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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Stelle wird ein Gespräch immer unterbrochen. Es wird
Melusine sein. Und so sehr ich gewünscht hätte, sie wäre
von Anfang an mit dabei gewesen, wenn sie jetzt so mit
einem Male dazwischen fährt, ist selbst Melusine eine
Störung."

Es war wirklich Melusine. Sie trat, ohne draußen
abgelegt zu haben, ins Zimmer, warf das schottische Cape,
das sie trug, in eine Sofa-Ecke und schritt, während sie
noch den Hut aus dem Haare nestelte, bis an den Tisch,
um hier zunächst den Vater, dann aber die beiden andern
Herren zu begrüßen. "Ich seh' euch so verlegen, woraus
ich schließe, daß eben etwas Gefährliches gesagt worden
ist. Also etwas über mich."

"Aber, Melusine, wie eitel."

"Nun, dann also nicht über mich. Aber über wen?
Das wenigstens will ich wissen. Von wem war die Rede?"

"Vom Prinzen Heinrich. Aber von dem ganz alten,
der schon fast hundert Jahre tot ist."

"Da konntet Ihr auch was Besseres thun."

"Wenn du wüßtest, was uns Stechlin von ihm er¬
zählt hat, und daß er -- nicht Stechlin, aber der Prinz
-- ein Misogyne war, so würdest du vielleicht anders
sprechen."

"Misogyne. Das freilich ändert die Sache. Ja,
lieber Stechlin, da kann ich Ihnen nicht helfen, davon
muß ich auch noch hören. Und wenn Sie mir's abschlagen,
so wenigstens was Gleichwertiges."

"Gräfin Melusine, was Gleichwertiges giebt es nicht."

"Das ist gut, sehr gut, weil es so wahr ist. Aber
dann bitt' ich um etwas zweiten Ranges. Ich sehe, daß
Sie von Ihrem Ausfluge erzählt haben, von Ihrem
Papa, von Schloß Stechlin selbst oder von Ihrem Dorf
und Ihrer Gegend. Und davon möcht' ich auch hören,
wenn es auch freilich nicht an das andre heranreicht."

"Ach, Gräfin, Sie wissen nicht, wie bescheiden es mit

Stelle wird ein Geſpräch immer unterbrochen. Es wird
Meluſine ſein. Und ſo ſehr ich gewünſcht hätte, ſie wäre
von Anfang an mit dabei geweſen, wenn ſie jetzt ſo mit
einem Male dazwiſchen fährt, iſt ſelbſt Meluſine eine
Störung.“

Es war wirklich Meluſine. Sie trat, ohne draußen
abgelegt zu haben, ins Zimmer, warf das ſchottiſche Cape,
das ſie trug, in eine Sofa-Ecke und ſchritt, während ſie
noch den Hut aus dem Haare neſtelte, bis an den Tiſch,
um hier zunächſt den Vater, dann aber die beiden andern
Herren zu begrüßen. „Ich ſeh' euch ſo verlegen, woraus
ich ſchließe, daß eben etwas Gefährliches geſagt worden
iſt. Alſo etwas über mich.“

„Aber, Meluſine, wie eitel.“

„Nun, dann alſo nicht über mich. Aber über wen?
Das wenigſtens will ich wiſſen. Von wem war die Rede?“

„Vom Prinzen Heinrich. Aber von dem ganz alten,
der ſchon faſt hundert Jahre tot iſt.“

„Da konntet Ihr auch was Beſſeres thun.“

„Wenn du wüßteſt, was uns Stechlin von ihm er¬
zählt hat, und daß er — nicht Stechlin, aber der Prinz
— ein Miſogyne war, ſo würdeſt du vielleicht anders
ſprechen.“

„Miſogyne. Das freilich ändert die Sache. Ja,
lieber Stechlin, da kann ich Ihnen nicht helfen, davon
muß ich auch noch hören. Und wenn Sie mir's abſchlagen,
ſo wenigſtens was Gleichwertiges.“

„Gräfin Meluſine, was Gleichwertiges giebt es nicht.“

„Das iſt gut, ſehr gut, weil es ſo wahr iſt. Aber
dann bitt' ich um etwas zweiten Ranges. Ich ſehe, daß
Sie von Ihrem Ausfluge erzählt haben, von Ihrem
Papa, von Schloß Stechlin ſelbſt oder von Ihrem Dorf
und Ihrer Gegend. Und davon möcht' ich auch hören,
wenn es auch freilich nicht an das andre heranreicht.“

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[171/0178] Stelle wird ein Geſpräch immer unterbrochen. Es wird Meluſine ſein. Und ſo ſehr ich gewünſcht hätte, ſie wäre von Anfang an mit dabei geweſen, wenn ſie jetzt ſo mit einem Male dazwiſchen fährt, iſt ſelbſt Meluſine eine Störung.“ Es war wirklich Meluſine. Sie trat, ohne draußen abgelegt zu haben, ins Zimmer, warf das ſchottiſche Cape, das ſie trug, in eine Sofa-Ecke und ſchritt, während ſie noch den Hut aus dem Haare neſtelte, bis an den Tiſch, um hier zunächſt den Vater, dann aber die beiden andern Herren zu begrüßen. „Ich ſeh' euch ſo verlegen, woraus ich ſchließe, daß eben etwas Gefährliches geſagt worden iſt. Alſo etwas über mich.“ „Aber, Meluſine, wie eitel.“ „Nun, dann alſo nicht über mich. Aber über wen? Das wenigſtens will ich wiſſen. Von wem war die Rede?“ „Vom Prinzen Heinrich. Aber von dem ganz alten, der ſchon faſt hundert Jahre tot iſt.“ „Da konntet Ihr auch was Beſſeres thun.“ „Wenn du wüßteſt, was uns Stechlin von ihm er¬ zählt hat, und daß er — nicht Stechlin, aber der Prinz — ein Miſogyne war, ſo würdeſt du vielleicht anders ſprechen.“ „Miſogyne. Das freilich ändert die Sache. Ja, lieber Stechlin, da kann ich Ihnen nicht helfen, davon muß ich auch noch hören. Und wenn Sie mir's abſchlagen, ſo wenigſtens was Gleichwertiges.“ „Gräfin Meluſine, was Gleichwertiges giebt es nicht.“ „Das iſt gut, ſehr gut, weil es ſo wahr iſt. Aber dann bitt' ich um etwas zweiten Ranges. Ich ſehe, daß Sie von Ihrem Ausfluge erzählt haben, von Ihrem Papa, von Schloß Stechlin ſelbſt oder von Ihrem Dorf und Ihrer Gegend. Und davon möcht' ich auch hören, wenn es auch freilich nicht an das andre heranreicht.“ „Ach, Gräfin, Sie wiſſen nicht, wie beſcheiden es mit

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/178>, abgerufen am 22.11.2024.