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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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reiner als bei uns. Ich will nicht ausführen, wie's bei
schärferem Zusehen auf dem adligen Gesamtgebiete steht,
aber doch wenigstens ein paar Andeutungen will ich
machen. Ich habe sie von allen Arten gesehen. Da sind
zum Beispiel die rheinischen jungen Damen, also die von
Köln und Aachen; nun ja, die mögen ganz gut sein,
aber sie sind katholisch, und wenn sie nicht katholisch sind,
dann sind sie was andres, wo der Vater erst geadelt
wurde. Neben den rheinischen haben wir dann die west¬
fälischen. Über die ließe sich reden. Aber Schlesien. Die
schlesischen Herrschaften, die sich mitunter auch Magnaten
nennen, sind alle so gut wie polnisch und leben von Jeu
und haben die hübschesten Erzieherinnen; immer ganz
jung, da macht es sich am leichtesten. Und dann sind da
noch weiterhin die preußischen, das heißt die ostpreußischen,
wo schon alles aufhört. Nun, die kenn' ich, die sind
ganz wie ihre Litauer Füllen und schlagen aus und be¬
knabbern alles. Und je reicher sie sind, desto schlimmer.
Und nun wirst du fragen, warum ich gegen andre so
streng und so sehr für unsre Mark bin, ja speziell für
unsre Mittelmark. Deshalb, mein lieber Woldemar,
weil wir in unsrer Mittelmark nicht so bloß äußerlich
in der Mitte liegen, sondern weil wir auch in allem die
rechte Mitte haben und halten. Ich habe mal gehört,
unser märkisches Land sei das Land, drin es nie Heilige
gegeben, drin man aber auch keine Ketzer verbrannt habe.
Sieh, das ist das, worauf es ankommt, Mittelzustand,
-- darauf baut sich das Glück auf. Und dann haben
wir hier noch zweierlei: in unserer Bevölkerung die reine
Lehre und in unserm Adel das reine Blut. Die, wo
das nicht zutrifft, die kennt man. Einige meinen freilich,
das, was sie das ,Geistige' nennen, das litte darunter.
Das ist aber alles Thorheit. Und wenn es litte (es
leidet aber nicht), so schadet das gar nichts. Wenn das
Herz gesund ist, ist der Kopf nie ganz schlecht. Auf

reiner als bei uns. Ich will nicht ausführen, wie's bei
ſchärferem Zuſehen auf dem adligen Geſamtgebiete ſteht,
aber doch wenigſtens ein paar Andeutungen will ich
machen. Ich habe ſie von allen Arten geſehen. Da ſind
zum Beiſpiel die rheiniſchen jungen Damen, alſo die von
Köln und Aachen; nun ja, die mögen ganz gut ſein,
aber ſie ſind katholiſch, und wenn ſie nicht katholiſch ſind,
dann ſind ſie was andres, wo der Vater erſt geadelt
wurde. Neben den rheiniſchen haben wir dann die weſt¬
fäliſchen. Über die ließe ſich reden. Aber Schleſien. Die
ſchleſiſchen Herrſchaften, die ſich mitunter auch Magnaten
nennen, ſind alle ſo gut wie polniſch und leben von Jeu
und haben die hübſcheſten Erzieherinnen; immer ganz
jung, da macht es ſich am leichteſten. Und dann ſind da
noch weiterhin die preußiſchen, das heißt die oſtpreußiſchen,
wo ſchon alles aufhört. Nun, die kenn' ich, die ſind
ganz wie ihre Litauer Füllen und ſchlagen aus und be¬
knabbern alles. Und je reicher ſie ſind, deſto ſchlimmer.
Und nun wirſt du fragen, warum ich gegen andre ſo
ſtreng und ſo ſehr für unſre Mark bin, ja ſpeziell für
unſre Mittelmark. Deshalb, mein lieber Woldemar,
weil wir in unſrer Mittelmark nicht ſo bloß äußerlich
in der Mitte liegen, ſondern weil wir auch in allem die
rechte Mitte haben und halten. Ich habe mal gehört,
unſer märkiſches Land ſei das Land, drin es nie Heilige
gegeben, drin man aber auch keine Ketzer verbrannt habe.
Sieh, das iſt das, worauf es ankommt, Mittelzuſtand,
— darauf baut ſich das Glück auf. Und dann haben
wir hier noch zweierlei: in unſerer Bevölkerung die reine
Lehre und in unſerm Adel das reine Blut. Die, wo
das nicht zutrifft, die kennt man. Einige meinen freilich,
das, was ſie das ‚Geiſtige‘ nennen, das litte darunter.
Das iſt aber alles Thorheit. Und wenn es litte (es
leidet aber nicht), ſo ſchadet das gar nichts. Wenn das
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[207/0214] reiner als bei uns. Ich will nicht ausführen, wie's bei ſchärferem Zuſehen auf dem adligen Geſamtgebiete ſteht, aber doch wenigſtens ein paar Andeutungen will ich machen. Ich habe ſie von allen Arten geſehen. Da ſind zum Beiſpiel die rheiniſchen jungen Damen, alſo die von Köln und Aachen; nun ja, die mögen ganz gut ſein, aber ſie ſind katholiſch, und wenn ſie nicht katholiſch ſind, dann ſind ſie was andres, wo der Vater erſt geadelt wurde. Neben den rheiniſchen haben wir dann die weſt¬ fäliſchen. Über die ließe ſich reden. Aber Schleſien. Die ſchleſiſchen Herrſchaften, die ſich mitunter auch Magnaten nennen, ſind alle ſo gut wie polniſch und leben von Jeu und haben die hübſcheſten Erzieherinnen; immer ganz jung, da macht es ſich am leichteſten. Und dann ſind da noch weiterhin die preußiſchen, das heißt die oſtpreußiſchen, wo ſchon alles aufhört. Nun, die kenn' ich, die ſind ganz wie ihre Litauer Füllen und ſchlagen aus und be¬ knabbern alles. Und je reicher ſie ſind, deſto ſchlimmer. Und nun wirſt du fragen, warum ich gegen andre ſo ſtreng und ſo ſehr für unſre Mark bin, ja ſpeziell für unſre Mittelmark. Deshalb, mein lieber Woldemar, weil wir in unſrer Mittelmark nicht ſo bloß äußerlich in der Mitte liegen, ſondern weil wir auch in allem die rechte Mitte haben und halten. Ich habe mal gehört, unſer märkiſches Land ſei das Land, drin es nie Heilige gegeben, drin man aber auch keine Ketzer verbrannt habe. Sieh, das iſt das, worauf es ankommt, Mittelzuſtand, — darauf baut ſich das Glück auf. Und dann haben wir hier noch zweierlei: in unſerer Bevölkerung die reine Lehre und in unſerm Adel das reine Blut. Die, wo das nicht zutrifft, die kennt man. Einige meinen freilich, das, was ſie das ‚Geiſtige‘ nennen, das litte darunter. Das iſt aber alles Thorheit. Und wenn es litte (es leidet aber nicht), ſo ſchadet das gar nichts. Wenn das Herz geſund iſt, iſt der Kopf nie ganz ſchlecht. Auf

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/214>, abgerufen am 25.11.2024.