¬ anwalt in einer Anzahl von Papieren und ſagte dann: „Ich folge der Aufforderung des Herrn Vorſitzenden und freue mich, berufen zu ſein, ein Schriftſtück zur Verleſung zu bringen, das unſer aller Gefühlen — ich bin deſſen ſicher und glaube von den Einſchränkungen, die unſer Herr Vorſitzender gemacht hat, abſehen zu dürfen — zu kräftig¬ ſtem Ausdruck verhilft.“ Und nun ſetzte Krippenſtapel ſeine Hornbrille auf und las. Es war ein ganz kurzes Schriftſtück und ent¬ hielt eigentlich dasſelbe, was Katzler ſchon geſagt hatte. Die Betonungen Krippenſtapels ſorgten aber dafür, daß der Beifall reichlicher war, und daß die Schlußwendung „und ſo vereinigen wir uns denn in dem Satze: was um den Stechlin herum wohnt, das iſt für Stechlin,“ einen ungeheuren Beifall fand. Pyterke hob ſeinen Helm und ſtieß mit dem Pallaſch auf, während Uncke ſich um¬ ſah, ob doch vielleicht ein einzelner Übelwollender zu notieren ſei. Nicht um ihn direkt anzuzeigen, aber doch zur Kenntnisnahme. Broſe, der (wohl eine Folge ſeines Berufs) unter dem ungewohnten langen Stillſtehen ge¬ litten hatte, nahm im Vorflur, wie zur Niederkämpfung ſeiner Beinnervoſität, eine Art Probegeſchwindſchritt raſch wieder auf, während Kluckhuhn ſich von ſeinem Stuhl erhob, um Katzler erſt militäriſch und dann unter gewöhn¬ licher Verbeugung zu begrüßen, wobei ſeine Düppelmedaille dem Katzlerſchen Eiſernen Kreuz entgegenpendelte. Nur Koſeleger und Lorenzen blieben ruhig. Um des Super¬ intendenten Mund war ein leiſer ironiſcher Zug. Dann erklärte der Vorſitzende die Sitzung für ge¬ ſchloſſen; alles brach auf, und nur Uncke ſagte zu Broſe: „Wir bleiben noch, Broſe; morgen wird es Lauferei genug geben.“ „Denk' ich auch. Aber lieber laufen als hier ſo ſtille ſtehen.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/224>, abgerufen am 24.11.2024.