es sich hier handelt, das ist keiner mit einem Seeweg, sondern bloß ein Dichter."
"Ach, dessen erinnere ich mich auch, ja ich habe so¬ gar seinen Namen auf der Zunge. Mit einem großen C fängt er an. Aber Calderon ist es nicht."
"Nein, Calderon ist es nicht; es deckt sich da manches, auch schon rein landkartlich, nicht mit dem, um den sich's hier handelt. Und ist überhaupt kein alter Dichter, sondern ein neuer. Und heißt Joao de Deus."
"Joao de Deus," wiederholte die Gräfin. "Schon der Name. Sonderbar. Und was war es mit dem?"
"Ja, was war es mit dem? Dieselbe Frage that ich auch, und ich habe nicht vergessen, was Lorenzen mir antwortete: ,Dieser Joao de Deus,' so etwa waren seine Worte, ,war genau das, was ich wohl sein möchte, wo¬ nach ich suche, seit ich zu leben, wirklich zu leben an¬ gefangen, und wovon es beständig draußen in der Welt heißt, es gäbe dergleichen nicht mehr. Aber es giebt der¬ gleichen noch, es muß dergleichen geben oder doch wieder geben. Unsre ganze Gesellschaft (und nun gar erst das, was sich im besonderen so nennt) ist aufgebaut auf dem Ich. Das ist ihr Fluch, und daran muß sie zu Grunde gehen. Die zehn Gebote, das war der Alte Bund; der neue Bund aber hat ein andres, ein einziges Gebot, und das klingt aus in: "Und du hättest der Liebe nicht ...".
"Ja, so sprach Lorenzen", fuhr Woldemar nach einer Pause fort "und sprach auch noch andres, bis ich ihn unterbrach und ihm zurief: ,Aber, Lorenzen, das sind ja bloß Allgemeinheiten. Sie wollten mir Persön¬ liches von Joao de Deus erzählen. Was ist es mit dem? Wer war er? Lebt er? Oder ist er tot?'
",Er ist tot, aber seit kurzem erst, und von seinem Tode spricht das kleine Heft hier. Höre." Und nun begann er zu lesen. Das aber was er las, das lautete etwa so: " ... Und als er nun tot war, der Joao
es ſich hier handelt, das iſt keiner mit einem Seeweg, ſondern bloß ein Dichter.“
„Ach, deſſen erinnere ich mich auch, ja ich habe ſo¬ gar ſeinen Namen auf der Zunge. Mit einem großen C fängt er an. Aber Calderon iſt es nicht.“
„Nein, Calderon iſt es nicht; es deckt ſich da manches, auch ſchon rein landkartlich, nicht mit dem, um den ſich's hier handelt. Und iſt überhaupt kein alter Dichter, ſondern ein neuer. Und heißt Joao de Deus.“
„Joao de Deus,“ wiederholte die Gräfin. „Schon der Name. Sonderbar. Und was war es mit dem?“
„Ja, was war es mit dem? Dieſelbe Frage that ich auch, und ich habe nicht vergeſſen, was Lorenzen mir antwortete: ‚Dieſer Joao de Deus,‘ ſo etwa waren ſeine Worte, ‚war genau das, was ich wohl ſein möchte, wo¬ nach ich ſuche, ſeit ich zu leben, wirklich zu leben an¬ gefangen, und wovon es beſtändig draußen in der Welt heißt, es gäbe dergleichen nicht mehr. Aber es giebt der¬ gleichen noch, es muß dergleichen geben oder doch wieder geben. Unſre ganze Geſellſchaft (und nun gar erſt das, was ſich im beſonderen ſo nennt) iſt aufgebaut auf dem Ich. Das iſt ihr Fluch, und daran muß ſie zu Grunde gehen. Die zehn Gebote, das war der Alte Bund; der neue Bund aber hat ein andres, ein einziges Gebot, und das klingt aus in: „Und du hätteſt der Liebe nicht ...“.
„Ja, ſo ſprach Lorenzen“, fuhr Woldemar nach einer Pauſe fort „und ſprach auch noch andres, bis ich ihn unterbrach und ihm zurief: ‚Aber, Lorenzen, das ſind ja bloß Allgemeinheiten. Sie wollten mir Perſön¬ liches von Joao de Deus erzählen. Was iſt es mit dem? Wer war er? Lebt er? Oder iſt er tot?‘
„‚Er iſt tot, aber ſeit kurzem erſt, und von ſeinem Tode ſpricht das kleine Heft hier. Höre.“ Und nun begann er zu leſen. Das aber was er las, das lautete etwa ſo: „ ... Und als er nun tot war, der Joao
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[201/0208]
es ſich hier handelt, das iſt keiner mit einem Seeweg,
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„Ach, deſſen erinnere ich mich auch, ja ich habe ſo¬
gar ſeinen Namen auf der Zunge. Mit einem großen C
fängt er an. Aber Calderon iſt es nicht.“
„Nein, Calderon iſt es nicht; es deckt ſich da manches,
auch ſchon rein landkartlich, nicht mit dem, um den ſich's
hier handelt. Und iſt überhaupt kein alter Dichter,
ſondern ein neuer. Und heißt Joao de Deus.“
„Joao de Deus,“ wiederholte die Gräfin. „Schon
der Name. Sonderbar. Und was war es mit dem?“
„Ja, was war es mit dem? Dieſelbe Frage that
ich auch, und ich habe nicht vergeſſen, was Lorenzen mir
antwortete: ‚Dieſer Joao de Deus,‘ ſo etwa waren ſeine
Worte, ‚war genau das, was ich wohl ſein möchte, wo¬
nach ich ſuche, ſeit ich zu leben, wirklich zu leben an¬
gefangen, und wovon es beſtändig draußen in der Welt
heißt, es gäbe dergleichen nicht mehr. Aber es giebt der¬
gleichen noch, es muß dergleichen geben oder doch wieder
geben. Unſre ganze Geſellſchaft (und nun gar erſt das,
was ſich im beſonderen ſo nennt) iſt aufgebaut auf dem
Ich. Das iſt ihr Fluch, und daran muß ſie zu Grunde
gehen. Die zehn Gebote, das war der Alte Bund; der
neue Bund aber hat ein andres, ein einziges Gebot, und
das klingt aus in: „Und du hätteſt der Liebe nicht ...“.
„Ja, ſo ſprach Lorenzen“, fuhr Woldemar nach
einer Pauſe fort „und ſprach auch noch andres, bis
ich ihn unterbrach und ihm zurief: ‚Aber, Lorenzen, das
ſind ja bloß Allgemeinheiten. Sie wollten mir Perſön¬
liches von Joao de Deus erzählen. Was iſt es mit dem?
Wer war er? Lebt er? Oder iſt er tot?‘
„‚Er iſt tot, aber ſeit kurzem erſt, und von ſeinem
Tode ſpricht das kleine Heft hier. Höre.“ Und nun begann
er zu leſen. Das aber was er las, das lautete etwa
ſo: „ ... Und als er nun tot war, der Joao
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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/208>, abgerufen am 22.11.2024.
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